Donnerstag, 23. Januar 2014

Greenblatt, Stephen: DIE WENDE - Wie die Renaissance begann





„Nur scheinbar hat ein Ding eine Farbe, nur scheinbar ist es süß oder bitter; in Wirklichkeit gibt es nur Atome und leeren Raum.“


Der dies sagte, war nicht etwa ein Zeitgenosse Albert Einsteins, Werner Heisenbergs oder Stephen Hawkings, sondern ein Mann mit dem Namen Demokrit von Abdera, geboren um 460 v. Chr. in Abdera in Thrakien im antiken Griechenland!




Demokrit
Das ist erstaunlich und eigentlich unfassbar! Man stelle sich vor, was das bedeutet: Da beschreibt ein Mensch gut 400 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung, also weit mehr als 2000 Jahre vor der ersten Kernspaltung, mit unheimlicher Treffsicherheit den Aufbau der Materie! Wie überragend und einzigartig, wie glänzend und strahlend ist die geistige Leistung, welche die Erkenntnis von der Natur der Materie allein durch Beobachtung und durch logische Deduktion aus dem Beobachteten gewann und zutreffend formulierte! 
Leider sind von den Schriften dieses großen griechischen Philosophen und Universalgelehrten, den man zu den Vorsokratikern zählt, nur Fragmente erhalten geblieben.

Winziger Atomkern, ein paar Elektronen und viel leerer Raum: 
Das Atom

Ein Heliumatom. Der Atomkern (rosa) ist in eine vergleichsweise große Wolke derElektronen (grau) eingebettet, die nicht maßstäblich zum Kern dargestellt ist (sonst hätte sie ungefähr 5 m Durchmesser und so lang wäre auch der Balken). Oben rechts noch einmal vergrößert der Kern (2 Protonen, 2 Neutronen), der in Wirklichkeitkugelsymmetrisch ist.
(Quelle: Wikipedia)


Epikur
Dennoch ist einiges von ihm und seinen philosophisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen überliefert. Dies verdanken wir u.a. einigen anderen großen Denkern der griechischen Antike, die seine Philosophie aufgriffen und weiterentwickelten. 
Einer von diesen war der griechische Philosoph Epikur (um 341 v. Chr. bis 271 oder 270 v. Chr), welcher ebenfalls ein Anhänger des Atomismus war. 

Aber Epikur hatte noch weiter interessante Ideen, die bereits zu seiner Zeit polarisierend wirkten. Er postulierte eine Welt, in der es zwar höhere Wesen, Götter also, gab, die aber an den Geschicken der sterblichen Menschen keinerlei Interesse zeigten und auch keinen Einfluss darauf nahmen. Insofern waren ihm und seinen Anhängern die Furcht vor göttlichem Zorn fremd. Diese eindeutige Positionierung gegen  Aberglauben und Gottesfurcht mutet selbst heute noch sehr modern an! 

Nach Epikur ist ferner alles Leben und Sein im Hier und Jetzt verhaftet, ein Leben nach dem Tode gibt es nicht, denn mit dem Tod eines Menschen komme auch seine Seele zur Auflösung:

„Gewöhne dich daran zu glauben, dass der Tod keine Bedeutung für uns hat. Denn alles, was gut, und alles, was schlecht ist, ist Sache der Wahrnehmung. Der Verlust der Wahrnehmung aber ist der Tod. Daher macht die richtige Erkenntnis, dass der Tod keine Bedeutung für uns hat, die Vergänglichkeit des Lebens zu einer Quelle der Lust, indem sie uns keine unbegrenzte Zeit in Aussicht stellt, sondern das Verlangen nach Unsterblichkeit aufhebt. […] Das schauerlichste aller Übel, der Tod, hat also keine Bedeutung für uns; denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da.“

Auch hier also wieder ein Denkkonzept, das sehr rational anmutet und sich mit religiösen Vorstellungen nicht verträgt. 
Aus diesen Prämissen zog Epikur den Schluss, die Verstetigung der Lebensfreude sei ein höchst erstrebenswertes Lebensziel. Um jeden Tag, jeden Moment des Lebens  geniessen zu können, ist es nach Epikur notwendig,

"alle Beeinträchtigungen des Seelenfriedens zu vermeiden bzw. zu überwinden, die aus Begierden, Furcht und Schmerz erwachsen können. Die Lust am Leben stetig auszukosten, macht die Kunst des epikureischen Weisen aus" (Zitat Wikipedia).


