Freitag, 26. August 2022

Winnetou - Ein Abgesang? - Teil 1

Am 26. August 2022, es war Freitag um 13:45 Uhr, besuchte ich mal wieder das hiesige Kino. Ich saß ganz allein in einem mittelgroßen Kinosaal. Die Schulferien waren vorbei. Trotzdem erzählte der Kartenverkäufer, dass in der letzten Woche noch bis zu 80 Personen den Film sahen. Das waren Kinder mit ihren Eltern und vielleicht ihren Großeltern. Zehn Reihen a 14 Plätze, das bedeutet, der Kinosaal war zu über 50 % belegt.

Keine Ahnung, ob der Entschluss eines bekannten Verlages, der Kinderbücher, Puzzles und Gesellschaftsspiele verkauft, daran eine Aktie hat. Es war der Entschluss, ein Kinderbuch zurückzurufen, weil es vor allem in den sozialen Medien und Printmedien zu Kritik kam, der sich der Verlag annahm. Am Montag zog Ravensburger das Buch zum Film „Der junge Häuptling Winnetou“ zurück. Der Film läuft immer noch. Und der Verlag hat nun erst recht einen Online-Shitstorm hervorgerufen, der sich kaum auf das Buch, sondern vielmehr auf die Figur des Winnetou der Bücher von Karl May und überhaupt auf dessen Werk bezieht.



Winnetou und Karl May. Winnetou ist vor allem ein deutscher Apatsche. Erfunden hat ihn der Hohenstein-Ernstthaler Karl May. Winnetou hätte auch ein Lakota oder ein Cheyenne oder ein Navajo (Diné) sein können. Schließlich waren die hier durchaus bekannten „Indianerkriege“ schon vorbei, als  Winnetou geschrieben wurde. Ein gewisser Tatanka iyotake und andere waren da schon bekannt und die toten Soldaten von Custers 7th. Cavalry mussten bereits 1876 am Little Bighorn River eingesammelt werden.

Dazu äußerte sich der Historiker Utz Anhalt auf Facebook so:

„[Karl May]  begann, an seinem Winnetou zu schreiben, als sich Geronimo und andere Apachegruppen noch im Krieg gegen die USA befanden, bevor Geronimo 1886 endgültig kapitulierte. Sein Wissen bezog er aus Lexika, Kalenderblättern und Reiseberichten. Im Unterschied zu den Lakota hatten die Apache ein extrem schlechtes Image. Zeitungsberichte überschlugen sich mit Schlagzeilen über die „blutrünstigen Wilden“. Gängige Lexika schilderten sie als „raubsüchtig“, „zur Zivilisation“ unfähig oder als „Bestien“ - auch in Deutschland. Da diese Quellen, die May zur Verfügung standen, gegen die Apache hetzten und da May sich seit seiner Kindheit über Outlaws definierte (zum Beispiel über fiktive Geschichten über einen spanischen Räuber), ist folgendes sehr wahrscheinlich: Er konzipierte den „roten Gentleman“ (so ein Romantitel) Winnetou sehr bewusst als Gegenbild zum Zeitgeist. Die Mescalero und Chiricahua, mit denen ich darüber sprach, rechnen ihm das hoch an.“ [1]

Doch kommen wir nun zum eigentlichen Anlass dieses Blogbeitrages: Dem Kinderfilm.



Inhalt. Der Winnetou des Karl May tritt gemeinsam mit einem deutschen Westmann namens Old Shatterhand auf. Den hat er am Anfang gerettet und in dessen Armen wird er nach drei Bänden sterben. Es gibt noch mehr Winnetou-Romane, wie Der Schatz am Silbersee oder Der Ölprinz, da treten noch andere Figuren auf.

Im Kinderfilm (Regie Mike Marzuk, Drehbuch: Mike Marzuk und Gesa Scheibner)  trifft der junge Winnetou auf einen weißen Jungen namens Tom Silver, der am Ende des Films, logisch, sein Blutsbruder wird. Zwischendurch müssen sie die Stammesgruppe retten, indem sie die von weißen Schurken gefangenen Büffel finden und befreien, ohne die die Apatschen hätten hungern oder das Land verlassen müssen. Tom Silver ist ganz sicher nicht das junge Greenhorn, denn der muss ja erstmal aus Sachsen nach Amerika reisen um dort seine Shatterhand zu trainieren.

