Am Abend lief Carmen noch um die Wette am Strand – in der Nacht weckt
sie ein kalter Schmerz. Es ist der letzte Urlaubstag ihrer Reise durch
den Amazonas. Von einem Tag auf den anderen kämpft die junge Frau um ihr
Leben. Kein Arzt weiß ihr zu helfen, sieht das Naheliegende. In der
scheinbaren Sicherheit eines Krankenhauses geschieht das Unvorstellbare –
und nur einer weiß alles: der Moskito, der Carmen gestochen hat und von
da an, durch das Blut mit ihr verbunden, zur Stimme der Natur, zum
sprachmächtigen Erzähler wird. Immer tiefer verbindet er sich mit
Carmen, immer tiefer zieht er den Leser in ihre Geschichte – eine
Parabel über die Unkontrollierbarkeit des Lebens, über die großen Fragen
des Menschseins.
- Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
- Verlag: S. FISCHER; Auflage: 3 (23. August 2012)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3100751418
- ISBN-13: 978-3100751416
Dieser Roman sprach mich aufgrund des auffälligen Covers und des merkwürdigen Titels an. Neugierig geworden, las ich den Klappentext. Und musste das Buch lesen... Eine Geschichte über Leben und Tod. Erzählt von einem Moskito. Wenn das nichts Besonderes ist?
DER EWIGE KREISLAUF...
Moskito (Quelle: Pixabay) |
Ich habe ja schon die verrücktesten Perspektiven in Büchern erlebt - aber aus der Sicht einer Mücke, genauer: einer
Anopheles, habe ich noch nie etwas gelesen. Als
Überträgerin der Malaria hat sie Carmen durch einen einzigen Stich die
gefährlichen Plasmodien in ihren Organismus geschleust. Nun übermannt
die Mücke aber das schlechte Gewissen, so dass sie Carmen fortan
begleitet und beobachtet, was
geschieht. Die Mücke sieht sich selbst als Opfer der winzigen Einzeller
und Carmen ebenso - dieses Schicksal verbindet.
Rein sachlich gesagt, präsentiert Carmen Stephan hier in
ungewöhnlicher Perspektive viel Hintergrundwissen zu der gefährlichen
Erkrankung, über die inzwischen zwar viel bekannt ist, die aber immer
noch nicht wirklich bekämpft werden kann.
Der Moskito berichtet von dem dramatischen
Krankheitsverlauf Carmens, die es mit immer neuen Ärzten versucht, die
jedoch nur nach Wahrscheinlichkeiten urteilen. In Brasilien grassiert
das Dengue-Fieber, also geht man davon aus, dass sich Carmen damit
angesteckt hat. Auf die unwahrscheinlichere Variante Malaria kommt
zunächst niemand, so dass die Plasmodien ihr Unheil anrichten können.
Der Moskito ist historisch bewandert, durch das Teilen des
Blutes auch mit Carmens Gedanken- und Gefühlswelt eng verbunden und
zudem philosophisch veranlagt. So bekommt der Leser hier nicht nur den
Verlauf der Krankheit präsentiert, sofern sie nicht rechtzeitig
behandelt wird, und erfährt auch einiges über die medizinische
Forschungsgeschichte zu Malaria (italienisch: mala aria = schlechte
Luft, Böses aus der Luft), sondern bekommt auch einen mitunter recht
unangenehmen Spiegel vorgehalten. Die Mücke stellt einige Aspekte des
Verhaltens der Menschen sehr in Frage.
Der ewige Kreislauf der Malaria - fast schon muss man die
Raffinesse der einzelligen Plasmodien bewundern, die sich nicht nur
etliche Male in ihrer Gestalt verändert, sondern die sich auch so gut
anpassen, dass sich alle bisherigen Mittel letztlich gegen die richten,
die es schützen sollte: die Menschen. Die Einzeller schaffen es
beispielsweise auch, dass sich der Körpergeruch des Menschen derart
verändert, dass die Mücken sich unfehlbar auf ihn stürzen, um das vom
Erreger befallene Blut aufzunehmen und den Kreislauf der Malaria von
neuem beginnen zu lassen.
Der Schreibstil ist gehoben, zuweilen fast schon poetisch,
manchmal erscheinen die Sätze unzusammenhängend, passend jedoch zu den
wirren Fieberträumen der Kranken. Alles in allem eine geschickte Wahl
der Erzählperspektive, die gleichzeitig distanziert und doch emotional
nah scheint.
Wahrlich ein besonderes Buch!
© Parden
Carmen Stephan, geboren 1974, wohnt in Genf. Sie lebte als Autorin für
mehrere Jahre in Rio de Janeiro, wo sie zufällig auf die Geschichte von
Orson Welles und dem Fischer stieß, die ihr neuer Roman »It's all true«
erzählt. 2005 erschien der Geschichtenband »Brasília Stories«. Für ihren
ersten Roman »Mal Aria« wurde sie mit dem Literaturpreis der
Jürgen-Ponto-Stiftung 2012 und dem Debütpreis des Buddenbrookhauses 2013
ausgezeichnet.
Quelle: Fischerverlage
Es erstaunt immer wieder, auf was für Projekte Autorinnen und Autoren kommen.
AntwortenLöschenLiebe Grüße aus NZ.
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