Samstag, 19. Juli 2025

Nelles, Irma: Die Gräfin

 

Die Begegnung mit einem feindlichen Piloten, der 1944 vor der Hallig Südfall abstürzt, löst in der dort zurückgezogen lebenden, achtzigjährigen »Hallig-Gräfin« verzweiflungsvoll-ambivalente Gefühle aus. Zwischen den beiden entsteht allen Widerständen zum Trotz ein zerbrechliches Band. Atmosphärisch und voll untergründiger Spannung erzählt Irma Nelles in ihrem späten Romandebüt die Geschichte der historisch verbrieften Gräfin, um die sich heute noch Mythen und Geheimnisse ranken. (Verlagsbeschreibung)

DNB / hanserblau / 2024 / ISBN: 978-3-446-28149-3 / 176 Seiten

 

Kurzmeinung: Das Gefühl des Unfertigen stellte sich bei mir spätestens am Ende ein - schade eigentlich, denn atmosphärisch ist das Romandebüt gelungen...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

NICHT GANZ AUSGEREIFT...

 


Das Setting klang vielversprechend - Feindbegegnung zu Kriegszeiten auf einer Hallig, und die Hallig-Gräfin (sie gab es wirklich, die Rede ist von Diana von Reventlow-Criminil) beschließt, den mit seinem Flugzeug abgestürzten Engländer vor den Deutschen zu verstecken, denn alles andere wäre sein sicherer Tod. Alleine würde ihr das sicher nicht gelingen, aber die wenigen Bediensteten der Gräfin sind ebenso eigen wie sie selbst und gehen mit dem nationalsozialistischen Gedankengut nicht gerade konform. Doch trotz der eingeschworenen Gemeinschaft da auf der Hallig müssen sie vorsichtig sein, denn es gibt immer wieder auch Besucher aus den umliegenden Ortschaften auf dem Festland, und das Motto "lieber tot als Sklave" könnte da schneller wahr werden als gedacht.

Was der Autorin, die mit 78 Jahren mit "Die Gräfin" ihr Romandebüt präsentiert, wirklich gut gelungen ist, das ist die Atmosphäre, die Schilderung von Landschaft und Natur sowie des Menschenschlags da in Norddeutschland: wortkarg, stur, schlitzohrig, aber mit großem Einsatz für das, wovon man überzeugt ist. Gut gefallen haben mit auch die plattdeutschen Einsprengsel, die die Atmosphäre noch verdichten.

Weniger gelungen fand ich zum einen, dass der Roman lediglich sechs Tage umfasst, was bei einigen Entwicklungen für unglaubwürdige Brüche sorgt - so muss sich der Pilot an einem Tag noch sehr schonen, darf sich aufgrund seiner mögichen Brüche eigentlich gar nicht bewegen, und am nächsten Tag hilft er bereits, wenn auch unter Schmerzen, dabei, sein abgestürztes Flugzeug aus der Nordsee zu bergen. Zum anderen wirkten die Dialoge auf mich oftmals hölzern, vor allem wenn diese dazu genutzt wurden, die Vergangenheit der Charaktere oder historische Informationen / politische Gegebenheiten zu präsentieren. Das fand ich wenig elegant gelöst, aber offenbar war dies der Weg der Autorin, auch z.B. die Biografie der Gräfin in dem kurzen Roman unterzubringen...

Das Ende ließ mich dann doch recht ratlos zurück. Zerfasert, vieles nur angedeutet und vage, lose Enden und offene Fragen, und so manches Verhalten erklärte sich mir einfach nicht. Irgendwie wirkte der Roman letztlich unfertig auf mich. Der Stoff hätte wirklich mehr Potenzial geboten, Szenen ausgearbeitet werden können, was die Handlungen / Äußerungen der Charaktere hätte nachvollziehbarer werden lassen. Gerade den englischen Piloten John empfand ich in der Darstellung als äußerst widersprüchlich und das manchmal schlagartig von einer Szene zur anderen.

Sehr schade eigentlich, denn atmosphärisch ist das Romandebüt in meinen Augen wirklich gelungen...


© Parden

 

  

 

Irma Nelles (1946-2024) wuchs auf der Insel Nordstrand auf und arbeitete nach ihrer Ausbildung zur Grundschullehrerin zunächst in der Leserbrief-Redaktion des Spiegels, später als Redakteurin im Büro von Rudolf Augstein. Von dieser Zeit handelt das Memoir "Der Herausgeber. Erinnerungen an Rudolf Augstein". Den Roman "Die Gräfin" schrieb sie im Alter von 78 Jahren. Viele der im Roman handelnden Personen hatte sie selbst erlebt, andere kannte sie aus Erzählungen – wie die Hallig-Gräfin, mit deren Geschichte sie aufgewachsen war. (Quelle: hanserblau)

 

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