Herr Sommer läuft stumm, im Tempo eines Gehetzten, mit seinem leeren Rucksack und dem langen, merkwürdigen Spazierstock von Dorf zu Dorf, geistert durch die Landschaft und durch die Tag- und Alpträume eines kleinen Jungen. Erst als der kleine Junge schon nicht mehr auf Bäume klettert, entschwindet der geheimnisvolle Herr Sommer.
(Klappentext Diogenes Verlag)
- Taschenbuch: 136 Seiten
- Verlag: Diogenes Verlag; Auflage: 21 (21. Dezember 1993)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3257226640
- ISBN-13: 978-3257226645
ZWISCHEN KOMIK UND SEHNSUCHT...
Die Illustrationen im Buch sind von Sempé |
Zu der Zeit, als ich noch auf Bäume kletterte, lebte in unserem Dorf ein Mann mit Namen "Herr Sommer". Kein Mensch wusste, wie Herr Sommer mit Vornamen hieß, und kein Mensch wusste auch, ob Herr Sommer einem Beruf nachging.
Obwohl man über die Sommers und insbesondere über Herrn Sommer so gut wie nichts wusste, kann man doch mit Fug und Recht behaupten, dass es im Umkreis von mindestens sechzig Kilometern um den See herum keinen Menschen gab, Mann, Frau oder Kind - ja nicht einmal einen Hund -, der Herrn Sommer nicht gekannt hätte, denn Herr Sommer war ständig unterwegs. Es mochte schneien oder hageln, es mochte stürmen oder wie aus Kübeln gießen, die Sonne mochte brennen, ein Orkan im Anzug sein, Herr Sommer war auf Wanderschaft...
Ein wenig verwirrt der Titel des Buches, denn besagter Herr Sommer ist im Grunde eine Randfigur des Geschehens - in dessen Kern steht ein kleiner Junge, der in diesem ländlichen Idyll aufwächst. Aus der Erinnerung des inzwischen alt gewordenen Jungen und erzählt aus der Ich-Perspektive werden retrospektiv Episoden aus seiner Kindheit erzählt, mit all ihren sinnlichen Vergnügungen, Verwirrungen und Enttäuschungen. Das Klettern auf Bäume, Radfahren, der schüchterne Versuch, einem Mädchen näher zu kommen und das nahezu traumatische Erlebnis einer Klavierstunde gehören zu den erinnerten Episoden - und bringen einen zum Schmunzeln oder führen zu eigenen Erinnerungen...
Herr Sommer ist dabei ein allgegenwärtiger, getriebener Mensch, stets hastig mit Hilfe seines Stockes voran eilend, keine Zeit oder Ruhe zu verweilen. Süskinds Erzählstil setzt dabei auf Rätselhaftigkeit und Distanz - so bleibt Herr Sommer bis zum Schluss eine mysteriöse Erscheinung, in seinem immerwährenden Auftauchen fast schon nicht mehr wahrgenommen, und doch eine Tragik, ein unerträgliches Lebensgefühl vermuten lassend, einzig erspürt durch eben diesen kleinen Jungen, der in der Novelle als Erzähler fungiert.
Die Erzählung selbst erfolgt ebenso hastig wie die Wanderungen des Herrn Sommer - der erste Punkt wird erst auf der dritten Seite gesetzt. Immer wieder schweift der Erzähler in seinen Gedanken ab, lässt sich treiben in seinen Erinnerungen - und komplettiert doch so das Bild seiner Kindheit. Zart und poetisch, gewitzt und komisch, melancholisch und doch mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit, so kommt die Erzählung daher.
Wunderschön illustriert ist der schmale Band durch Zeichnungen von Sempé.
Ich freue mich, dass mir dieses Kleinod in die Hände gefallen ist...
© Parden
Der Diogenes Verlag schreibt über den Autor:
Patrick Süskind, geboren 1949 in Ambach am Starnberger See, studierte in München und in Aix-en-Provence mittlere und neuere Geschichte und verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst mit dem Schreiben von Drehbüchern. 1984 erschien sein Ein-Personen-Stück ›Der Kontrabaß‹, 1985 sein Roman ›Das Parfum‹, der 2005 von Tom Tykwer verfilmt wurde. 1987 folgte die Erzählung ›Die Taube‹ und 1991 ›Die Geschichte von Herrn Sommer‹, mit Illustrationen von Jean-Jacques Sempé. Patrick Süskinds Werk ist in über fünfzig Sprachen übersetzt.
► übernommen vom Diogenes Verlag
Liebe Anne,
AntwortenLöschenich kenne von Süskind nur das allseits bekannte "Parfum", aber deine Rezension macht mich neugierig!
liebe Grüße, Tina
Liebe Christina,
Löschenja, 'Das Parfum' ist natürlich das bekannteste Werk von Süskind - und hätte ich seinen Namen daher nicht gekannt, wäre ich vermutlich nicht auf dieses Buch hier gestoßen...
Liebe Grüße,
Anne
Wow, Anne, wie sehr habe ich dieses Buch geliebt. Toll, dass du es auch gelesen hast. Deine Buchbesprechung hast du sehr treffend formuliert. Patrick Süskind ist einfach genial. Ich kann dir noch das Buch "Die Taube" empfehlen. Er hat solche tolle surreale Ideen. Er ist wirklich genial. Süskind zählt auch zu meinen Favoriten aus früherer Zeit. Er schreibt nicht sooo viele Bücher. "Die Taube" würde dir auch gefallen.
AntwortenLöschen'Die Taube' steht schon lange auf meiner Wunschliste, Mira. Doch die ist so lang, dass nicht gleich jeder Wunsch erfüllt wird... ;)
LöschenIch stöbere gerne mal in den Diogenes - Listen.
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