Auch wenn die Form nicht allen angestammten Regeln der Haiku-Dichtung folgt, so sind die Gedichtminiaturen aus dem Krieg Anfang der zwanziger Jahre als anerkannte, französische Haiku in den dortigen Literaturzeitschriften erschienen. Ein Phänomen, das vor Augen führt, wieviel es noch aus jenen dunklen Zeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu entdecken gibt. Erschütternd ist es, dabei zu erkennen, welch kultureller Reichtum in den Orten und in den Köpfen der Menschen gnadenlos zerbombt, vernichtet und begraben wurde.
(Klappentext Amazon.de)
- Taschenbuch: 132 Seiten
- Verlag: Books on Demand; Auflage: 1 (21. Februar 2017)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3743134292
- ISBN-13: 978-3743134294
HAIKU AUS DEM KRIEG 1914-1918...
Eine ungewöhnliche Anthologie ist dieses Büchlein, ein außergewöhnliches Zeitdokument. Mitten im Gefecht des Ersten Weltkrieges haben seinerzeit junge, französische Intellektuelle die ihnen kürzest mögliche Form verwendet, um das Unfassbare, das grauenhafte Geschehen eines menschenverachtenden Krieges zu dokumentieren: die Haiku-Dichtung.
Ein Granattrichter
Hat in seinem Wasser
Den ganzen Himmel aufbewahrt.
Auch wenn die Form nicht allen angestammten Regeln der Haiku-Dichtung folgt, so sind die Gedichtminiaturen aus dem Krieg Anfang der zwanziger Jahre als anerkannte, französiche Haiku in den dortigen Literaturzeitschriften erschienen. Erschütternd ist es, dabei zu erkennen, welch kultureller Reichtum in den Orten und in den Köpfen der Menschen gnadenlos zerbombt, vernichtet und begraben wurde.
Ein Kunstwerk, der Knauf
Dieses stolzen Säbels.
Wie man doch Verbrechen schönfärbt!
Den Ersten Weltkrieg in einem Haiku festhalten zu wollen, liefe auf dasselbe hinaus wie den ganzen Ozean in einen Fingerhut zu gießen. Doch Momentaufnahmen werden auf diese Art festgehalten wie in einem fotografischen Schnappschuss, mitsamt der ihm innewohnenden Emotionen. Und so kann auch diese minimale Form ein gewichtiges Wort mitreden bei der Rekonstruktion des Schreckens.
Ist es ein letzter Gedanke,
Der sich da in seinem Auge regt?
Nein. Es ist die erste Made.
Nach einer heute noch aktuellen Studie aus dem Jahre 1906 ist das Haiku 'ein schichtes Tableau aus drei Pinselstrichen, eine Vignette, eine Skizze, bisweilen nur ein einfaches Berührtsein, ein Eindruck.' Es ist ein Wahrnehmungskonzentrat, das Empfindungen hervorrufen soll. Und weil 'der Ausdruck auf das äußerste Minimum reduziert erscheint, ist es unmöglich, ein gutes Haiku zu verfassen, wenn man nicht zuvor ein starkes Gefühl oder eine aufrichtige Gemütsbewegung erlebt hat.' Das (oder der) Haiku gilt als die kürzeste Gedichtform der Welt, mit 17 Silben oder weniger.
In den Wirbeln
Des schlecht vergrabenen Pferdes
Macht mein Fuß: Flosch...
Sehr erstaunt war ich über den Fund dieses Büchleins, denn mir war nicht bekannt, dass während des Ersten Weltkrieges so viele Haikus geschrieben wurden. Doch einige französische Intellektuelle, die dem Grauen des Krieges nicht entkommen konnten, haben zu vielen Szenen die kleinen Gedichte geschrieben, um den Schrecken des Momentes nicht zu vergessen - und Stefan Wolfschütz hat sie gesammelt.
Ring nicht so nach Luft!
Die Kugel hat dich mit Blut besudelt,
Doch nur deine Schläfe gestreift.
Es sind nicht immer die typischen Haiku, auf die man hier trifft, und nicht jedes Gedicht konnte mich erreichen. Doch die zahlreich gesetzten Lesezeichen beweisen, dass mich einige Miniaturen doch angesprochen haben und dass ich die Sammlung letztlich als einzigartig emfpunden habe.
Mit dem Tod im Herzen,
Dem Grauen in den Augen
Sind sie aus dem Graben gestürmt.
Die Fotografie war damals noch nicht so weit entwickelt - und so stellt das Haiku womöglich die unverfälschteste Form dar, die Grauen des Ersten Weltkrieges zu präsentieren. Man erahnt die schrecklichen Bilder, die sich den Soldaten lebenslang eingebrannt haben.
Mit einem Loch in der Stirn, in Zeltplane eingerollt,
So trägt ihn ein Kamerad auf der Schulter weg:
Trauriges Schlachtopfer ... auf das eine Mutter wartet.
Krieg und Poesie - geht das überhaupt? Ja, das geht, wie diese Anthologie beweist. Auch wenn mich nicht jedes Gedicht ansprechen konnte und mir gelegentlich nicht klar war, was manche der präsentierten Gedichte noch mit einem Haiku zu tun haben sollten, finde ich es lohnenswert, solcherlei Schätze zu sammeln und sich davon berühren zu lassen.
© Parden
Bei Wikipedia ist über den Herausgeber zu lesen:
Stefan Wolfschütz (* 13. Januar 1953 in Kassel) ist ein deutscher Autor und Theologe. Stefan Wolfschütz studierte zunächst von 1971 bis 1976 Volkswirtschaft in Karlsruhe und Kiel, mit Abschluss 1976 zum Diplom-Volkswirt. 1977–1982 folgte ein Studium der Theologie in Kiel, seit 2002 ist er Pastor im Ruhestand. Wolfschütz ist Textautor vieler Neuer geistlicher Lieder. Er ist Mitglied der Textautoren- und Komponistengruppe TAKT. Er ist darüber Herausgeber von Haiku-Literatur.
► übernommen von Wikipedia
Laufende Bilder gäbe es nicht? Im 1. Weltkrieg? Da stimmt was nicht, Anne. Die ersten Bildreporter gäbe es bereits im amerikanisch-Kubanischen Krieg Ende des 19. Jahrhunderts. Darüber habe ich mal in einem interessanten Roman von John Jakes gelesen.
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