Dies ist einer von diesen Romanen, und eines gleich vorweg: hätte ich das Buch nicht im Rahmen einer Leserunde bei Whatchareadin gelesen und hätte es sich nicht zudem noch um ein Rezensionsexemplar gehandelt - diesmal hätte ich womöglich aufgegeben.
Doch nun ist es vollbracht, auch die letzte Seite ist gelesen, die Rezension ist formuliert und ich bin wirklich froh, dass ich mich nun einer anderen Lektüre widmen kann. Möge sie mir leichter fallen...
Der reiche Kunstsammler Simon Strulovitch aus Manchester hat Sorgen: Seine aufmüpfige Tochter Beatrice ist in die Kreise der leichtlebigen Erbin Plurabelle und ihres persönlichen Assistenten D’Anton geraten. Nicht der richtige Umgang für ein jüdisches Mädchen, klagt Strulovitch seinem Zufallsbekannten Shylock. Dieser rät zur Zurückhaltung. Doch als Beatrice sich auch noch mit dem Fußball-Beau und Unterwäsche-Modell Howsome einlässt, sieht ihr Vater rot. Er verlangt, dass der junge Mann zum Judentum konvertiert. Mit Hilfe einer kleinen Operation ließe sich heute manches arrangieren. Aber das Leben hält nicht nur für Strulovitch ein paar Lektionen bereit.
(Klappentext Knaus Verlag)
- Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
- Verlag: Albrecht Knaus Verlag (11. April 2016)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: Werner Löcher-Lawrence
- ISBN-10: 9783813506747
- ISBN-13: 978-3813506747
- ASIN: 3813506746
- Originaltitel: Shylock is my name
INTELLEKTUELLES VORHAUT-GEPLÄNKEL...
William Shakespeare - Quelle: Pixabay |
Dieser Roman ist Teil der Buchreihe, die im Rahmen des
Hogarth Shakespeare-Projektes (anlässlich von Shakespeares 400.
Todestag) erscheint. Acht Werke des weltberühmten Schriftstellers wurden
bzw. werden von bekannten Autoren neu interpretiert und somit als
zeitgemäße Version des altbekannten Stoffes veröffentlicht.
Howard
Jacobson hat sich für das umstrittene Werk 'Der Kaufmann von Venedig'
entschieden, was auf der Buchrückseite auch deutlich gekennzeichnet ist.
Vorne steht der 'moderne' Titel 'Shylock', hinten 'Der Kaufmann von
Venedig'. Überhaupt sticht die liebevolle Gestaltung des Romans ins Auge
- so z.B. mit dem hübschen Innendruck und dem Lesebändchen. Details,
die mir gefallen, auf die ich in meinen Rezensionen ansonsten allerdings
eher nicht eingehe. Aber hier scheint es mir nötig, positive Aspekte
des Buches hervorzuheben.
Ansonsten kann ich kurz und knapp sagen: das Buch war für mich eine Zumutung.
Ja,
ich habe verstanden, dass Howard Jacobson sich in all seinen Werken mit
der Frage auseinandersetzt, wie er als Jude mit seinem Jüdischsein in
der säkularen westlichen Welt umgehen soll. Und so darf es nicht
verwundern, dass dies auch hier zum Hauptthema avanciert. Doch geht es
für mich als Leser doch wohl in erster Linie darum, wie ein Thema umgesetzt wird, wie es in eine Handlung eingebettet wird, in eine Erzählung, eine Geschichte.
Eben diese Geschichte will sich nicht entwickeln, dreht sich im Kreise, bietet wenig Überraschendes, Spannendes, keinen roten Faden. Zudem hat Jacobson hier etwas zwischen Roman und Drama kreiert, was für mich so nicht überzeugend funktioniert. Strulovitch als 'moderner' Jude diskutiert stundenlang mit dem alten, orthodoxen Juden Shylock. Dabei beklagen beide den Verlust ihrer Töchter, die sich recht frühreif mit dubiosen Bekanntschaften davongemacht haben. Shylock betrauert zudem den Tod seiner Frau, ohne die er kaum noch zu leben scheint, Strulovitch ist ebenfalls vom Schicksal gebeutelt, da seine Frau nach einem Schlaganfall bettlägerig ist, ihr Gedächtnis und ihre Sprache verloren hat.
Shylock
fungiert hinsichtlich von Strulovitchs Problemen mit dessen Tochter
Beatrice gelegentlich als Berater, doch lieber noch führt er geistreich
das Wort bei der Fragestellung, was es bedeutet, ein moderner Jude zu
sein. Die jüdische Tradition wird hier thematisiert, die Rolle der
jüdischen Familie, noch heute geltende Werte, gängige Vorurteile - aber
auch Stereotypien kommen hier nicht zu kurz. Christen gegen Juden, Juden
gegen Christen, Juden gegen Juden - ein Feuerwerk an klischeehaften
Zuschreibungen. Ein Buch, das nur von einem Juden geschrieben werden
durfte - jeder andere wäre zwangsläufig des Antisemitismus bezichtigt
worden.