Epikur gründete seine Schule in einem Garten (Kepos), über dessen Eingang die Worte prangten: 

"Tritt ein, Fremder! Ein freundlicher Gastgeber wartet dir auf mit Brot und mit Wasser im Überfluss, denn hier werden deine Begierden nicht gereizt, sondern gestillt".

Wegen des Strebens nach "Lebensgenuss", auch als Hedonismus bezeichnet, wurden die Epikureer sowohl von Zeitgenossen als auch von der Nachwelt oft als genusssüchtig verleumdet und ihnen wurden Schwelgereien, Orgien und Exzesse unterstellt, für die es, zumindest bezogen auf den Kepos des Epikur, nicht nur keine historischen Belege, sondern eher gegenteilige Indizien gibt, wie nachfolgendes Zitat aus einem Brief Epikurs beweist:

„Auch die Unabhängigkeit von äußeren Dingen halten wir für ein großes Gut, nicht um uns in jeder Lage mit Wenigem zufrieden zu geben, sondern um, wenn wir das Meiste nicht haben, mit Wenigem auszukommen, weil wir voll davon überzeugt sind, dass jene, die den Überfluss am meisten genießen, ihn am wenigsten brauchen, und dass alles Natürliche leicht, das Sinnlose aber schwer zu beschaffen ist und dass eine einfache Brühe die gleiche Lust bereitet wie ein üppiges Mahl […] und dass Wasser und Brot die höchste Lust bereiten, wenn man sie zu sich nimmt, weil man Hunger hat. Die Gewöhnung an einfache und nicht üppige Nahrung dient also einerseits in jeder Hinsicht der Gesundheit und nimmt andererseits auch dem Menschen die Sorgen angesichts der Grundbedürfnisse des Lebens, stärkt uns, wenn wir uns in Abständen an üppige Tafeln begeben, und macht uns furchtlos gegenüber dem Schicksal.“
(Brief an Menoikeus, zitiert nach Nickel 2005, S. 119 f.)


In seinem Kepos lebte Epikur unter seinen Schülern, die teilweise ohne jeglichen persönlichen Besitz zu ihm kamen. Auch Frauen, Ehepaare und Sklaven wurden, was unter damaligen Verhältnissen keinesfalls üblich war, als Schülerinnen und Schüler bei seinen Symposien aufgenommen.

"Sinnlichen Begierden" wurden nur begrenzt toleriert und sollten sich vornehmlich auf kleine und leicht erreichbaren Dinge des Lebens richten. 
An einen Freund schrieb Epikur:

"Schicke mir ein Stück Käse, damit ich einmal gut essen kann".

Es fällt schwer, für diesen Mann und sein Gedankengut nicht Bewunderung, ja Sympathie zu empfinden!

Einer, der offenbar auch so dachte, war ein gewisser
Titus Lucrezius Carus, meistens kurz Lukrez genannt.
Wie der latainisch klingende Name vermuten lässt, war Lukrez ein Italiener, die man damals aber noch Römer nannte.
Titelseite einer Ausgabe von
de rerum natura von 1675
Lukrez lebte vermutlich zwischen 99 und 94 und 55 oder 53 v. Chr. .
Er war ein römischer Dichter und Philosoph in der (wen mag es nach der obigen Vorbemerkung noch wundern) Tradition des Epikur. 
Über das Leben des Lukrez weiß man so gut wie nichts. Sein Werk, de rerum natura (Über die Natur der Dinge), ist jedoch überliefert, was wir wiederum einem gewissen Poggio Bracciolini verdanken. Jener Poggio Bracciolini wäre nach heutigem Verständnis ebenfalls ein Italiener, was aber zu seiner Zeit (er wurde geboren am  11. Februar 1380 im heutigen Terranuova Bracciolini und starb am 30. Oktober 1459 in Florenz) nicht so einfach zu bestimmen war: 
Gab es doch in jener mittelalterlichen Epoche längst kein römisches Reich mehr und einen Nationalstaat Italien würde es noch sehr lange nicht geben.
Poggio Bracciolini
Wie auch immer: 
Poggio war klug und begabt, schrieb und sprach fliessend Latein und brachte es vom Schreiber bis zum Privatsekretär von Päpsten und Gegenpäpsten, was, da er kein Priester war, aus heutiger Sicht der Stellung eines "zivilen" Angestellten der päpstlichen Kurie entsprach. Diese Stellung verschaffte ihm Einfluss und Wohlstand und sagt etwas über ihn aus: Nämlich dass er ein ziemlich kluger und fähiger Mann gewesen sein muss, da es ihm offenbar gelang, sich in dem "Haifischbecken" der päpstlichen Kurie  gegen Konkurrenten, denen zur Erreichung ihrer Ziele teilweise auch das Mittel der Intrige recht war, durchzusetzen. Seine Leidenschaft aber galt der lateinischen Sprache und dem Aufspüren und Kopieren überlieferter altgriechischer Texte, worin er es zu kriminalistischem Spürsinn (beim Auffinden der Schriften) und handwerklicher (handschriftlicher) Meisterschaft brachte. 