Die Gegenspieler sind natürlich saudoof, der Anführer Tod Crow hat das große Zucken und ein dämliches Grinsen auf dem Gesicht. (Ob er versucht hat, die schlacksigen Bewegungen eines gewissen U.L. zu kopieren?) Doofer Witz: „Haut euch noch ne Stunde aufs Ohr“, was prompt einer macht. Und, das musste wohl sein, einer der weißen Deppen steht mit zusammengepressten Oberschenkeln vor dem Chef und der spricht: „Du sollst doch vor dem Losreiten Pipi machen.“ 

Was haben wir gesehen? Zuerst einmal eine Kindergeschichte, die sich weniger an der Historie und schon gar nicht an Karl May orientiert, sondern an einem gewissen Michael „Bully“ Herbig. Der hatte 2001 die deutschen Karl-May-Verfilmungen aus den 60er Jahren verulkt mit der erfolgreichen Westernparodie Der Schuh des Manitu. Bekanntester Satz am Marterpfahl von Christian Tramnitz: „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.“ Oder dieser: „Jetzt gehen alle noch mal aufs Klo und dann reiten wir los.“ (Sky du Mont). Herbig selber spielt die Brüder Winnetouch (schwul) und Abahachi. Gelacht hat Deutschland über „Die Kommantschen haben den Klappstuhl ausgegraben“ und über die Idee, dem Stamm ein „Stamm“-Lokal zu kaufen.




Zurück zum Kinderfilm. Kritik. Die Sprache der Apatschen gleicht schon dieser früher üblichen künstlichen Metapher-Sprache. „Mein Herz hat gesprochen...“ Aber die Sätze sind trotzdem meist vollständig deutsch und grammatisch korrekt. Es wäre einfach gewesen, die Schauspieler normal sprechen zu lassen, dabei modernere Begriffe zu vermeiden und vielleicht ein paar Begriffe der  Athapasken-Sprache (Apatschen-Dialekte) zu verwenden. 

Auch hätte dieser dämliche, an den Clown in ES von Stephen King erinnernde, Typ, durch einen „normalen“ Bösewicht ersetzt werden können, dies hätte der Abenteuergeschichte keinen Abbruch getan, den Klamauk aber begrenzt.

Schön, dass Winnetous Schwester Nscho-tschi eine wichtige Rolle spielt. Das der Vater Intschu-tschuna heißt, versteht sich von selbst und neben dem Gold, dass Crow haben will sind das dann die einzigen Anleihen an Karl May (Der Schatz im Silbersee). Lustig auch, dass der kleine Sam Hawkens auftaucht, der schon dieses berühmte "Hihi, wenn ich mich nicht irre..." drauf hatte. (War der nicht eigentlich auch ein Deutscher? Vielleicht früher eingewandert.)

Da ich ja nun alleine im Kino saß, kann ich leider nichts Schlaues dazu beitragen, ob Kinder sich hier nun amüsiert haben oder nicht. Es war eine bunte Abenteuergeschichte, die Erwachsene nicht unbedingt vom Hocker reißen muss. Ich muss auch sagen, dass die Kinolandschaft ohne diesen Film nicht ärmer gewesen wäre.

Die Deutsche Presseagentur hat in ihrer Kritik die Landschaft gelobt und die stimmungsvolle Filmmusik. Sie fand sogar, dass es eine rührende Abenteuergeschichte sei, die sich um Verständnis für die jeweils andere Kultur bemühe.

„Gedreht wurde dieser neue „Winnetou“ in der Wüste von Tabernas (Desierto de Tabernas), einer staubigen und doch, das unterstreicht dieser Film mittels wunderbarer Totalen, pittoresken Region Spaniens. Eine Gegend mithin, die Filmfreunden bekannt vorkommen sollte: Teile eines „Indiana Jones“-Films wurden hier genauso eingefangen wie etwa Szenen aus „Spiel mir das Lied vom Tod“. Die wunderbar anmutige Landschaft jedenfalls verleiht dem neuen „Winnetou“ eine Grandezza, die man angesichts des Genres Kinder- respektive Jugendfilm so gar nicht erwartet hätte.

