Mittwoch, 19. Februar 2020

Rose-Billert, Brita: Sheloquins Vermächtnis


Zu Beginn
Indianerbücher haben sich irgendwie weiterentwickelt – Oder auch wieder nicht. Richtige Indianerbücher sind keine reinen Abenteuerbücher mehr, wobei dies schon für James Fenimoore Cooper nicht zutraf, denn der brach die sprichwörtliche Lanze für die untergehenden, die letzten Mohikaner.

Heute informieren erstklassige Indianerbücher über die unterschiedlichsten Stämme, oder besser Völker, deren Traditionen und Gewohnheiten und Lebensräume, sowohl früher wie heute. Trotzdem finden wir den „alten“ Indianerroman, der schon deswegen seine Berechtigung hat, weil man ja sonst erforderlich wäre, Sachbücher zu lesen. Vor dem Sachbuch aber kommt für mich das Abenteuer, der Roman. So wie bei Brita Rose-Billerts neuestem Buch: SHELOQUINS VERMÄCHTNIS.

Überhaupt Indianer: Vor dem Auge der meisten Deutschen taucht das Bild der Büffel jagenden, mit Adlerfederkronen geschmückten Reitervölker der Prärie auf, die sogenannten Plainsindianer. Doch gibt es unzählige Völker mehr. Da wir uns nach British Columbia begeben, verweise ich hier mal auf die Liste der in Kanada anerkannten Stämme hin. 



Die Geschichte
David Mark auf Pixabay
In British Columbia, westlich Vancouvers um das Städchen Hope lebt eine Gruppe von Skwahla.  Dort haben sich viele Gruppen und Völker vermischt und sprechen unterschiedlichste Dialekte und Sprachen. Wer nachschauen will, der suche neben Squamish und Skwah nach den Küsten-Salish. Die Gruppe, von der Brita Rose-Billert hier erzählt, ist vor allem naturgebunden, sie glauben zum Beispiel an die „kleinen Leute“, vielleicht so eine Art keltischer Elfen, die in der Natur leben: hinter jedem Stein, jedem Baum, jedem Strauch und an jedem Fluss.

"Hope stand auf dem Ortsschild der kleinen Stadt. Hope am Fraser River. Wer auch immer diesen Ort so genannt hatte, musste Hoffnung gehabt haben. Eingebettet lag Hope, idyllisch umgeben von bewaldeten Bergen, im Tal, durch das sich der Fraser River schlängelte. Dort, wo die Rocky Mountains mit den Coast Mountains zusammentrafen. Lange bevor ein Mann Namens Fraser dem Fluss seinen Namen gab, nannten ihn die Skwahla Indianer den Stolo, den Fluss der Lachse. Er war ihr Bruder. Sie sprachen mit ihm. Er gab ihnen, was sie zum Leben benötigten, und »Die Leute vom Fluss«, wie sich das Volk der Stolo Nation selbst nannte, achteten ihn und dankten dem Fluss. Er und das Leben darin waren ihnen heilig. Besonders der Lachs, der für sie das bedeutete, was der Büffel für die Plainsstämme war. Viele der Leute vom Fluss waren gegangen und andere Menschen waren aus einer anderen Welt gekommen. Der Fluss war geblieben. Die weißen Menschen hatten Häuser und Straßen an seinem Ufer gebaut und sie hatten Hoffnung."

David Mark auf Pixabay
Man spürt förmlich, die Welt hat sich dort etwas langsamer entwickelt als anderswo. Sie wurden Fisch- Indianer genannt.

"Der Fluss gehörte zu ihnen. Er war ihr Leben, gab ihnen Nahrung und Frieden. Sie waren Teil des Flusses. Aus dem Fluss waren sie geboren worden. Mit dem Fluss waren sie gestorben. Mit dem Fluss waren sie wieder auferstanden und mit dem Fluss waren sie in eine neue Zeit gegangen. Wind wiegte das Ufergras, und das Licht der Abendsonne flirrte durch die Blätter der Bäume. Er trug den Geruch der Zedern und der Bergwiesen in das Tal."

In den Bergen lebt Sheloquin, ein über 80 Jahre alter Mann, der über das Land der Skwahla wacht. 