Der geneigte Leser wird bemerkt haben, dass wir uns nun langsam (im übertragenen Sinn) dem Corpus Delicti nähern, denn Bracciolini und de rerum natura sind ja Hauptakteur und Hauptgegenstand des hier rezensierten Buches 
"Die Wende - wie die Renaissance begann".

Vieles an Bracciolinis Geschichte erinnert an den bekannten Roman "Der Name der Rose" von Umberto Eco: Ebenso wie der Romanheld William von Baskerville besucht Poggio Bracciolini einsame Klöster, um mit kriminalistischem Spürsinn in den Klosterbibliotheken nach alten griechischen Schriften zu suchen. Hier wie dort geht es also (auch) um "verbotene" Bücher, denn auch in "Der Name der Rose" stellt sich ja am Ende heraus, dass ein mysteriöses griechisches Buch, nämlich "Das Zweite Buch der Poetik" des Griechen Aristoteles, welches von der Komödie handelt, der Auslöser für die schändlichen Verbrechen eines alten Mönches war.

Schönheit und Präzision der Handschrift Pogggio Bracciolinis setzten in der damaligen Kunst des Kopierens von Büchern neue Maßstäbe


Und hier stoßen wir auch schon auf einen  Widerspruch:

Im Mittelalter des Poggio Bracciolini, der zudem, wie bereits erwähnt, in der päpstlichen Kurie in Rom einen hohen Rang einnahm, waren die Werke altgriechischer Denker in aller Regel verpönt und verhasst, wenn
Scheiterhaufen der Inquisition
nicht gar verboten, weil sie als häretisch betrachtet wurden - und Häretiker endeten im Mittelalter nicht selten auf den Scheiterhaufen der Inquisition!

Wie konnte es also sein, dass Bracciolini solche aus Sicht der Christlichen Kirche häretischen Schriften vor dem Verfall, vor dem Vergessen rettete? Wie konnte es sein, dass ausgerechnet in christlichen Klöstern von christlichen Mönchen solche "sündigen" und gefährlichen Schriften aufbewahrt und oft sogar kopiert wurden?
Dies ist eine Frage, die sich nur damit erklären lässt, dass damals nur wenige Menschen lesen und schreiben konnten - und die es konnten, waren in der Mehrzahl Mönche und Geistliche, die sich gegen die "verderbliche"  Wirkung häretischer Schriften gefeit glaubten. Außerdem nahm man wohl an, dass diese Schriften in den Klosterbibliotheken vor den Menschen gut verborgen und in sicherer Verwahrung waren.
Und schlussendlich darf man wohl annehmen, dass die Mönche in vielen Fällen schlicht und einfach bibliophil waren und es (Gott sei Dank!) wohl nicht über ihre Herzen brachten, solche bibliophilen Schätze zu vernichten, sondern sie verwahrten.
Zuguterletzt ist auch nicht auszuschließen, dass sie sich verhielten wie Forscher, die ein gefährliches Schlangengift aufbewahren, um es zu untersuchen und womöglich ein Gegenmittel finden zu können.

Wie auch immer: Man darf vermuten, dass selbst heute noch in den Katakomben des Vatikans uralte Schriften lagern, die aus Sicht der christlichen Lehre Brisantes enthalten!

Bei Bracciolini verhielten sich die Dinge anders. Er, der Privatsekretär des Papstes, war kein christlich-religiöser Fanatiker (was er aber klugerweise für sich behielt) und fühlte sich zudem von der Scheinheiligkeit sowie den Intrigen und  dem ausschweifenden Leben am päpstlichen Hof und in der Kurie abgestoßen.

