Um was gehts? Es geht um ORPHAN X. An sich ist das Thema „uralt“. Ein bekannter Staat dieser Welt hält sich eine Art Killerbrigade, auf dem Südteil des amerikanischen Kontinents hießen die Todesschwadronen.
Irgendwie erinnert das an den CAMPUS von Tom Clancy, da werden die Schurken auf der Welt eliminiert, an die man auf normalem juristisch-politischen Weg nicht rankommt. Diese Orphans sollen mal genau das machen. Allerdings bewerben sie sich nicht, sie werden gefunden.
Nein, das hier ist keine Dokumentation, in diesem Roman ist die Hauptperson ein Aussteiger namens Evan Smoak. Der ist als Waisenkind wie die anderen ORPHANS in ein staatlich nur zu leugnendes Programm gekommen. Allerdings, und das ist neu, wird dieser Auftragskiller von seinem Ausbilder „moralisch“ etwas anders vorbereitet: Das 10. Gebot heißt LASS NIEMALS EINEN UNSCHULDIGEN STERBEN!
Nun hilft er Bedürftigen, was er nicht weiß, solche Formen seiner ehemaligen geheimdienstlicher Tätigkeit sind nicht mehr erwünscht, nachdem diesen Job Drohnen in jedem Winkel der Welt erledigen können. Jedenfalls lässt Evan im Auftrag einer Siebzehnjährigen einen schurkischen Polizisten, der ihre kleine elfjährige Schwester „haben“ will, verschwinden. Dazu benötigt er zu Beginn bestimmte Schalldämpfer...
Der NOW.HERE.MAN@GMAIL.COM Mann hat ein bestimmtes Handlungsmuster, auf Dauer kommen ihm die anderen auf die Schliche. Das geschieht nach dem Motto des HIGHLÄNDERS: „Es kann nur einen geben!“ – nämlich ORPHAN O.
Wie gesagt ein möglicherweise abgedroschenes Thema. Nur hat diese Figur ein paar Eigenschaften, und der Autor ein paar Ideen, die den Roman atemberaubend spannend und flüssig vorwärts bringen. Zum einem ist da der WODKA: Seine bevorzugte Marke ist U’LUVKA – ein polnischer Wodka, benannt nach einer Art von Kristallglas, dreifach destilliert. Ansonsten trinkt er Kamillentee, direkt aus einem Küchengarten mit Bewässerung. Überhaupt das Appartement: Luxuriös und (vermeintlich) sicher.
Im selben Haus wohnt eine gestresste Bezirksstaatsanwältin mit ihrem zehnjährigen Sohn. Die hat die Angewohnheit, in ihrer Wohnung Zettel mit Lebensweisheiten überall hin zu kleben, die ihr bei der Erziehung des Wirbelwinds helfen sollen: „Geh so mit dir selbst um, als seist du jemand, für den du verantwortlich bist.“ Erwähnt wird es nirgends, aber der Romanautor hat bestimmt mal was von Imanuel Kant gehört. (Das gehört nicht hier her, aber hier hin). Mia & Peter sind der Beweis, dass wir es hier nicht mit einem Jean LEON Reno zu tun haben.
Nach dem der oben erwähnte Bulle erledigt ist, soll die Auftraggeberin einen und nur EINEN neuen Hilfebedürftigen finden. Morena, so heißt das Mädchen, aber findet, statistisch gesehen viel zu schnell, gleich zwei. Und ORPHAN X verstößt gegen das siebente Gebot: NUR EIN AUFTRAG AUF EINMAL So nimmt das Unheil seinen Lauf und der Roman gewinnt an Rasanz.
Evan holt sich zuvor einen neue Wodka-Sorte: Zum Beispiel eine Flasche Kauffman Luxury Vintage. Vierzehnfach destilliert, zweifach gefiltert, einmal durch Birkenkohle, einmal durch Quarzsand und aus dem Weizen eines einzigen Jahrganges hergestellt. Übertrieben teuer aber er hat noch nie so was Reines und Klares getrunken. Das Ding mit dem Wodka und der Küchenkräuterbar erinnert auch mal daran, dass man ES MUSS NICHT IMMER KAVIAR SEIN (Simmel) noch mal lesen könnte. Warum ich darauf komme? In diesem Treffen sich die Agenten der Welt auf Alamut, den ehemaligen Hauptsitz der Ismaeliten - bekannt eher als Assassinen. Im "Kaviar" geht es zwischen den Kapiteln ständig um Essen und um Rezepte. Aber ich schweife schon wieder ab...
Mehr wird nicht verraten.
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Verraten kann ich aber, dass das technische Know-how fasziniert, die Beschreibungen sind nicht übertrieben. Die Sicherung des Appartements, die weiteren sicheren (?) Wohnungen, Fahrzeuge, Waffen, Kommunikationstechnik: Alles vom Feinsten. Zeugt von der Recherchewut des Autors.
Gegen Ende gibt es einen Zweikampf. Der dauert drei Seiten und in Wirklichkeit nur so lange, bis die Schrotpatronen aus einer Schachtel, die zu Boden fällt und aufgeht zur Ruhe kommen und nun liegen wo sie liegen. (Schon diesen Satz zu schreiben dauert länger, als das was sich die beiden da antun). Man könnte auch sagen, dass man einatmet und – ausatmet. EINMAL...
Am Schluss: Es kann nur einen geben! Aber wer ist der EINE?
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Gregg Hurwitz hat "Unterricht" genommen in Martial Arts der ganzen Welt. („Ich habe viel Weisheit erworben, als er seine diversen Fingerstiche ins Auge und Fußfeger bei mir angewendet hat. Auch mein Hausarzt bedankt sich bei ihm.“) Die Beschreibungen klingen echt, der Lernstoff dürfte für die meisten Menschen nicht beherrschbar sein (KaratekaDD bleibt bei Karate).
Vielleicht liegt es daran, dass Gregg Hurwitz Hollywood-Drehbücher schreibt, er hat also mehrfach einen Sinn für Dramaturgie und dies macht diesen Roman aus, es gibt ja schon zwei weitere ORPHAN-Romane. (Die Filmrechte hat Warner Bros. gekauft.) Wenn man weiter liest, erfährt man, dass er Psychologie und Englisch in Harvard und Oxfort studiert hat und seinen Master über Shakespeare - Tragödien ablegt. Den sollte man sich also merken.
Es hat sich also gelohnt. Sehr zu empfehlen. Danke, Anne.
► DNB / HarperCollins / Hamburg 2016 / ISBN: 978-3-95967-024-1 / 431 S.
► Interview bei HarperCollins
► Webseite von Gregg Hurwitz
► Rezension von Parden
© Bücherjunge
Bei dieser Buchbesprechung hatte ich wieder viel Spaß - Du wohl auch... ^^ Ich hatte gehofft, dass Dir das Buch ebenso gefällt wie mir! ☺
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