Mir
drängte sich jedenfalls zunehmend der Eindruck auf, dass die Geschichte
im Grunde um diese Thematik des 'modernen Judenseins' herumgeschrieben
wurde, wenig einfallsreich für meinen Geschmack. Die Charaktere
Strulovitch und Shylock sind halbwegs plastisch dargestellt, alle
anderen Figuren schälen sich dagegen kaum heraus, bleiben eindimensional
und blass - die Frauenfiguren sind zudem durchweg exzentrisch
gezeichnet und bleiben komplett ohne Tiefe. Entwicklungen (wie
beispielsweise Liebesbeziehungen) sind oftmals nicht nachvollziehbar.
Das Verhalten der Charaktere zwingt einem immer wieder die Frage auf,
weshalb sie überhaupt zusammen sind.
Okay,
da wäre natürlich die körperliche Anziehungkraft - Sex sells. Oder etwa
nicht? Wenn wie hier die anregenden Bettgeschichten zum alleinigen
Argument geraten eine Beziehung zu führen, wenn sowohl Shylock als auch
und v.a. Strulovitch unmäßige Ansprüche an den Nachwuchs stellen und
dadurch eine durchgängige unterschwellige Sexualisierung der
Vater-Tochter-Beziehung im Raum steht, wenn schließlich das geforderte
Pfund Fleisch (im Kaufmann von Venedig: ein Herz) sich auf die Vorhaut
eines Mannes fokussiert und letztlich zum Zentrum des Romans wird ohne
dass die Handlung dann noch großartig vorangetrieben wird - dann muss
ich sagen: Sex ödet an. Intellektuelles Vorhaut-Geplänkel: nein danke.
Zwei
Sterne vergebe ich dennoch, denn ich muss dem Roman zugute halten, dass
ich das Original 'Der Kaufmann von Venedig' bislang nicht kenne. Zwar
wird durch kursiv gehaltene Passagen deutlich, wenn etwas aus dem
Originaltext zitiert wird, doch denke ich, dass mir ohne die Vorkenntnis
sicherlich etliche Andeutungen und Parallelen entgangen sind.
Selten
war ich jedenfalls so froh, ein Buch endlich beendet zu haben. Lust
aufs Original habe ich derzeit keine, aber demnächst versuche ich mich
an einem anderen Werk des Hogarth Shakespeare-Projektes. Ich hoffe sehr, dass mich der andere Roman dann mehr überzeugen kann!
© Parden
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Die Bücher des Hogarth Shakespeare-Projektes:
- Margaret Atwood: Der Sturm
- Tracy Chevalier: Othello
- Gillian Flynn: Hamlet
- Howard Jacobson: Der Kaufmann von Venedig
- Jo Nesbo: Macbeth
- Edward St. Aubyn: König Lear
- Anne Tyler: Der Widerspenstigen Zähmung
- Jeanette Winterson: Das Wintermärchen
Der Knaus Verlag schreibt über den Autor:
Howard Jacobson, 1942 in Manchester geboren, lebt in London. Er hat bisher dreizehn Romane und vier Sachbücher vorgelegt und zählt zu den renommiertesten Autoren Großbritanniens. Seine Romane erscheinen in zwanzig Ländern und wurden schon vielfach ausgezeichnet, u.a. erhielt er für „Die Finkler-Frage“ 2010 den Booker-Preis, den wichtigsten Literaturpreis der englischsprachigen Welt. Nach „Liebesdienst“ (2012) und „Im Zoo“ (2014), für den er den Bollinger Everyman Wodehouse Prize for Comic Fiction erhalten hat, ist "J" Jacobsons neuester Roman. Er stand 2014 auf der Shortlist des Booker-Preises.
► übernommen vom Knaus Verlag
Der Bücherjunge staunt. Er hat seit längerem das Schauspiel als Video im Regal. Mit Al Pacino als Shylock. Das Gefühl von latentem Antisemitismus ließ mich kaum los. Aber was sollen Shakespeares Zeitgenossen sonst gedacht haben? Antisemitismus war an der Tagesordnung - und noch lange danach.
AntwortenLöschenHier wäre nun der von dir erwähnte Vergleich interessant (vielleicht). Ansonsten bin ich auf "intellektuelles Vorhautgeplänkel" auch nicht scharf.
Lit(t)erarische Grüße
vom Bücherjungen alias KaratekaDD