"Beim Himmel, hätten wir nicht Hilfe gebracht, schon am nächsten Tag wäre er verschwunden gewesen."
(Poggio Bracciolini zur Auffindung und Rettung des Quintilian-Manuskripts "Institutio oratoria" aus der Klosterbibliothek St.Gallen)

Es scheint, als sei ihm seine Tätigkeit am päpstlichen Hofe mehr Mittel zum Zweck als Berufung gewesen. Seine absolute Leidenschaft, der er sich zeitlebens mit voller Intensität hingab, galt den altgriechischen und altrömischen Klassikern. Und so machte er es, gemeinsam mit einigen anderen Personen aus seinem weiteren Umfeld, zu seiner Aufgabe, solche alten Schriften zu finden und, wenn möglich zu kopieren, um sie durch Abschrift dem Vergessen zu entreissen und vor dem Verfall zu bewahren.
In seinen zahlreichen eigenen Schriften bediente Bracciolini sich oft eines Tricks, um nicht als Häretiker entlarvt zu werden:
Ganz im Stile Ciceros verfasste er seine Traktate oft in Dialogform. So konnte er die Dialogpartner in seinen Schriften gegeneinander argumentieren lassen, ohne selbst die Position des Häretikers einnehmen zu müssen. Eine geschickte Kommentierung des Dialogs durch den Autor führte am Ende dazu, dass die bedenklichen Passagen nicht zwingend als Meinung des Autors auszulegen waren, sondern dieser eher als Moderator der Dialogpartner betrachtet wurde.

Die Epoche, in der Bracciolini lebte, war in vielerlei Hinsicht ein "dunkles" Zeitalter, das dennoch aber auch seine Höhepunkte und Lichtblicke hatte. 
Das Mittelalter (also etwa der Zeitraum vom 6. bis zum 15. Jahrhundert) steht heute gemeinhin in dem zweifelhaften Ruf, ein dunkles und barbarisches
Mittelalterliche Darstellung
Kaiser Ottos I.

Kapitel in der europäischen Geschichte gewesen zu sein; 
nicht umsonst, so scheint es jedenfalls, benutzen wir in unserem Sprachgebrauch manchmal das geflügelte Wort vom "finsteren Mittelalter". Zeitgeschichtlich gesehen ist das Mittelalter der Zeitraum zwischen dem dem Ende der Antike und dem Beginn der Neuzeit. Erscheint uns die Antike aus heutiger Sicht strahlend , erfrischend freiheitlich, kulturell unglaublich reich, fortschrittlich und mit überragenden Denkern gesegnet, so sehen wir im Mittelalter geradezu das Gegenteil: Eine
Mittelalterliche
Hexenverbrennung 1587
finstere, von dumpfem Aberglauben beherrschte Epoche, vom strengen christlichen Glauben geprägt zwar, aber gerade deswegen dogmatisch, engstirnig, abergläubisch, grausam, oft verlogen und fanatisch: 
Wir denken an Hexenprozesse, an die Verbrennung von "Ketzern" auf dem Scheiterhaufen, an Ablasshandel und an die Beulenpest, die Millionen dahinraffte. 
Kulturell gesehen war das Mittelalter nach den geistigen und kulturellen Höhenflügen der Griechen und Römer ein Rücksturz Europas in Primitivität, Aberglauben, Engstirnigkeit, Unwissen und religiösen Fanatismus, kurz: Ein Rückfall in Primitivität und Barbarei.


