Kann man seine Mutter wirklich kennen? Norah blickt zurück auf das Leben
ihrer Mutter, der einst gefeierten Schauspielerin Katherine O’Dell, die
es von den irischen Dorfbühnen bis nach Hollywood geschafft hat. Doch
mit zunehmendem Alter verblasste ihr Stern, sie betäubte sich mit
Alkohol und Tabletten, bis es eines Tages zu einem bizarren Skandal kam:
Ohne Vorwarnung schoss sie auf einen Filmproduzenten. Jeder Augenblick
in Katherines Leben war große Geste, und Norah war ihr Publikum. Wer
aber war diese Frau, die alles für die Kunst gab, deren Beziehungen kalt
waren – und warum erzählte sie Norah nie, wer ihr Vater ist?
- Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
- Verlag: Penguin Verlag (23. März 2020)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung:
- ISBN-10: 3328601341
- ISBN-13: 978-3328601340
- Originaltitel: Actress
Ein weiterer Roman, den ich im Rahmen einer Leserunde bei Whatchareadin lesen durfte - auf diesem Wege noch einmal ein herzliches Dankeschön an den Verlag und die Organisatoren für die Bereitstellung des Leseexemplars! Um es gleich vorwegzunehmen: das Buch war eine nicht zu leugnende Anstrengung. Ob sich diese gelohnt hat? Das führe ich im Folgenden aus...
EINE LESEANSTRENGUNG...
Quelle: Pixabay |
Die fiktive Biografie einer nichtexistenten Schauspielerin (geboren
1928 in London, Karriere als Theaterschauspielerin in Irland und als
Filmschauspielerin in Hollywood), eine erfundene
Mutter-Tochter-Geschichte - der Sinn dieser 'unechten' Lebensgeschichten
erschloss sich mir ehrlich gesagt bis zum Schluss nicht. Gut, die Suche
nach Anerkennung wohnt vermutlich jeder Mutter-Tochter-Beziehung inne,
aber Romane dazu gibt es schon etliche. 'Das Lächeln meiner Mutter' von
Delphine de Vigan ist mir da beispielsweise lebhaft in Erinnerung.
Erzählt wird 'Die Schauspielerin' aus der Sicht von Norah, der
Tochter von Katherine O'Dell, die, veranlasst durch eine
Interviewanfrage, beginnt, die Geschichte ihrer Mutter
niederzuschreiben, die gleichzeitig auch eine Erzählung von Mutter und
Tochter ist. Erinnerungsfetzen und Flashbacks werden in aller Hast und
in einem chronologischen Chaos aneinandergereiht, zusammenhanglos oft,
verwirrend und überladen.
Der Leser wird vor allem in den ersten zwei Dritteln des Romans mit
einer Vielzahl an Personen, Handlungen und Umständen bombardiert, die er
spätestens beim Umblättern gleich wieder aus dem Blick zu verlieren
droht. Der Inhalt von Norahs Erinnerungen wird oftmals nur angedeutet,
die zahllosen Zeitsprünge fordern die Konzentration zusätzlich, und der
Strom der vorbeidefilierenden Personen, die alle irgendwie immer nur
posieren und eine Rolle spielen, reißt einfach nicht ab.
Würde sich die Erzählung auf das Mutter-Tochter-Verhältnis
fokussieren und das Leben der Schauspielerin nur insoweit streifen, wie
es für eben diese Beziehung von Bedeutung war - ich vermute, ich wäre
begeistert gewesen. Denn schreiben kann Anne Enright, das wird in vielen
Passagen deutlich: präzise und gestochen scharf. Hier aber bekommt man
die Puzzleteile eines riesigen Bildes um die Ohren gehauen, ohne dass
ich in der Lage gewesen wäre, mich an einzelnen Details zu erfreuen.
Viel zu überladen, zu hektisch, zu nüchtern.
Die Überflutung mit Charakteren, die unabhängig von ihrer Bedeutung
gleichberechtigt nebeneinderstehen, dazu die zahllosen Themen, die von
der Schauspielerei, dem Theater, der (blutigen) Geschichte Irlands,
einer Vatersuche, dem Blick hinter die Kulissen Hollywoods, bis hin zur
Literatur u.v.m. reichen - all dies hat mich über weite Strecken einfach
nur überfordert. Überfordert, ungeduldig werden lassen und ehrlich
gesagt phasenweise einfach auch gelangweilt. Mich ermüdete diese Art des
Erzählens, auch wenn mir einzelne Sätze bedeutungsvoll erschienen und
vom Schreibstil her durchaus gefielen.
Die Ich-Erzählerin Norah erzählt hier mit viel Abstand, distanziert
und reflektiert. Und dadurch wenig emotional, wodurch die Personen auf
Distanz blieben. Nur selten hatte ich zudem das Gefühl, überhaupt die
'echten' Personen vor Augen zu bekommen - und wenn das Empfinden einmal
kurzzeitig aufkam, wurde es gleich darauf wieder weggewischt. Die
Ambivalenz der Rollen spiegelt sich in der Ambivalenz der Erinnerungen
und der Darstellung von Fakten und Meinungen - wodurch ich oftmals nicht
entscheiden konnte, was ich nun eigentlich glauben sollte. Norah
fungiert hier als absolut unzuverlässige Erzählerin, was ich per se
schon anstrengend finde.
Die letzten 60 Seiten des Romans versöhnten mich dann ein wenig.
Dieser letzte Abschnitt war deutlich ruhiger und weniger sprunghaft, so
dass ich die Schreibkunst von Anne Enright endlich genießen und mich von
der melancholischen Stimmung durch die letzten Zeilen gleiten lassen
konnte.
Alles in allem war dieser Roman für mich in erster Linie eine
Leseanstrengung, die das Lesevergnügen deutlich
überwog. Da mich aber der Schreibstil von Anne Enright faszinieren
konnte, bleibe ich neugierig auf weitere Romane der Gewinnerin des
Booker-Preises 2007.
© Parden
Anne Enright, 1962 in Dublin geboren, zählt zu den bedeutendsten
englischsprachigen Schriftstellerinnen der Gegenwart und wurde 2015 zur
ersten Laureate for Irish Fiction ernannt. »Das Familientreffen« wurde
unter anderem 2007 mit dem renommierten Booker-Preis ausgezeichnet, ist
in gut dreißig Sprachen übersetzt und weltweit ein Bestseller. Für
»Anatomie einer Affäre« (2011) erhielt sie die Andrew Carnegie Medal for
Excellence in Fiction und für »Rosaleens Fest« (2015) den Irish Novel
of the Year Prize.
(Quelle: Verlagsgruppe Randomhouse)
"dazu die zahllosen Themen, die von der Schauspielerei, dem Theater, der (blutigen) Geschichte Irlands, einer Vatersuche, dem Blick hinter die Kulissen Hollywoods, bis hin zur Literatur u.v.m. reichen" - Eigentlich klingt das ganz interessant...
AntwortenLöschenStimmt. Es war nur alles unglaublich viel...
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