Ein Mann kann bei der Beerdigung seines Sohnes nicht weinen. Erst im Kino, wo er sich danach einen Mickey-Mouse-Film ansieht, bricht im Dunklen die Trauer aus ihm heraus. Einem jungen Mann stirbt der Hund, er erinnert sich an eine Frau, die er kurz zuvor abgewiesen hat, und ruft sie an. Eine Frau ist unsterblich in den Mann verliebt, dessen Haushalt sie in Ordnung hält, entscheidet sich aber am Ende für ihre Familie. Paula Fox erzählt in ihrer klaren, eleganten Sprache von Verlust und Liebe, von Verlorenheit und gnädiger Rettung. Sie versteht es, Brücken über den Abgrund zu schlagen, der uns Menschen von der Welt trennt.
- Gebundene Ausgabe: 255 Seiten
- Verlag: C.H.Beck; Auflage: 1 (18. Februar 2011)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: Karen Nölle, Hans-Ulrich Möhring
- ISBN-10: 340661289X
- ISBN-13: 978-3406612893
- Originaltitel: News from the World: Stories and Essays
LEBEN IN LICHT UND SCHATTEN...
Ein Mann sitzt nach einer Beerdigung an einem strahlend heißen Sommertag im Kino, sieht einen Zeichentrickfilm an und fängt plötzlich an zu schreien; eine Frau, die auf einer von einem Ölteppich eingeschlossenen Insel lebt, verliebt sich unsterblich in den alten Künstler, für den sie täglich putzt, ohne kaum je mehr als ein paar Sätze mit ihm gewechselt zu haben; eine Schriftstellerin, bei der es sich um Paula Fox selbst handelt, wird um ein Haar an ihrem eigenen Schreibtisch erschossen, weil Jugendliche im Nachbargarten mit einer geladenen Pistole spielen.
Neben ihren Romanen und Jugendbüchern hat Paula Fox seit den 60er-Jahren Erzählungen und kleine Prosastücke geschrieben, die hier zum ersten Mal versammelt sind. Oft sind es kleine, stille Begebenheiten, die sich schließlich zu etwas Unerhörtem ausweiten und so von den großen Themen Liebe, Tod und Verlust erzählen. Paula Fox ist eine Meisterin der genauen Beobachtungen, die selbst den einfachsten Situationen eine Poesie abtrotzt, die einen gefangen nimmt. Mit ihrer feinen, klaren und eindringlichen Sprache erschafft sie eine ganz eigene Welt, in der die Grenzen zwischen Autobiographie und Fiktion irgendwann nahezu aufgehoben scheinen.
'Die Zigarette und andere Stories' versammelt Texte von den 60er-Jahren bis heute, die noch einmal die kluge Beobachtungsgabe und die Menschenkenntnis einer großen zeitgenössischen Autorin, deren Leben und Schreiben untrennbar miteinander verbunden sind, unter Beweis stellen.
"Ich sehe es bildlich vor mir, wie du auf der Kante eines Hotelbetts sitzt und grundlos eine Nummer wählst, weil dir grundlos irgendjemand aus deiner Vergangenheit eingefallen ist. Aber so warst du schon immer. Lieber läufst du die halbe Nacht durch die Straßen, als einfach mal drei Minuten mit dir allein zu sein."
Was sind das für Geschichten, die eine Seite kurz sein können oder zwanzig Seiten lang, in denen Autobiografisches erzählt und philosophisch resümiert, in denen pointiert etwas festgestellt und sogleich der mögliche Widerspruch daneben entfaltet wird? Sind das Stories? Essays? Erzählungen? Autobiografische Splitter? Vielleicht von allem etwas, vielleicht gibt es keinen Namen, der alles umfasst, der die über fünfundvierzig Jahre hinweg entstandenen kürzeren Texte von Paula Fox auf einen Nenner bringt.