Baldassare Cossa
(Gegen-Papst Johannes XXIII.)
1413 wollte der deutsche König Sigismund die damals herrschende Kirchenspaltung (Schisma) beenden und zwang Johannes XXIII., das Konzil von Konstanz einzuberufen, das von November 1414 bis April 1418 tagte. Also reiste Johannes XXIII. alias Baldassare Cossa im Sommer 1414 in Begleitung seines Gefolges, darunter Poggio Bracciolini nach Konstanz. 
Das Konzil von Konstanz erlangte leider auch dadurch traurige Berühmtheit, dass der tschechische Theologe, Reformator und Rektor der Karls- Universität Prag, Jan Hustrotz Zusicherung freien Geleits durch König Sigismund verhaftet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.
Doch auch für Johannes XXIII. ging die Sache nicht gut, wenn auch nicht tödlich, aus:
Jan Hus auf dem Scheiterhaufen
Er wurde nach kurzer Flucht gefangen, inhaftiert und zur Abdankung gezwungen. 
Damit war unser Hauptprotagonist Poggio Bracciolini arbeitslos.
Womit wir am Anfang der Geschichte stehen, die Stephen Greenblatt uns in seinem Buch erzählt:
Es ist die Geschichte des Poggio Bracciolini und die Geschichte eines Fundes, die uns zeigt, dass die Richtungen, welche historische Entwicklungen durch die Jahrhunderte nehmen, von Zufällen bestimmt werden! 
Betrachtet man die Kausalkette der Historie, so sähe ohne Demokrit, Epikur und Lukrez (und all die anderen!), und ja, ohne Poggio Bracciolini unsere Gegenwart womöglich völlig anders aus und es wäre fraglich, ob z.B. in der amerikanischen Verfassung, die das "Recht auf Glück" als Menschenrecht postuliert und damit vollkommen dem epikureischen Hedonismus entspricht, enthalten wäre!

"Im Winter 1417 reitet Poggio Bracciolini durch die bewaldeten Täler und Höhen Süddeutschlands seinem fernen Ziel entgegen, einem Kloster, von dem es heißt, es beherberge ein geheimes Lager alter Handschriften."

So beginnt das Buch, das uns in spannender und unterhaltender Weise die Lebensgeschichte des Poggio Bracciolini erzählt und uns dabei eben mit jenen Zusammenhängen und ineinander verflochtenen Wirkungen vertraut macht, welche die Beschäftigung mit der Historie so spannend gestaltet.
Dem Autor gelingt es, uns mit großer Sachkunde und mit seinem Erzählstil zu fesseln, so dass wir auf sehr angenehme Weise sowohl unterhalten als auch "gebildet" werden. 
Manchmal ist die Realität eben mindestens so spannend wie die Fiktion!


De rerum natura: Deutsche Übersetzung als Kindle-Edition
De rerum natura von Lukrez ist eine Darstellung des epikureischen Weltbildes in Versform und ist z.B. in einer kindle-Edition bei Amazon verfügbar. 
Stephen Greenberg gibt uns einen Überblick über den Inhalt dieses literarische Meisterwerkes der Antike, das nach seiner Wiederentdeckung durch Bracciolini eine durchschlagende Wirkung entfaltete und letztlich die Befreiung des menschlichen Geistes aus dem Kerker mittelalterlicher Dogmen und der Versklavung des Geistes durch den Klerus einläutete. 

"Jeweils denkst du vielleicht von den dräuenden Worten der Priester
Heftig bedrängt und bekehrt aus unserem Lager zu fliehen!
Denn was könnten sie dir nicht alles für Märchen ersinnen,
Die dein Lebensziel von Grund aus könnten verkehren
Und mit lähmender Angst dein Glück vollständig verwirren !
Und in der Tat, wenn die Menschen ein sicheres Ende vermöchten
Ihrer Leiden zu sehn, dann könnten mit einigem Grunde
Sie auch der Religion und den Priesterdrohungen trotzen.
Doch so fehlt für den Widerstand wie die Kraft so die Einsicht,
Da uns die Angst umfängt vor den ewigen Strafen der Hölle."
(Lukrez, de rerum natura, 1. Buch)

Klarer kann man es nicht formulieren. Das Textbeispiel zeigt zugleich, dass de rerum natura sowohl von sprachlicher Schönheit als auch von nüchterner Deutlichkeit ist. Lukrez breitet in dieser Form das gesamte Spektrum der Erkenntnisse des Epikur vor uns aus, wobei einem oft Zweifel kommen, ob dieser Text tatsächlich auf einer Philosopie beruhen kann, die 2400 Jahre alt ist!
De rerum natura ist in 6 Bücher und diese wiederum in Kapitel gegliedert. Beispielhaft seien einige der Kapitelüberschriften hier angeführt, um eine Ahnung von der unglaublichen Aktualität des Werkes zu geben:

-Naturforschung als Erlösung (!)
-II. Lehrsatz. Die unsichtbaren Atome
-III. Lehrsatz. Das Vakuum
-Unteilbarkeit der Atome
-Unendlichkeit des Raumes
-Krankheit und Tod
-Freude und Schmerz
-Unendlich viele Welten
-Torheit der Seelenwanderungslehre
-Vergänglichkeit der Seele
-Die Welt ein Werk der Natur
-Bildung von Sonne und Mond
-Entstehung der Pflanzen und Tierwelt
-Volksherrschaft !)
-Wesen und Wirkung des Blitzes...

