Donnerstag, 2. Dezember 2021

Flaubert, Gustave: Bibliomanie

Der Buchhändler und Antiquar Giacomo lebt zurückgezogen in einer stillen Gasse in Barcelona. Seine Liebe gilt allein den Büchern. Er berauscht sich am Geruch ihres Papiers, dem Einband, der Vergoldung der Lettern und der Druckerschwärze. Sein Traum: der Aufbau einer eigenen Bibliothek. Bei dem Erwerb bibliophiler Schätze steht ihm allerdings sein Rivale Baptisto im Weg, der Buchhändler vom Königsplatz. Allmählich steigert sich Giacomos Leidenschaft zum verbrecherischen Wahn...
(Klappentext)
 
 
  • Herausgeber ‏ : ‎ Insel Verlag; 1. Edition (7. März 2021)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Übersetzung : Erwin Rieger 
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 68 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3458205292
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3458205296
 
 
 
 
 
Uwe alias
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 EINE FRAGE VON LEBEN UND TOD...

 
Erster Satz: "In einer engen, düsteren Gasse Barcelonas lebte vor einiger Zeit ein Mann mit bleicher Stirn und trüben, tiefliegenden Augen, ein satanischer und wunderlicher Mensch, wie Hoffmann in seinen Träumen sie entdeckt hat." (S. 7)

Die Rede ist von dem gerade einmal 30jährigen Buchhändler Giacomo, der aber viel älter aussieht als er ist, von gebeugter Gestalt und mit schlohweißem Haar, runzeligen Händen und zerschlissener Kleidung. Der ehemalige Mönch hat sich vom Orden ab- und seiner großen Leidenschaft zugewandt: den Büchern. Er betreibt ein Antiquariat und lebt vollkommen zurückgezogen. Dabei ist er aber kaum daran interessiert, seine zusammengetragenen Bücher zu verkaufen, sondern versucht vielmehr, seine Sammlung stetig um besondere und seltene Schriften zu erweitern.

Dabei ist Giacomo des Lesens überhaupt nicht mächtig - er ist den Büchern und ihrem schönen Äußeren, den Verzierungen, dem Geruch, dem Gefühl beim Steicheln des Einbandes einfach mit Haut und Haar verfallen. Dafür hat er alles geopfert: seinen Gott, sein Geld, sein Leben, seine Seele. Kaum zu beschreiben das zitternde Verlangen bei der Versteigerung eines einzigartigen Buches, der Anflug von Glück, wenn er es ergattern konnte, der tiefe Friede, wenn er endlich eintauchen kann in die Zweisamkeit mit der neuen Eroberung.

Aber das Leben spielt nicht immer leicht. Ein Käufer erwirbt trotz Giacomos Widerständen ein seltenes Exemplar aus seinem Antiquariat, ein Konkurrent schnappt ihm ein ums andere Mal wertvolle Schriften vor der Nase weg. So viel Leid, so viel Schmerz, so viel Trauer. Immer düsterer versinkt Giacomo in seiner staubigen Abgeschiedenheit. Bis er beschuldigt wird, bei seinem Konkurrenten einen Brand gelegt zu haben, um einen der wertvollen Schätze sein nennen zu können, den Giacomo nicht hat ersteigern können...

Wie dem aufschlussreichen Nachwort zu entnehmen ist, ist "Bibliomanie" die erste publizierte Schrift des damals gerade einmal fühfzehnjährigen Gustave Flaubert. Die verzehrende Passion des der Manie anheim gefallenen ehemaligen Mönchs für Bücher wirkt verstörend und faszinierend zugleich. Ich bin beruhigt, sagen zu können, dass ich mir die Diagnose "Bibliomanie" nicht zuordnen kann, durchaus aber die der "Bibliophilie". Dies aber nur mal so nebenbei.

Das Nachwort bietet zudem noch weitere Deutungsansätze, ohne die mir so manche Finesse des Textes und deren Bedeutung im historischen Kontext sicherlich entgangen wäre.

Düster ist nicht nur das Leben Giacomos, sondern auch die Gestaltung des kleinen Büchleins: in dunklen Brauntönen gehalten das Cover, ebenso wie die zahlreichen, liebevoll gestalteten Illustrationen von Burkhard Neie, die den Text eindrucksvoll unterstreichen.

Gustave Flaubert (1821-1880), mir v.a. durch seinem berühmten Roman "Madame Bovary" bekannt, ließ bereits in seinem Erstlingswerk sein großes Können aufblitzen. Mir hat dieser erste Einblick in das Schaffen des französischen Schriftstellers trotz seiner düsteren Note sehr gut gefallen...


© Parden

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Gustave Flaubert
Gustave Flaubert wurde am 12. Dezember 1821 in Rouen als Sohn eines Chirurgen geboren. Bereits im Kindesalter unternahm er erste Schreibversuche. Eine wichtige Inspirationsquelle seiner Kreativität war eine jahrelang unerfüllte Liebe zu einer älteren Frau, Elisa Schlesinger, die er 1836 kennenlernte. Sein Vater drängte ihn 1840 zum Jurastudium, das er 1844 nach einem epileptischen Anfall aber abbrach. Fortan widmete er sein Leben nur noch dem Schreiben. Nach einigen Reisen in den Vorderen Orient, u.a. nach Ägypten, kehrte Flaubert wieder auf den Familiensitz in Croisset nach Rouen zurück, wohin er sich, abgesehen von einem regen Briefwechsel mit seiner Geliebten, der Schriftstellerin Louise Colet, und vereinzelten Reisen nach Paris, in die Isolation zurückzog. Flaubert war ein unverbesserlicher Perfektionist im Umgang mit Sprache und hegte eine jahrelange Zurückhaltung, was eine Veröffentlichung seiner Manuskripte anbelangte. Madame Bovary war der erste Roman Flauberts, er erschien 1856. Der Roman zog unmittelbar einen Prozess wegen Sittenlosigkeit nach sich, Flaubert wurde aber 1857 von den Vorwürfen freigesprochen. Flaubert gilt als einer der großen europäischen Romanciers und gehört neben Stendhal und Balzac zu den großen realistischen Erzählern der französischen Literatur. Flaubert starb am 8. Mai 1880. (Quelle: Suhrkamp / Insel)
 
 

1 Kommentar:

Durch das Kommentieren eines Beitrags auf dieser Seite, werden automatisch über Blogger (Google) personenbezogene Daten, wie E-Mail und IP-Adresse, erhoben. Weitere Informationen findest Du in unserer Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google. Mit dem Abschicken eines Kommentars stimmst Du der Datenschutzerklärung zu.

Um die Übertragung der Daten so gering wie möglich zu halten, ist es möglich, auch anonym zu kommentieren.