Dazu passend, bemüht sich der Film auch inhaltlich um eine (indes nie verkrampfte) Ernsthaftigkeit: Wie sich etwa die beiden Jungen über gemeinsame Abenteuer näherkommen, das ist nicht nur rührend erzählt, sondern kündet auch von dem Bemühen, hier so etwas zu generieren wie Verständnis für die jeweils andere Kultur. Auch Verlusterfahrungen können verbinden: Tom hat seine Eltern nie kennengelernt, Winnetous Mutter starb früh.“ [2]

Wikipedia bildet diesmal die Breite der Kritik ganz gut ab und der Abschnitt Rezeption beginnt so: „Der Trailer verspricht Übles, was rassistische Klischees samt geschichtsrevisionistischer Romantisierung von Kolonialisierung und dazugehörigem Völkermord angeht.“ Die Autorin appellierte dafür, "rassismuskritisches Denken schon früh zu üben.“  Das findet sich auf der online-Plattform der Frankfurter Rundschau. [3] Konsequenterweise nennt die Autorin in der Gruppenbezeichnung BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) das I für die indigenen Völker und wenn sie I* meint, dann steht das I für Indianer. So wie beim N-Wort. 

Das gesamte kritische Spektrum lässt sich hier nicht wiedergeben. Es geht darum, dass europäische Schauspieler keine Native Americans spielen könnten, dass der Film „kulturelle Aneignung“ bedeute, der Umgang mit indigenen Kulturen respektlos sei.

Was eigentlich ist das, „kulturelle Aneignung“? Vereinnahmung? Wegnahme von Traditionen, Kultur, Kunst?  Und wie soll das funktionieren, wenn man gleichzeitig jegliche Darstellung als unrealistisch ablehnt? Oder ist es das "Nachmachen", die Clubs, die sich mit den verschiedenen indigenen Völkern beschäftigen, Gegenstände basteln, in Tipis wohnen am Wochenende, wie die Vereine, die es zu DD-Zeiten gab? Wenn etwas kulturelle Aneignung ist, dann betrifft das die Kunst, welche insbesondere in kolonialen Zeiten von den Kolonialisten aus den kolonisierten Ländern weggenommen oder geraubt wurden ist.

Kürzlich las ich, dass die afrikanische Haartracht Dreadlocks, wenn von weißen (?) Menschen getragen, kulturelle Aneignung wäre, weil Afrolook und Dreadlocks in den USA eine Zeitlang verboten gewesen ist, damit politisch wurde und den "weißen" Trägern auf Grund der damit vorhandenen Unterdrückung das Recht nicht zusteht, sie waren ja nicht betroffen. 

Dietmar Kuegler, der das Magazin für Amerikanistik heraus gibt und seit Jahrzehnten durch Nordamerika reist, meinte in einem Facebook-Beitrag dazu:

„Schon wenn ich eine fremde Sprache lerne, begehe ich eine „kulturelle Aneignung“. Da ich seit meinem 9. Lebensjahr die englische Sprache gelernt habe, habe ich also Engländern und Amerikanern einen wichtigen Teil ihrer Kultur gestohlen?!?! Komisch, dass die immer sehr stolz sind, wenn sie hören, dass ich mir die Mühe gemacht habe, ihre Sprache zu lernen.
Ich trage Jeans, T-Shirts und amerikanische Cowboy-Boots – das ist glatter Kulturdiebstahl. Bezogen auf Indianer – denn darum ging es – hege ich seit Jahren eine große Bewunderung für indianische Handwerkskunst und habe daher immer wieder Perlenarbeiten und Silberschmuck für mich und meine Frau gekauft. Auch Töpferei, Weberei und Schnitzarbeiten. Das ist natürlich „kulturelle Aneignung“. Merkwürdig nur, dass mir die indianischen Kunsthandwerker und Silberschmiede diese Stücke mit Freude selbst verkauft und meine Neigung als Unterstützung ihres Lebensunterhalts gesehen haben. Das waren vermutlich völlig kulturvergessene, naive und weltfremde Menschen.
Kulturen leben von der Begegnung, vom Austausch. Das ist für den Empfänger bereichernd und für den Geber beglückend, weil es Anerkennung und Existenzerhaltung bedeutend. Wovon sollte ein Navajo-Silberschmied leben, wenn nicht Menschen anderer Kulturen seine Kunst kaufen?
Aber das ist natürlich nicht korrekt gedacht. Der Silberschmied darf seine Ketten, Ringe, Anhänger, usw. nur an Mitglieder seines Volkes abgeben und nicht an irgendwelche weiße Touristen verkaufen. 
Ob er dann noch leben kann, ist egal. Er darf ruhig kulturell verhungern.“
[4]