...um nur einige zu nennen.

Mit der Wiederentdeckung von "de rerum natura" und der erneuten Verbreitung des Werkes leitete Poggio Bracciolini eine Entwicklung ein, die in das Zeitalter der Renaissance mündete.


Der Vitruvianische Mensch:
Proportionsstudie von
Leonardo da Vinci
Der aus dem Französischen entlehnte Begriff Renaissance (Wiedergeburt) wurde im 19. Jahrhundert geprägt und bezeichnet eine Epoche der europäischen Kultur, die den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit vollzog. In der Renaissance erleben wir ein Aufblühen der Wissenschaft und Geistesforschung ebenso wie der schönen und bildenden Künste. Die Liste der hervorragenden Persönlichkeiten der Renaissance reicht, um nur einige zu nennen,  von dem  Universalgenie Leonardo da Vinci über Künstler wie Albrecht Dürer, Tizian, Donatello, William Shakespeare und Dante Alighieri bis hin zu dem Staatsphilophen Macchiavelli und dem bedeutenden niederländischen Gelehrte und Humanisten Erasmus von Rotterdam.
Was wir in der Renaissance beobachten, ist ein Triumph des menschlichen Geistes, auf dessen Schwingen die Hochbegabten jener Zeit in den Naturwissenschaften, in der Kunst und in vielen anderen gesellschaftlichen Disziplinen zu neuen Höhenflügen ansetzten. Dieses Beispiel zeigt deutlich, welche enormen geistigen Kräfte freigesetzt wurden, als man den menschlichen Geist nach Jahrhunderten vom Joch geistiger Unterdrückung befreite!






Das vorgestellte Buch ist, ein gewisses Interesse an der Materie vorausgesetzt, eine außerordentlich lohnende und zu empfehlende Lektüre. Dem interessierten Leser lege ich die Lektüre also wärmstens und in der Überzeugung an´s Herz, dass die Erwartungen nicht enttäuscht werden! 
Dies gilt im Übrigen auch für die weiter unten empfohlenen E-Books, mit denen man sich für wenig Geld (4,95 Euro bzw. 95 Cent) einen guten Eindruck über die Originalquellen verschaffen kann.  

Tinsoldier, 
Januar 2014.  


DIE WENDE - 
Wie die Renaissance begann
vonStephen Greenblatt
Siedler Verlag 
(www.siedler-verlag.de)

DNB 


Weiterführende Literaturvorschläge:


 de rerum natura Epikur

Beide Bücher sind als Kindle-Edition für E-Book-Reader bei Amazon erhältlich!
       
Hinweis: Bei den Recherchen zu dieser Rezension hat Wikipedia geholfen!



© Tinsoldier







4 Kommentare:

  1. Das ist eine gelungene Buchvorstellung, wie ich finde. Auch wenn man kein direkter Freund dieser Materie ist, klingt das Buch reizvoll - jedenfalls vor dem von Dir gleichzeitig präsentierten Hintergrund.
    Eine Wahnsinns-Arbeit hast Du Dir mit der Besprechung gemacht, Hut ab!

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    1. Der Aufwand hat sich für mich ganz persönlich gelohnt, weil ich mein Wissen dabei ziemlich vertieft habe - die Thematik fasziniert mich!

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  2. Da versteht man ja plötzlich, was du die letzten Wochen gemacht hast. Und Feuer gefangen: DER FRIEDHOF VON PRAG liegt bei mir noch rum. Klasse Arbeit.

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    1. Danke für das Lob, das gilt auch für Anne!
      Der Friedhof ist auch alles andere als eine triviale Lektüre - liest sich aber von der ersten Seite weg flüssig und bietet bereits auf den ersten 24 Seiten viel Ironie und sprachlichen Witz. Eco ist schon ein großartiger Fabulierer, man hat das Gefühl, er fabuliert immer leicht und locker frei von der Seele weg. Wenn das Buch sich weiter so entwickelt, werde ich es lieben. Berichten werde ich hier aber auf alle Fälle darüber!

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