Freitag, 27. März 2020

Harari, Yuval N.: Drei Bücher...

Gleich drei Bücher in einem Beitrag? Das hatten wir, glaube ich, auf unserem Blog bisher nicht. Nach dem Hören von zwei der drei Bücher und dem Beginn des dritten Hörbuches scheint es besser, das Gehörte in einer Rezension zusammenzufassen.

Es ist, als ob da einer durch solch ein Riesen-Telescop schaut. Jedoch hat Yuval Noah Harari das Hubble förmlich umgedreht und nimmt nicht etwa die Erde sondern uns Menschen auseinander. Harari schaut zurück in die Evolution, dann nimmt er sich den Menschen selbst vor um danach in die Zukunft zu sehen. 






„Hören“wir dem Autor einmal zu. Dazu bewegen wir uns in die Einleitung des dritten Buches: 

„Als Historiker kann ich den Menschen weder Essen noch Kleidung geben – aber ich kann versuchen, ihnen ein wenig Klarheit zu verschaffen, und damit einen Beitrag dazu leisten, das globale Spielfeld etwas einzuebnen. Wenn das auch nur ein paar Menschen in die Lage versetzt, sich an der Diskussion über die Zukunft unserer Spezies zu beteiligen, so habe ich meine Aufgabe erfüllt.“

Schaut ein Historiker nicht eher zurück? Yuval Noah Harari, Professor für Geschichte, macht beides:

„Mein erstes Buch, Eine kurze Geschichte der Menschheit, befasste sich mit der menschlichen Vergangenheit und fragte danach, wie ein unbedeutender Affe zum Herrscher über den Planeten Erde werden konnte. Homo Deus, mein zweites Buch, erkundete die langfristige Zukunft des Lebens und dachte darüber nach, inwiefern Menschen irgendwann zu Göttern werden könnten und wie die eigentliche Bestimmung von Intelligenz und Bewusstsein aussehen könnte.
In diesem Buch [21 Lektionen für das 21. Jahrhundert – UR] will ich das Hier und Jetzt in den Blick nehmen. Mein Fokus richtet sich auf das aktuelle Geschehen und auf die unmittelbare Zukunft menschlicher Gesellschaften.... Anders als Eine kurze Geschichte der Menschheit und Homo Deus ist dieses Buch nicht als historische Erzählung angelegt, sondern als eine Sammlung... zum Weiterdenken.“


Über 40 Stunden Hören über Menschen, deren Geschichte und Zukunft. Schwierig für eine Rezension, denn beim Hören, während des Kochens, des Bügelns, des Aufwaschens oder beim Autofahren kann man schlecht Notizen machen. (Hinzu kommt, dass Homo Deus mir letztens eine Verwarnung in Höhe von 15 € einbrachte, was ich vermutlich nicht näher erklären muss.) 
Im SPIEGEL (13/2020 – Yuval und die Neandertaler)) kann man lesen, dass eine kurze Geschichte „zu unernst für Wissenschaftler, zu ernst für ein normales Publikum sei“. Die akademische Welt scheint mit diesem Vertreter etwas zu hadern, sie mag seine Methodik, seine Vereinfachungen nicht. 
„Akademiker sind immer in Sorge, dass sie die Dinge zu sehr vereinfachen... Stattdessen werden sie immer komplizierter und verlieren das normale Publikum. Bei mir besteht das Risiko, dass es keine perfekten Theorien sind, die nicht alles berücksichtigen, aber deswegen darf man sie auch nicht als finale Wahrheiten betrachten, sondern eher als Annäherung,“ sagt Harari. (Spiegel, a.a.O)

Es mag sein, dass Harari an einigen Stellen sehr vereinfacht hat. Die Geschichte der Menschheit unterteilt er ganz „kurz“ in die kognitive, die landwirtschaftliche und die wissenschaftliche Revolution. Der erste Teil der Menschheitsgeschichte behandelt die Herausbildung des Homo Sapiens und die Rolle des Gehirns. Nebenbei dürften auch die ersten sapiens schon Leichen im Keller haben, denn andere Menschenarten ließen sie nicht unbedingt friedlich weiter leben.