"Es war Abend. Kühle Luft breitete sich aus. Mit der untergehenden Sonne zogen blaue Nebelschwaden in die Täler. In den Bergen lag noch Schnee, auch wenn der Frühlingsmonat Mai gerade Einzug gehalten hatte. Ein alter Mann stand auf der Veranda seines Holzblockhauses, das sich auf einer Lichtung mitten im Wald befand. Die krummen Beine des Mannes steckten in Jeans und Lederstiefeln. Fast reglos verharrte er, an die Hauswand gelehnt, und blickte über das Land. Es war sein Zuhause, mitten in der Wildnis der Rocky Mountains, oben am Isollilock Peak, südwestlich der kleinen Stadt Hope. Der Atem verflüchtigte sich mit zartem Rauch vor Mund und Nase. Es roch noch immer nach Schnee. Langsam löste er sich von der Hauswand und trat drei Schritte nach vorn. Es schien ihm schwer zu fallen. Der Alte zog das rechte Bein nach, als wollte es ihm nicht mehr gehorchen. Die rotkarierte Steppjacke hatte er geschlossen und den Fellkragen hochgeschlagen. Ganz in typischer Holzfällerrnanier war er gekleidet. Nur seinen Kopf hatte er nicht bedeckt, sodass sich sein eisgraues Haar kaum merklich im Wind bewegte. Der alte Mann verschränkte seine Arme und lehnte sich auf das Geländer seiner Veranda. Er musterte die Berge, den Wald und den klaren Bergsee direkt vor seinem Haus aufmerksam, obwohl er seit Jahrzehnten Kaum etwas anderes gesehen hatte. Er kannte jeden Baum, jedes Tier und jeden Wassertropfen im See. Der schimmerte blaugrün und spiegelte seine Umgebung wider. 
Still war es.
Der alte Mann schien nachzudenken."

Obwohl die Ureinwohner der Auffassung sind, dass Land nicht veräußerbar ist, „besitzt“ Sheloquin das Land, in dem es Bären, Elche und Lachse gibt, die einst die Lebensgrundlage der Fischer-Nation waren. Aber, wenn da ein Indianer existiert, der Land „besitzt“, dann vermag man es ihm abzukaufen, oder besser, abzuluchsen, so für 50.000 kanadische Dollar, um anschließend millionenschwere Hotels in die Landschaft über dem Fraser River zu wuchten. Damit deutet sich der Konflikt um das Erbe des greisen Sheloquins an...

Der Alte wird ermordet. Cody White Crow sucht nach Spuren, der kurz vor der Pension stehende Sergeant ermittelt nicht besonders zielstrebig, da kreuzt ein Typ auf, der von Cody oder David, dessen Bruder, eine Unterschrift haben will. Montaya Sun Road, eine Squamish, wird angegriffen und für Cody noch eine wichtige Rolle spielen...


Jackie Burton und auf Pixabay / ArtTower auf Pixabay


Das Buch
Brita Rose-Billert folgt ihrer bisherigen Erzählweise, wenn es um die Figuren geht, die sie in ihren Büchern entwickelt. Da ist sicher einer, der einen schwierigen Weg gehen, der sich Gefahren stellen muss. Diesmal schafft der Held es aber nicht allein, ohne Unterstützung könnten ihn die „kleinen Leute“ auch nicht helfen.

Im letzten Drittel wird die Spannung merklich erhöht und in das Visier eines Schurken gerät ein Pensionär. Das so etwas Ähnliches passieren würde, argwöhnte der Leser, die Auflösung war eine richtig einschlagende Idee.

