Der Radiologe Solomon Matzner und seine Frau freuen sich auf ihr Kind.
Da erleidet Cici eine Fehlgeburt, und Sol weiß sich nicht anders zu
helfen, als schnellstens ein Ersatzkind zu adoptieren: Cheri. Ein
rebellisches Mädchen, das auch später als Frau nicht ansatzweise dazu
bereit ist, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Ein Buch über die
Familie, an der man sich die Zähne ausbeißt und ohne die man trotzdem
nicht sein kann.
- Gebundene Ausgabe: 512 Seiten
- Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (24. April 2019)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: Stefanie Schäfer
- ISBN-10: 3257070551
- ISBN-13: 978-3257070552
Diesen Roman habe ich bereits vor etwa einem Jahr im Rahmen einer Leserunde bei Whatchareadin gelesen, jedoch versäumt, ihn auch hier vorzustellen. Dies sei hiermit nachgeholt. Ein Familienroman, dem man etwas Zeit geben muss, dann aber entwickelt er einen ganz eigenen Sog. Mehr dazu in meiner Rezension:
HAPPY FAMILY...
Quelle: Pixabay |
Der Radiologe Solomon Matzner hat sich unsterblich in eine
bildschöne Italienerin verliebt und gegen den Widerstand seiner Familie
beschlossen, diese Cici auch zu heiraten. Dafür konvertiert er sogar vom
Judentum zum Katholizismus und nimmt dafür in Kauf, von seiner Familie
verstoßen zu werden. Geplant ist, dass Cici nicht arbeiten gehen soll,
sondern sich um die Kinder kümmern wird, die da kommen sollen. Doch
bereits in der ersten Schwangerschaft geht alles schief. Der Sohn kommt
viel zu früh auf die Welt, stirbt nach wenigen Stunden, und Cici kann
aufgrund der nachfolgenden Notoperation nie wieder Kinder bekommen.
Die junge Frau verfällt in tiefe Depressionen, pumpt Milch ab für
ein Kind, das sie nicht braucht, und verlässt ihr Schlafzimmer nicht
mehr. Sol weiß sich nur auf eine Art zu helfen: ein Ersatzkind muss her.
Und so holt er das kleine, von seiner Mutter verlassene Mädchen in sein
und Cicis Haus und schenkt seiner Frau damit ihre Lebensfreude wieder.
Cheri, so wird das Mädchen genannt, wird fortan heiß und innig geliebt
und wächst bewacht und behütet auf. Und doch ist dem Kind ein
Widerstandsgeist zueigen, der den Umgang mit ihr anstrengend erscheinen
lässt - Cheri ist nicht bereit, einfach so die Erwartungen anderer zu
erfüllen...
Diese Erzählung ist wie der Weg der Suche Cheris nach sich selbst
und ihrem Platz im Leben: lang und mäandernd. So wird hier nicht
chronologisch von ihrem Leben berichtet, sondern vor- und
zurückspringend in Zeit und Geschehen, anfangs oft nur in Andeutungen,
später in Situationen des Erkennens und der gelüfteten Geheimnisse.
Cheri als Hauptcharakter bleibt nicht nur ihrer Umwelt, sondern auch dem
Leser über lange Phasen unnahbar.
Sie erscheint als toughe Frau, eine unkonventionelle Professorin,
die kurz vor Ablauf der biologischen Uhr noch versucht schwanger zu
werden, dafür auch alle Strapazen der Unfruchtbarkeitsbehandlung über
sich ergehen lässt, gleichzeitig aber unleugbar in Eheproblemen
feststeckt. Gleichzeitig lassen Andeutungen erahnen, dass dies nicht die
erste schwere Krise in ihrem Leben ist, dass sie derzeit aber immerhin
versucht, einem 'normalen' Leben so nahe zu kommen, wie es ihr möglich
scheint.
Dass hinter der toughen Schale eine große Verletztheit steckt,
alte Wunden nur schorfig und schlecht vernarbt verheilt sind, wird
schnell deutlich. Cheri, das adoptierte Mädchen, hatte nie wirklich das
Gefühl gehabt, zu ihrer Familie zu gehören. Sol schien immer
eifersüchtig auf sie zu sein, weil Cici ihre ganze Liebe auf das Kind
richtete. Und Cici erdrückte sie mit ihrer Liebe, ohne wirklich ein
Gespür dafür zu haben, wer Cheri eigentlich war. Und so steckt bis heute
ein tiefes Gefühl in Cheri, nie das bekommen zu haben, was sie
eigentlich gebraucht hätte: ein wirkliches Gefühl der Zugehörigkeit...
Dieser Roman erzählt von der Suche Cheris nach Antworten, nach
sich selbst, nach ihren Wurzeln, nach ihrem Weg - und nach ihrem Platz
im Leben. Im lezten Viertel reißt endlich die harte Fassade ein, die
Cheri um sich errichtet hatte - und ihre Umgebung wie auch der Leser
erhält die Möglichkeit, ihr näher zu kommen. Das letzte Viertel hat mich
versöhnt mit der Erzählung, die mich über weite Strecken außen vor
ließ. Endlich hatten Trauer, Menschlichkeit und Wärme Einlass gefunden
und mich mitschwingen lassen...
Mehrere Indizien lassen darauf schließen, dass Tracy Barone in
ihrem Debüt auch autobiografische Anteile verarbeitet hat. Diese
Vorstellung fand ich gerade gegen Ende sehr berührend. Und so bleibt mir
nur der Wunsch, dass Cheri oder Tracy ihren Platz im Leben gefunden
haben mögen und sich dabei immer treu bleiben können...
Ein Roman, dem ich über lange Strecken recht gleichgültig
gegenüberstand, der mich aber im letzten Viertel überrollte und
überzeugen konnte... Empfehlenswert!
© Parden
Tracy Barone, geboren 1962 in Hartford, Connecticut, studierte
Religionswissenschaften und Szenisches Schreiben an der NYU. Sie
arbeitete zuerst als Theater- und Drehbuchautorin, ehe sie nach
Hollywood ging, wo sie sich als Executive Producer von Kinofilmen und
TV-Produktionen (u.a. ›Wild Wild West‹, ›Rosewood‹, ›Ein Präsident für
alle Fälle‹ und ›Money Train‹) einen Namen machte, außerdem war sie an
der Entwicklung von ›Men in Black‹ und ›Ali‹ beteiligt. Sie hat eine
Tochter und lebt in Los Angeles.
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