Donnerstag, 16. Januar 2014

Toole, John K.: Die Verschwörung der Idioten


Ignatius J. Reilly ist schon von weitem eine groteske Erscheinung: Tweedhose, Flanellhemd, Schal und grüne Jagdmütze umhüllen den überdimensionierten, unter den Launen einer sensiblen Verdauung leidenden Körper. Sein Geist hingegen leidet an der Verkommenheit der Welt und ihrer Bewohner. Lange Zeit konnte der verkrachte Intellektuelle beiden aus dem Weg gehen, doch das träge Leben auf Kosten seiner Mutter findet ein jähes Ende, als sie in Geldnot gerät und ihn zum Arbeiten zwingt. Ob am Hotdog-Stand oder in der Hosenfabrik – Ignatius stiftet Unheil, wo immer er auftaucht...










Politisch unkorrekt - aber witzig...

(auch veröffentlicht von parden auf Buchgesichter.de am  16.01.2014)

 
New Orleans: French Quarter


Gestatten: Ignatius J. Reilly, eloquent, flatulent und zu absolut nichts zu gebrauchen. Die grüne Jagdmütze stramm auf der Wölbung des Kopfes schützt vor Schnupfen. Die geräumigen Hosen aus robustem Tweed bieten mehr Bewegungsfreiheit als üblich. Das karierte Hemd erübrigt eine Jacke, der Schal deckt die Blöße zwischen Ohrenlaschen und Kragen. Ein solcher Aufzug mag vielleicht nicht alltäglich-modisch sein, entspricht aber allen theologischen und geometrischen Anforderungen und deutet auf ein reiches Innenleben.
Ein "Wirrkopf von Gottes Gnaden, ein fetter Don Quijote, ein perverser Thomas von Aquin", in der Tat einer der originellsten Helden, den die amerikanische Literatur in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Seine berufliche Odyssee führt ihn von Hosen-Levy, wo er eine Revolte der Arbeiter anführt, ins Franzosenviertel, wo er einen fahrbaren Wurststand verwaltet. Ort der Handlung ist New Orleans.

 

Ignatius J. Reilly
Naja, der Held ist eher ein Anti-Held, nicht dumm aber schon sehr verschroben in seinen Ansichten und mit einer recht eigenwilligen Wahrnehmung und Interpretation der Geschehnisse und seiner Umgebung. Ignatius ist selbstverliebt, leidet unter Blähungen und sieht sich als Mittelpunkt der Erde, um den alles kreist. Dumm nur, dass ihn niemand anderer so sieht. Für die meisten ist er ein fetter, ekliger Spinner, der nur dumme Sprüche von sich gibt und seiner Mutter, in deren Haus er auch mit seinen 30 Jahren noch lebt, das Leben schwer macht. Igantius ist allerdings recht intelligent und kann sich sehr eloquent ausdrücken, doch seine zahlreichen Spleens machen diesen Eindruck schnell wieder zunichte...
Als er, der eigentlich nur essen, an seinen Tagebuchnotizen feilen und TV oder Kinofilme sehen möchte, plötzlich von seiner Mutter gezwungen wird, sich eine Arbeit zu suchen, nimmt das Chaos seinen Lauf. Aberwitzigen Figuren - vollkommen überzeichnet und karrikiert - begegnet Ignatius fortan, und im Laufe der Geschichte stoßen diese unter merkwürdigsten Umständen immer wieder aufeinander.

 

John Kennedy Toole schrieb diesen Roman 1963. Damit war er jedoch wohl zu
Der Autor John K. Toole
fortschrittlich für diese Zeit, denn das Buch ist in keinster Weise politisch korrekt. Die Schwarzen bekommen hier ebenso ihr Fett weg wie Juden, Schwule, Polizisten, italienische Einwanderer, nichtsnutzige Fabrikantensöhne - und masturbierende Muttersöhnchen. Der Autor verschont hier niemanden, am wenigsten sich selbst.
Weil er mit seinem Roman derart viele Tabus überschritt, ließ sich dafür kein Verleger finden, was John Kennedy Toole sehr deprimierte. Im Nachwort ist zu erfahren, wie viele Parallelen es gibt zwischen dem Leben des Autors und dem des Anti-Helden Ignatius - und da bleibt einem nachträglich das Lachen schon ein wenig im Halse stecken. Denn der Autor hat sich schließlich das Leben genommen, weil niemand sein Werk, von dem er so überzeugt war, publizieren wollte...

 

Allerdings hat seine Mutter nach dem Tode Tooles den Roman bei unzähligen Verlagen eingereicht, bis sich tatsächlich einer fand, der das Buch schließlich zehn Jahre nach Tooles Freitod herausbrachte. Im folgenden Jahr wurde "Die Verschwörung der Idioten" mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet - das erste Mal, dass ein Autor ihn postum erhielt.
In 18 Sprachen wurde der Roman seither übersetzt, und John Kennedy Toole gilt als einer der wichtigsten Klassiker der sog. Südstaaten-Literatur. Mit seinem einzigen Buch...

 


Mich hat das Buch größtenteils gut unterhalten, auch wenn ich es phasenweise etwas langatmig fand. Manche Anspielungen, Wortspiele und zynische Anmerkungen sind sehr im amerikanischen Kontext verhaftet und der damaligen Zeit gemäß sehr gesellschaftskritisch, aber es macht auch Spaß zu lesen, ohne jedes Detail dieses politischen Hintergrundes zu kennen.

 

Schon etwas Besonderes...


 

© Parden


 




 Trailer zur amerikanischen Verfilmung:
A Confederacy of Dunces



3 Kommentare:

  1. Da macht einen ja die Autorengeschichte erst richtig neugierig.

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    1. Ich bin bei der Suche nach Büchern von Alex Capus auf dieses Buch gestoßen. Der hat zwar nur die (neue) Übersetzung getätigt, aber der Klappentext hat mich schon neugierig gemacht. Die Autorengeschichte habe ich erst beim Lesen erfahren - aber ja, sie macht das Buch noch interessanter...

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  2. "aber es macht auch Spaß zu lesen, ohne jedes Detail dieses politischen Hintergrundes zu kennen."
    So kann man auch historische Romane lesen. ;)

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