Auffallend sind diesmal die Landschaftsbeschreibungen. Wirft man dazu noch einen Blick auf die Landkarte, hat man das Land vor den Augen. Sich gleichende Bilder aus verschiedenen Büchern kommen einem in den Sinn, es gibt so Indianergeschichten aus der Jugend, die prägen. Vielleicht täusche ich mich, jedoch haben wir ähnliche Lesewurzeln, was so manche Gespräche hervorbrachten. Hinzukommt das eindringliche Plädoyer für den Umweltschutz und den sparsamen Umgang mit den Ressourcen. Am Ende des Buches wird erzählt, wie die Ureinwohner versuchten, sich zu organisieren und für ihre Rechte eintraten, bis dies verboten wurde. Nicht nur in den USA, auch in Kanada kamen die Landvermesser und Grundstücksspekulanten, Stück für Stück ging den Ureinwohnern verloren. Dabei wurde erwähnt, dass für die Olympischen Winterspiele von Vancouver (2010) Wälder gerodet wurden, obwohl Wintersportmöglichkeiten durchaus vorhanden und ausbaufähig waren. Es gab schon im Vorfeld viele kritische Stimmen. Dass Sheloquin zum Landbesitzer wurde, hatte nur den Zweck, diese Gegend für sein Volk zu erhalten, die Indianer mussten dazu einen „modernen“ Weg nehmen. In früheren Zeiten allerdings haben ein Teil der Stämme auch Land besessen und sogar Sklaven, erklärte Brita Rose-Billert auf Nachfrage. Die verschiedenen Völker hatten verschiedene Lebensarten. Der Plainsindianer zug für seine "Jagdgründe" eher unbestimmte Grenzen, während die Tabak oder Mais anbauenden östlichen Völker womöglich anders über "Land" dachten. 

Vollkommen einig sind sich dabei die First Nations nicht. Vier Gruppen der wollten sich an den Spielen beteiligen,   Lil’wat, Musqueam, Squamish und Tsleil-Waututh. Deren Legitimation wurde von anderen angezweifelt. Außerdem ist die Rechtsmaterie kompliziert, denn 1997 hatte der Oberste Gerichtshof Kanadas erklärt, dass (bestimmte) Rechte der Ureinwohner auch nach der Staatsgründung Kanadas weiter existieren, die First Nations bei solchen Vorhaben mindestens zu konsultieren sind. Das dies zu Konflikten führt, liegt auf der Hand. (Wikipedia)

* * *

ArtTower auf Pixabay
An dieser Stelle wäre es nun Zeit, ein wenig über die Historie verlauten zu lassen, aber die kleine Recherche hat ergeben, dass dies so einfach nicht ist. Allzu vielfältig sind die Informationen über diese vielen Gruppen, die allein in British Columbia anzutreffen sind. Doch ein Detail fiel durchaus auf: In Indianerbüchern der Jahrzehnte wird oft von den sogenannten Totempfählen gesprochen. In diesem Buch werden sie von den Indianern als aus vielerlei Kulturen entstandene Kunstwerke hergestellt und natürlich auch verkauft. Das Kunsthandwerk ist eine wichtige Einnahmequelle; echt spirituelle Gegenstände wird man da aber nicht finden.

* * *

Brita Rose-Billert gelang ein gutes Buch, welches uns diesmal in eine andere Gegend Nordamerikas führt. Hier herrschen einerseits andere Verhältnisse als beispielsweise im mittleren Westen der USA, andererseits leben in Vancouver indianische Gruppen äußerst beengt in Gettos und „hüten“ den letzten Rest ihres Landes. Die Autorin hat das selbst beobachtet und berichtet darüber fassungslos im Prolog des Buches.


© Bücherjunge

3 Kommentare:

  1. Hallo,

    als ich Kind war, umgaben Indianer noch so einen Hauch von Wildnis und Abenteuer. Das hat sich im Laufe der Jahre leider gelegt. Immer mehr Nomaden und Völker in entlegenen Winkeln der Welt waren Inhalt von Dokus und so konnten sich die Indianer in ihren Reservaten auch nicht in meinem Interesse halten.

    Deine gezeigten Landschafts-Fotos sind wunderbar, sie geben einen Eindruck von der Schönheit dieser Gegend. Danke!

    liebe Grüße
    Barbara

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    Antworten
    1. Die Bilder sind ja leider nicht von mir. Ich hoffe, dass ich diese oder jene mal durch eigene ersetzen kann.
      Bei mir sind die nordamerikanischen Indianer immer präsent geblieben, mit Ausnahme der ersten 15 Jahre nach 1989/90. Dann kam das wieder durch die Bloggerei und solcher Verlage wie Traumfänger-Verlag und dem Palisander-Verlag.
      Vielen Dank für deinen Kommentar.

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  2. Man merkt den Buchbesprechungen über die Indianer und die Bücher von Brita Rose-Billert deine anhaltende Begeisterung an. Mir gefällt das, auch wenn ich das Thema für mich nicht entdeckt habe...

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