Verständlich dagegen die Auffassung von Tyrone White, einem in Deutschland lebender Lakota. Er erklärte im Deutschlandfunk, [5] die Filmemacher trivialisierten die Kultur indigener Menschen und betrieben rassistisches Redfacing. „Während es im wahrsten Sinne des Wortes illegal war, ein Native American zu sein, wurde unsere Kultur in Deutschland zu Unterhaltungszwecken genutzt.“ Der Film setze dieses Muster fort. (Wikipedia)

In dem kurzen Interview erklärt White weiter, dass wir ja auch keine Orient-Stoffe von Karl May mehr verfilmen, weil es da vermutlich einen Aufschrei gäbe, wenn Juden oder Muslime wie bei Karl May beschrieben, dargestellt würden. Aber mit den Natives soll das gehen?

Die Folge davon wäre, dass wir keine Filme mehr drehen und, mehr noch, die gesamten Bühnenstücke nicht mehr aufführen können. So viele Natives lassen sich schließlich nicht verpflichten.

Wollen wir das wirklich tun?

Pierre Brice, der Winnetou der Filme und Bad Segeberg und Gojko Mitić, Hauptdarsteller der DEFA -„Indianerfilme“ und ebenfalls Winnetou auf der Bühne in Bad Segeberg, lehnten seinerzeit den „Bully“ Herbig Film mit der Begründung ab, er würde die Kultur der nordamerikanischen Indianer verunglimpfen und der Lächerlichkeit preisgegeben. Folgt man Tyrone White, dann ist auch deren Engagement in den Karl-May-Festspielen „redfacing“ und Rassismus. (Wikipedia)

Zwischen diesen Kritiken beweg sich nun der letztlich etwas flache Kinderfilm.

Abzulehnen ist, finde ich, dieser oft formulierte Rassissmus , Geschichtsrevisionismus und Verharmlosung der Kolonialisierung. Diese Unterstellung unterstellt auch Absicht, welche ich in diesem Film nicht zu erkennen vermag. Allerdings kommt es dabei nicht allein auf meine Auffassung an.

Rassismus kommt in vielfältiger Form daher und ist nicht nur eine Frage von Definition und Zeit. Daher kommt es nicht nur auf den "Sender". das Geschriebene, das Buch oder den Film an, sondern auch auf den Empfänger. Wo der deutsche Kinobesucher eine reine Kindergeschichte sieht, kann ein Angehöriger der indigenen Völker ganz andere Assoziationen entwickeln.

Daher muss man zukünftig bei Filmen doch genauer überlegen, was man will, und wie sich Geschichte von anderen Völkern umsetzen lässt. Dabei kommt mir aber der Gedanke, wenn dies für Native Americans, Chinesen, Japaner, Tschuktschen, Afrikaner, Araber, Inder; Pakistani, Vietnamesen und Aborigines gilt: was ist mit Italienern, Spaniern, Portugiesen, Rumänen, Türken, Bulgaren, also all den europäischen Völkern, die von Hause aus oft tiefschwarze Haare, einen etwas anderen Teint und ganz sicherlich keine oder nur selten blauen Augen aufweisen? Oder reicht es hier, dass „die weiße Rasse“ halt nicht nur blond und blauäugig, sondern auch blass und rothaarig wie manche der Iren aussieht? Und was bedeuten eigentlich meine eigenen Zeilen hier eben?



