Montag, 20. Dezember 2021

Bronsky, Alina: Barbara stirbt nicht

Walter Schmidt ist ein Mann alter Schule: Er hat die Rente erreicht, ohne zu wissen, wie man sich eine Tütensuppe macht und ohne jemals einen Staubsauger bedient zu haben. Schließlich war da immer seine Ehefrau Barbara. Doch die steht eines Morgens nicht mehr auf. Und von da an wird alles anders.

Mit bitterbösem Witz und großer Warmherzigkeit zugleich erzählt Alina Bronsky, wie sich der unnahbare Walter Schmidt am Ende seines Lebens plötzlich neu erfinden muss: als Pflegekraft, als Hausmann und fürsorglicher Partner, der er nie gewesen ist in all den gemeinsamen Jahren mit Barbara. Und natürlich geht nicht nur in der Küche alles schief. Doch dann entdeckt Walter den Fernsehkoch Medinski und dessen Facebook-Seite, auf der er schon bald nicht nur Schritt-für-Schritt-Anleitungen findet, sondern auch unverhofften Beistand. Nach und nach beginnt Walters raue Fassade zu bröckeln – und mit ihr die alten Gewissheiten über sein Leben und seine Familie.

(Klappentext)

 

 

  • Herausgeber ‏ : ‎ Kiepenheuer&Witsch; 3. Edition (9. September 2021)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 256 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3462000721
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3462000726 

 

 

Diesen Roman habe ich im Rahmen einer Leserunde bei Whatchareadin lesen dürfen. "Baba Dunjas letzte Liebe" sowie "Der Zopf meiner Großmutter" habe ich hier im Blog bereits vorgestellt, und da mir diese Werke gefallen haben, freute ich mich sehr als ich die Möglichkeit erhielt, auch das neueste Werk von Alina Bronsky zu lesen. Ob mir auch dieser Roman gefallen hat? Lest selbst...



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 HERR SCHMIDT LERNT KOCHEN...

 

Quelle: Pixabay
 

Walter Schmidt ist ein gefühlsarmer Despot. Auch als Rentner kommt er nicht auf die Idee, sich mit seiner Frau Barbara die Aufgaben im Haushalt zu teilen. Frauensache, ganz klar. Als Barbara aber plötzlich im Bett liegen bleibt, kann Herr Schmidt es gar nicht fassen. Wer soll ihm nun seinen Kaffee kochen? Nun, er lernt es mühsam und durch Fehlschläge, und als die ewigen Vorräte in der Gefriertruhe sich dann doch allmählich dem Ende zuneigen, bemüht sich Herr Schmidt sogar, das Kochen zu erlernen. Die Tipps des Fernsehkochs Medinski sowie die Follower auf dessen Facebook-Seite unterstützen ihn bei diesem Prozess.

Walter Schmidt ist ein konventionell eingestellter, festgefahrener Charakter mit klaren Haltungen und Einstellungen gegenüber Gott und der Welt. Die Rollenverteilung im Haushalt ist für ihn ebenso unumstößlich wie seine Meinung über Obdachlose und Ausländer. Auf mich wirkte er durch seine Borniertheit und seine Unfähigkeit in so vielen alltäglichen Dingen (Kaffeekochen, hallo?!) deutlich älter als er war, irgendwie wie aus einer anderen Generation stammend. Ich habe mir jedoch sagen lassen, dass es solche Typen durchaus auch heute noch geben soll. Schlimm genug.

Was ihn außerdem kennzeichnet ist seine Unfähigkeit und sein Unwille, über seine Gedanken und Gefühle zu sprechen. Er stößt seine Bekannten wie seine Kinder regelmäßig vor den Kopf und scheint dies entweder nicht zu registrieren oder aber es ist ihm vollkommen egal. Barbaras Bettlägerigkeit führt jedoch dazu, dass seine Kinder nun häufiger auftauchen als in den Monaten und Jahren davor – ein Umstand, mit dem sich Herr Schmidt nur ungern arrangiert. Doch auch wenn er sich offenbar weigert, über den Zustand seiner Frau auch nur nachzudenken, geschweige denn mit jemand anderem darüber zu sprechen, zeigen seine hilflosen Bemühungen zuweilen doch das Ausmaß seiner Sorge und den Versuch, Barbara etwas Gutes zu tun.

Der Leser / die Leserin erfährt von den Geschehnissen ausschließlich aus der Perspektive des Herrn Schmidt, so dass der Umstand, dass er manches nicht wahrhaben und nicht wirklich hinschauen will, einiges mehr erahnen als wirklich erkennen lässt. Ein Sympathieträger wird Herr Schmidt auch am Ende nicht sein, zumal sich im Verlauf einiges aus seiner Vergangenheit entpuppt, was ihn durchaus in keinem positiven Licht stehen lässt. Aber es findet ein langsamer Wandel statt – nicht vom Saulus zum Paulus, oh nein, aber das wäre ja auch kaum glaubwürdig, aber immerhin zu einem Menschen, der beginnt, mal nicht mehr nur sich selbst wahrzunehmen.

Sprachlich ist der Roman recht einfach gehalten, der Schreibstil ist flüssig zu lesen. Dennoch gelingt es der Autorin, in wenigen Sätzen viel und auch etliches zwischen den Zeilen zu transportieren. Insgesamt fand ich den Roman weniger berührend und warmherzig als ich erwartet (und erhofft) hatte, humorvoll ist er dagegen an einigen Stellen durch die überzogene Darstellung schon. Zwischen Lachen und Kopfschütteln ist alles dabei. Dabei sorgt die Gesamtsituation jedoch meist dafür, dass einem das Lachen gleich wieder im Halse stecken bleibt.

Alina Bronsky gelingt der Spagat zwischen ernsthafter Literatur und Humor an den meisten Stellen gut, ich persönlich hätte mir nur mehr Warmherzigkeit à la Ove (aus „Ein Mann namens Ove“ von Fredrik Backman) gewünscht.


© Parden

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

Alina Bronsky, geboren 1978 in Jekaterinburg/Russland, lebt seit den Neunzigerjahren in Deutschland. Ihr Debütroman »Scherbenpark« wurde zum Bestseller und fürs Kino verfilmt. »Baba Dunjas letzte Liebe« wurde für den Deutschen Buchpreis 2015 nominiert und ein großer Publikumserfolg. 2019 erschien ihr letzter Roman »Der Zopf meiner Großmutter«, der ebenfalls wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste stand.

 (Quelle: Kiepenheuer & Witsch)

 

 

 

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