Mittwoch, 15. Januar 2020

Follies - Torheiten

nun auch hier, auf Litterae Artesque


Der Bücherjunge war mal wieder im Theater. Genauer, er war in der Staatsoperette Dresden. Die neue Intendantin hatte vor einiger Zeit geäußert, dass der „Broadway“ Einzug halten soll auf die Bühne des neuesten Musiktheaters der Landeshauptstadt. Broadway? Der Laie, also so einer wie ich, dem fällt da vielleicht CHORUS LINE ein. Oder Stücke wie CHICAGO und CABARET. Man hat auch andere Musik im Ohr, als bei hierzulande „herkömmlicher“ Operette oder Musical.
FOLLIES – Glanz und Schatten der Revue

Ein Stück von James GOLDMANN und Stephen SONDHEIM. Uraufführung 1971. In Deutschland erstmals, und bisher das einzige Mal, im Theater des Westens. Das war im Jahr 1992. Das sind ganz schöne Zeitspannen. Auf jeden Fall stehen die beiden für große amerikanische Werke, Sondheim zum Beispiel war der WEST SIDE STORY, die es ja auch in den Musikunterricht in meiner Schulzeit in Dresden schaffte.

Es trifft sich nach 30 Jahren eine Revue – Company, die Weissmann – Follies. Der ehemalige Intendant lädt ein. So kommen die Tänzer und Tänzerinnen, die Sängerinnen und Sänger noch einmal zusammen. Sie inszenieren einige „alte“ Nummern (echt starke Nummern), die eigentlich Geschichte dreht sich aber um die Paare Phyllis und Ben, Sally und Buddy. * Diese vier werden begleitet von ihren Geistern, ihren alter Ego, die jungen halt, die vor dreißig Jahren und mehr engagiert wurden.


Eine Kostprobe findet sich auf der Hompage der Staatsoperette.

Dieses Treffen ist in Teilen sehr real: Programmhefte sind zum lesen da und so erfahren wir, dass Bettina Weichert, die die Carlotta spielt und singt einst die erste Evita (1987) in der DDR verkörperte. Für die Sängerinnen und Sänger ist dieses Stück je nach Rolle auch ein besonderes, wie man diesem Beispiel sieht.

Bettina Weichert in Follies und als Evita



Dresden wäre nicht Dresden, wenn Martin G. Berger (Regie – freischaffender Regisseur), da nicht Bezüge herstellen würde. Im Original soll das alte Weissmann-Theater abgerissen werden, deswegen trifft sich die Schaar Ehemaliger ja wieder. In Dresden findet sich in Leuben das alte Haus der Staatsoperette Operette. Und in dem bewegen sich, wie Schüler bei einem Klassentreffen nach dreißig Jahren, einige der Akteure, in Szene gesetzt durch Video-Einblendungen, sehr geschickt gemacht. Selbst der Dresdner denkt im ersten Moment: an welcher Ecke stehen sie da am Straßenrand, doch dann wird es deutlich: Es ist das alte Haus. Den Darstellern hat dieser Ausflug auch gefallen.


Dresdens Operettenhäuser

Dreißig Jahre. Für Dresden, wie auch andere Städte in Ostdeutschland, sind dreißig Jahre gerade eine besondere Zeit. Dreißig Jahre bedeutet Mauerfall und deutsche Einheit. Letztlich ziemlich dezent wurde auch dies in Liedern und Texten erwähnt. Auch optisch durch zwei Bühnen-Trabanten (deren Vehikel den Preis von Neuwagen aufweisen – Insider) vor der Silhouette der Ruine der Frauenkirche. Kurz musste ich überlegen, was da im Hintergrund der Bühne aufgebaut war.





Zur Pause standen wir noch etwas ratlos mit einem Glas Champagner vor dem Saal. Deprimiert. Pessimistisch. Ratlos. Nach der Pause allerdings gab sich dieses Gefühl, hatten wir das Stück begriffen? Zukünftig sollte man ein paar Minuten einplanen, um das Programmheft zu lesen, welches sich als sehr aufschlussreich erwies. Es war ein schöner Abend. Mit schöner, etwas ungewohnter Musik, tollen Songs und einem hervorragenden Ensemble.

* * *

Follies: Das Wort hat viele Bedeutungen. Zum Beispiel steht es auch für Narr. Für mich passt Torheiten am besten. Man kann sie erkennen und aufgeben. Ein Narr scheint etwas Längerfristiges zu sein.

„Die alten Shows, die alten Revuen, das alte Theater – sie gehören einer vergangenen Zeit an. Glücklich die, die mit der Gegenwart zufrieden sind.“

(Programmheft zum Handlungsfazit“)


* Follies – Link Staatsoperette Dresden / Follies: wikipedia
* Szenenbild National Theatre London: https://musicalzentrale.de/index.php?service=0&subservice=2&details=8681
* Staatsoperette Dresden Hompage

* siehe auch Litterae Dresdensis

© Bücherjunge

1 Kommentar:

  1. Selbst wenn es nicht das umwerfendste Erlebnis war: immerhin durfte man da noch ins Theater gehen. Ich freue mich schon auf die Zeit, wenn das endlich wieder möglich sein wird!

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