Indianer spielen geht auch nicht mehr? Wenn ich daran denke, mit welchem Zeitaufwand und mit viel Liebe unsere Mutter meiner Schwester und mir die Indianerkostüme nähte, damit Uinonah und Harka lebendig werden konnten. Die Adlerfederkrone war die schönste, die es zu kaufen gab, wenn auch die schwarze Wollperücke auf dem Blondschopf ziemlich juckte, dann stimmt mich das an so manchen Stellen ziemlich traurig. Soll ich ihr sagen, dieses Handeln wäre rassistisch und „kulturelle Aneignung“ gewesen? Ihre Antwort höre ich schon und stimme ihr zu.


Neueste Meldung: ARD zeigt zu Weihnachten keine Winnetou-Filme mehr. [6] Die Wirkung der Nachricht ist wohl durchschlagend. Dass allerdings der Auslauf der Lizenzrechte die Ursache sein könnte, war schon letztes Jahr zu Ostern zu lesen. Auf jeden Fall dürfte das die Diskussionen nur noch mehr anheizen.




Dabei reden wir hier „nur“ vom Film. Der Verlag hat aber „nur“ die Bücher dazu zurück gezogen. In Büchern werden (zum Glück) keine Schauspieler angemalt. (redfacing, blackfacing), da geht es „nur“ um die Inhalte. Leider können Leserinnen und Leser das nun nicht mehr beurteilen, es sei denn, sie geben auf ebay den vielfachen Preis für das Kinderbuch aus.


eBay - aktuell (26.08.22)


Fazit: Die Art und Weise, wie vor allem in den Online-Medien diese Diskussion geführt wird habe ich versucht in Ausschnitten kurz darzustellen. Die Konsequenz, keine neuen "Indianerfilme" ohne Native Americans zu drehen, kann ich nachvollziehen. Die Anschuldigungen, der Film wäre rassistisch und geschichtsrevisionistisch halte ich für schlichtweg Unsinn. Warum es "kulturelle Aneignung" sein soll, wenn Kinder eine gebastelte Adlerfederkrone tragen, erschließt sich mir schon deshalb nicht, weil sie sich höchstens mit den eigentlichen Trägern solchen Schmucks beschäftigen, ihnen aber nichts weg nehmen.

"Der junge Häuptling Winnetou" wäre von mir letztlich nicht als wertvoll bezeichnet wurden. Der Stoff hätte eine andere Umsetzung verdient, die Kritik wäre dann aber nicht weniger lautstark gewesen. 

Die Stuttgarter Nachrichten kommen zu dem Schluss: 

"Durch die Entscheidung von Ravensburger, das Buch vom Markt zu nehmen, wurde der ernsthaften Diskussion darüber, was Dialog, was kultureller Austausch, was spielerischer Dialog, was ungehörige Aneignung und was vergiftende Lüge ist, mal wieder ein Bärendienst erwiesen." [7]

Das Gefühl habe ich auch. 

Die Diskussionen um Dreadlocks, die von "Weißen" nicht getragen werden dürfen, Vorträge über Afrika, die von weißen Experten im Professorenrang nicht gehalten werden sollen, Gedichte einer Afroamerikanerin, die von weißen Spitzenübersetzern lyrischer Werke nicht übersetzt werden dürfen, sind einer Kulturnation, als die wir uns gern bezeichnen, unwürdig. Treibt man das auf die Spitze, darf sich niemand mehr einen Poncho, einen Sombrero, echte amerikanische Jeans oder einen Stetson zulegen, geschweige denn tragen. In diesem Sinne verweise ich noch mal auf Dietmar Kuegler etwas weiter oben.

Zurück zum Kino: Die Kinder Milka Ullritz (Winnetou) ein schon erfahrener Schauspieler, Milo Haag (Tom Silver) und Lola Linnéa Padotzke (Nscho-Tschi), die viel Arbeit und hoffentlich viel Spaß bei den Dreharbeiten hatten, tun mir leid. Seid stolz auf eure Arbeit, auch wenn es Erwachsene gibt, die den Film so schlecht und unpassend finden.