Ihn zu beschreiben drückt nicht aus, was mich ergriffen hatte. Es wäre so albern, als wollte man sagen, der HImmel ist blau, und der Sand ist gelb. Worte sind Netze, durch die alle Wahrheit hindurchfällt.
Fest steht jedenfalls, dass Paula Fox in jeder Zeile dieser Texte authentisch zu finden ist. Sie, die selbst keine einfache Kindheit und Jugend hatte, die die Härte und Unzuverlässigkeit des Lebens schon früh erfahren musste, lässt den Leser teilhaben an den Gefühlen - Einsamkeit, Verlassenheit, Fremdheit, Irritation. Doch nicht anklagend, auch nicht verzweifelt, sondern mit einer Offenheit für das Unerträgliche. Und doch auch nicht hoffnungslos, kein Weltmisstrauen, keine düstere Weltsicht als vorwegnehmender Schutz vor noch mehr Schmerz - Nichts ist sicher. Alles ist möglich. Und wenn dies bedeutet, dass man immer auf alles gefasst sein muss, bedeutet dies auch: auf das Allerschönste...
Er war erst sechsunddreißig. Erst! Würde er sich an seinem nächsten Geburtstag sagen, dass er erst siebenunddreißig war, und sich mit einem Wort zu trösten suchen, das sich auf der Kippe zwischen Hoffnung und Grauen befand?
Eine unaufgeregte aber überaus eindringliche Sprache begegnet dem Leser da in diesen 17 Geschichten, berührend auf eine ganz eigene Weise. Eine großartige zeitgenössige Schriftstellerin, der ich hier endlich begegnen durfte, und ein Buch, das in jedem Fall Lust auf weitere Werke von Paula Fox macht. 'Paul ohne Jakob' oder 'Was am Ende bleibt' beispielsweise kenne ich bislang nur dem Titel nach. Ich denke, es wird Zeit, das zu ändern.
Später, nachdem wir uns angefreundet hatten, nahm ich sein Gesicht genauer wahr, die Andeutung von Verschwiegenheit darin, die Wandelbarkeit und den, wie mir schien, inbrünstigen Wunsch, gemocht zu werden. In seinem unsicheren Lächeln erkannte ich erschrocken mich selbst wieder, doch im Unterschied zu meinem Lächeln war seines ungeschützt. Ich begriff rasch, dass wir beide nur dann offen zu anderen waren, wenn wir in ihnen dieselbe Hoffnung spürten - wobei ich mich im Leben darin mitunter geirrt habe.
Ein beeindruckender Zufallsfund, der mir hier in die Hände gefallen ist. Und ich bin nun sehr neugierig darauf, mehr von der Autorin zu entdecken!
© Parden
Paula Fox (* 22. April 1923 in New York City) ist eine US-amerikanische Schriftstellerin, die in New York lebt. Lange Zeit war sie vergessen, heute sieht man sie als eine Klassikerin der Moderne.
Ihre Eltern - der Vater war irisch-englischer Abstammung, ihre Mutter kam aus Kuba - ließen sie zunächst bei einem Pastor aufwachsen, mit sechs Jahren kam Paula Fox in ein Kinderheim nach Kalifornien. Zwei Jahre später zog sie zu der Familie ihrer Mutter nach Kuba, wo sie auf einer Zuckerrohrplantage lebte. Bis zu ihrem 12. Lebensjahr war Paula Fox bereits auf neun verschiedene Schulen gegangen. 1933 kehrte sie zusammen mit ihrer Großmutter nach New York zurück, wo sie auch heute noch lebt. Paula Fox ist verheiratet, hat drei Kinder und mehrere Enkelkinder - eines davon ist die Sängerin Courtney Love.
Zum 90. Geburtstag der Autorin erschien in der FAZ am 22.04.2013 ein interessanter Artikel. ► HIER |
Ich finde so was immer interessant, wenn Autorinnen oder Autoren wieder entdeckt werden.
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