Yuval N. Harari - Wikipedia
Wie Harari zum Beispiel die landwirtschaftliche Revolution (vor rund 12000 Jahren) erklärt, also wie Sammler und Jäger zu sesshaften Bauern wurden und wie Schrift und Geld die ineffiziente Tauschwirtschaft veränderten, dass ist Geschichtsunterricht vom Feinsten. So kommt er dann im Teil der wissenschaftlichen Revolution (beginnt vor 500 Jahren) bis zum Kapitalismus und der Globalisierung. Dem verblüfften Leser verblitzt es die Augen: Die Globalisierung mache die Welt zu einem friedlicherem Ort, denn die voneinander wirtschaftlich abhängigen Länder können sich einen Krieg kaum leisten, darum haben sie großes Interesse daran, Frieden zu erhalten.

Das was uns heute umtreibt, ist etwas, was man KI oder künstliche Intelligenz nennt. Harari sagt, dass wir vielleicht davor etwas Angst haben, weil wir im Kino zuviel „Terminatoren“ gesehen haben. KI ist etwas, was uns Jahrhunderte beschäftigen wird, die Frage ist eher, ob nicht immer mehr Arbeitsplätze schlicht verschwinden werden. Er geht sogar darauf ein, dass ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ hier helfen könnte. 

Der israelische Historiker wirft dabei meiner Ansicht nach, nicht nur aber deutliche Blicke in die deutsche Gesellschaft. Auch dann, wenn er von den drei großen Erzählungen des 20. Jahrhunderts berichtet: Dem Kommunismus, dem Faschismus und dem Liberalismus. Er ist der erste, der mir einen brauchbaren Überblick zu letzterem Begriff lieferte und warum Liber – Liberté – Freiheit – so eine Bedeutung entfalten konnte. 

Wie es um den Sieger bestellt ist, den Liberalismus, erklärt er in den 21 Lektionen, vor allem ist es wohl nicht so gut bestellt. Ursache dafür ist die technologische Revolution. Wie sich unsere Gesellschaft verändern wird ist faszinierend und erschreckend zugleich. Das betrifft die europäische Gesellschaft wie den „Rest“ der Welt und es könnte doch sein, dass die Grundidee der großen Erzählung Kommunismus noch einmal ausgegraben werden muss, in einer technologisch völlig veränderten Welt.

* * *

Quelle (Interaktiv - sehr zu empfehlen)


Yuval Noah Harari, promoviert in Oxford, ist Dozent für Geschichte an der jüdischen Universität in Jerusalem. Sein Forschungsschwerpunkte sind Menschheits- und Militärgeschichte sowie Mediavistik (europäische Mittelalterforschung). Er hat in einem Interview gesagt, dass er mit den drei Büchern alles ausgedrückt hat, was er zum Thema „Sapiens“ momentan zu sagen hat, ein weiteres ist nicht in Planung. Das dritte Buch ist an einigen Stellen eine Art Zusammenfassung der beiden vorherigen mit umfangreichen Ergänzungen. Harari hat es in 21 Lektionen gepackt und da er weit in das 21. Jahrhundert schaut, ist der Titel genau richtig gewählt.

Gleichwohl hat er mit Itzik Yahav eine Organisationnamens Sapienship gegründet:

„Sie setzt sich durch ihre Mission für globale Verantwortung ein: das globale Gespräch zu klären, die Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Herausforderungen zu lenken und die Suche nach Lösungen zu unterstützen.
Die Welt steht heute vor vielen Herausforderungen, und Sapienship hebt drei hervor: technologische Störungen, ökologischer Zusammenbruch und technologische Störungen, ökologischer Zusammenbruch und die nukleare Bedrohung.“ (Webseite)



  • Eine kurze Geschichte der Menschheit DNB / Randomhouse, 2015 / ISBN: 978-3-570-55269-8 / 528 Seiten
  • Homo Deus: DNB / C.H.Beck, 2018 / ISBN: 978-3-406-72786-3 / 653 Seiten
  • 21. Lektionen für das 21. Jahrhundert: DNB / C.H.Beck, 2020 / ISBN: 978-3-406-73968-2 / 528 Seiten


© Bücherjunge


2 Kommentare:

  1. Eine sehr interessante Buchbesprechung, Uwe. Die Bücher reizen mich durchaus auch, auch schon länger - aber ich fürchte, das deprimiert nur. Deshalb zögere ich noch. Derzeit geschieht ja Deprimierendes genug...

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    1. Sollte man eher lesen als hören. Es gibt im Netz auch sehr kritische Stimmen.

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