Gibt es noch richtige Kinderfilme? Der Werbevorspann versprach den nicht im Kino sitzenden Kindern nur Disney, knallbunte Farben, Trick und nicht Reales, mehr. Fantasy, Fantasy und noch mehr von dem quitsch-bunten Mist.  Dagegen waren doch zwei Jungs, die Freunde werden, Abenteuer erleben und sogar die Schwester des einen nicht stehen lassen,  eine Wohltat. 



Verlag zieht Bücher zurück (youtube)


* * *

Persönlich komme ich nun zu folgender Auffassung: 

  1. Drehen wir keine Filme mehr, in denen Europäer Angehöriger nichteuropäischer Volker darstellen. Oder suchen wir uns die nötigen Schauspieler und die nötige Beratung.
  2. Schreiben wir keine alten Geschichten im gleichen alten Stil fort, so lieb uns diese auch sind. Damit bleibt uns Karl Mays Winnetou erhalten und in seiner literarischen Zeit.
  3. Schreiben wir Bücher unter Einbeziehung von Angehörigen der beschriebenen indigenen Völker, dies betrifft Belletristik wie Sachbücher gleichermaßen.

pixabay - Bad Segeberg 

Bleibt das Indianer-Spielen und die Aufführungen der Winnetou-Stoffe auf den diversen Freilichtbühnen. 

Kinder beschäftigen sich, hoffentlich durch Erwachsene behutsam gelenkt, mit Menschen und Geschichte, wenn sie im Garten in Indianer-Zelten "wohnen", Lagerfeuer anzünden und die Geschichten lesen. Lassen wir sie mit Pfeil und Bogen üben. Sie lernen, dass man das üben muss. Lassen wir sie genau das tun. 

Bereinigen wir die Theateraufführungen von stereotypen sprachlichen Floskeln und lassen wir die Personen sprechen wie heute. (Ohne Wörter, die es im 19. Jahrhundert gar nicht gab) Sehen wir zu, dass Kostüme der echten damals zeitgemäßen Kleidung entsprechen. Behalten wir so die Stoffe und die Figuren  in Bad Segeberg, auf der Freilichtbühne Rathen und an anderen, um uns an ihnen ohne Hintergedanken aber mit Nachdenken zu erfreuen. 


Post Scriptum: 

Heute, am 31.08.22 fand ich den folgenden Beitrag mit dem Titel Der erfundene Shitstorm: Chronologie eines Medienversagens - "Datenanalyse der Winnetou-Debatte Das Unternehmen Scompler bietet "die Komplettlösung für strategisches Redaktions-, Themen- und Kommunikationsmanagement" und hat zeigt mit der Datenanalyse zu Winntou sinngemäß dem Verlag Ravensburger und uns, was in den letzten Tagen und Wochen tatsächlich passiert ist, nämlich wie Medien unterschiedlicher Art das Thema transportiert und befeuert haben. [8]

© Bücherjunge (31.08.22)


5 Kommentare:

  1. Ein sehr differenzierter Beitrag. Warum alle immer so übertrieben reagieren müssen...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich warte immer mal auf einen Shitstorm. Aber es gelingt mir einfach nicht, den zu erzeugen. - Der Bücherjunge

      Löschen
  2. Wow, was für ein toller Beitrag, den du da geschrieben hast. Meinen Respekt, wie intensiv du dich mit dem Thema auseinandergesetzt hast.
    Herzlichen Gruß
    Yvonne

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für deinen Kommentar - Der Bücherjunge

      Löschen
  3. So wie es aussieht, ist die „,massive Kritik“ aus dem Internet nicht wirklich massiv, es geht mehr um die Folgen der Entscheidung des Ravensburger Verlages.

    https://scompler.com/winnetou/?fbclid=IwAR2nu6JF-Yvd8GCavcLfR4hJavxo54TRHMMocBrPV8_FDiQDxL7zLshW3T4

    Der Bücherjunge

    AntwortenLöschen

Durch das Kommentieren eines Beitrags auf dieser Seite, werden automatisch über Blogger (Google) personenbezogene Daten, wie E-Mail und IP-Adresse, erhoben. Weitere Informationen findest Du in unserer Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google. Mit dem Abschicken eines Kommentars stimmst Du der Datenschutzerklärung zu.

Um die Übertragung der Daten so gering wie möglich zu halten, ist es möglich, auch anonym zu kommentieren.