eine Rezension aus Buchgesichter-Zeiten vom 17.09.2012
Lange habe ich für den 926 Seiten starken Roman des Spaniers Ildefonso FALCONES gebraucht. Inspiriert von DIE KATHEDRALE DES MEERES (siehe Rezension von Parden), griff ich vor Monaten zu diesem Band in der Thalia - Buchhandlung, der ich des Öfteren einen Besuch abstatte.
Hauptfigur ist ein MORISKE, oder auch Neuchrist namens HERNANDO RUIZ, auf arabisch Ibn Hamid - Sohn des Hamid. Ein bekehrter Maure, der von einem christlichen Priester abstammte, welche Hernandos Mutter Aischa vergewaltigte. Versehen mit einem ebenfalls gewalttätigen Stiefvater, wird der Junge in die Kämpfe der Mauren unter Führung ihres Königs Abén Humeya verwickelt, er wird des Königs Maultiertreiber. Infolge des verlorenen Aufstandes um 1570 werden viele der Morisken nach Kastilien und Aragonien umgesiedelt. Hernando rettet in diesen Jahren der Maurin Fatima das Leben, die seine Frau werden wird. Ebenso aber auch das Leben einer Christin namens Isabella und eines Adligen aus Cordoba. Mit zwei Dingen kann er hervorragend umgehen: Mit Pferden und Maultieren sowie mit Schreibrohren. Hernando wird in den ersten Jahren von Priestern seines Heimatdorfes geschult, später dann von einem maurischen Gelehrten namens Hamid. Er wächst quasi doppelreligiös auf. Später züchtet er Pferde für den spanischen König und kopiert gleichzeitig den Koran um den Islam auf der iberischen Halbinsel zu erhalten. Außerdem versucht er Gemeinsamkeiten wie die Verehrung der Jungfrau Maria ebenfalls schriftlich zu verbreiten um den Glauben an den EINEN Gott zu ermöglichen. Die Zeit lehrt, dies scheint nahezu unmöglich zu sein.
Grausam geht es zu zwischen den Muslimen, die ihr Königreich Granada bereits verloren haben und den Christen. Keiner schenkt dem anderen was. In den Kämpfen wird gehauen und gestochen und gemordet was das Zeug hält. Scheinbar schwingt des Autors Sympathie eher den Mauren - Morisken - zu wenn er zum Beispiel die Christen durch diese als faul und arbeitsscheu bezeichnet. Die vertriebene muslimische Volksgemeinschaft hat aber keine Chance. Das spanische Königreich sucht gelegentlich nach einer "Endlösung", so der Autor im interessanten Nachwort. Diese könnte unter anderem darin bestehen, alle Morisken in die Barbareskenstaaten (Nordafrika) auszuschiffen, die Schiffe aber zu versenken.
Die Aussiedlung erfolgt dann endlich zwischen 1609 und 1611: 275000 Morisken werden, obwohl getauft, aus Spanien ausgewiesen. Wo wird Hernando und seine neue Familie mit vier Kindern verbleiben?
* * *
Liest man das Nachwort merkt man, dass FALCONES eine gewaltige Recherchearbeit geleistet hat. Ursprünglich glaubte ich, dass die Geschichte von den gefälschten Bleibüchern von Sacramonte erfunden wäre, aber dem ist nicht so. Im Roman schreibt diese der Hernando und übergibt sie den moriskischen Gelehrten de CASTILLO und de LUNA, den vermutlich eigentlichen Verfassern. In diesen werden Gemeinsamkeiten der Religionen postuliert. Die Texte sind auf Bleiplatten geschrieben, weil schon damals Papier oder Pergament einer gewissen Echtheitsprüfung unterzogen wurde. (Eine genaue Beschreibung bietet wiki, aber das Nachwort des Autors reicht durchaus)
FALCONES hat letztendlich nicht DIE Morisken ins Herz geschlossen, sondern die, welche an den Grausamkeiten der Religionskriege nicht selbst beteiligt aber unmittelbar betroffen waren. Viele andere schrien ebenso nach Krieg wie ihr ach so christlicher Gegenpart. Nächstenliebe? Almosen geben? Denkste. Einmal abgeschrieben als Verräter unterstützen die Morisken den Hernando mit den blauen Augen kein Stück. Beste Freunde wenden sich von ihm ab. Ihm, der doch ebenso vielen geholfen hat. "Nazarener" nennen sie ihn, weil er diesen "Vater" da hat; von vornherein sind sie misstrauisch. Und die Christen? Helfen sie den neu Getauften? Misstrauen, Neid, Angst beherrschen diese Welt in und um Granada.
Aktueller denn je ist dieser Roman angesichts brennender westlicher Botschaften in muslimischen Ländern und eines ermordeten Diplomaten, der wohl wirklich ein richtiger Freund der arabischen Welt war. Intoleranz, Nichtverstehen, Hass in dieser Welt lassen die Welt vor 500 Jahren wieder auferstehen. Statt Schwert und Scheiterhaufen regieren Raketen und Sprengstoffgürtel… Wieder stehen die Religionen des Buches in Kriegen gegeneinander. Obwohl Abraham der Urvater aller ist…
FALCONES hat einen unglaublich intensiven Roman geschrieben. Er erfordert ein wenig Durchhaltevermögen. Ich hab diesmal ohne Lexikon gelesen und erst nach Abschluss angefangen zu stöbern. Zu erinnern sei allerdings an Lea KORTE´s DIE MAURIN. Erzählt dieses Buch doch die Geschichte, wie die Morisken nach Untergang des muslimischen Reiches entstanden sind. Ein ebenso toller Roman, der hier schon eingehend besprochen wurde.
Die PFEILER DES GLAUBENS beziehen sich vermutlich auf den "Säulenwald" der Hautmoschee von Cordoba, der MEZQUITA, in deren Innerem die Christen später ein gewaltiges Renaissance - Kirchenschiff bauten.
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Ildefonso Falcones de Sierra ist Anwalt und leitet
eine eigene Kanzlei in Barcelona. Früh schon hat er sich mit der
Geschichte des mittelalterlichen Kataloniens beschäftigt. Nachdem er ein
umfangreiches Wissen über das 14. Jahrhundert in Barcelona gesammelt
hatte, begann er mit dem Schreiben seines Romans »Die Kathedrale des
Meeres«. Er ist verheiratet, Vater von vier Kindern und wurde vom Erfolg
seines Buches, an dem er fünf Jahre geschrieben hat und das mit Ken
Folletts »Säulen der Erde« verglichen wird, völlig überrascht. Der Roman
erschien in über dreißig Ländern und hat sich in Spanien weit über zwei
Millionen mal verkauft. Falcones ist ein großer Pferdefreund und spielt
in seiner Freizeit - wenn er nicht gerade schreibt - leidenschaftlich
gerne Polo. (Quelle Amazon)
► Falcones in der DNB
► DNB / Bertelsmann / 2010 / ISBN: 978-3570100455 / 928 S.
© KaratekaDD Anno 2012
So schnell fasse ich sicher keinen Falcones mehr an, *gg*. Aber schön, dass Dir seine Bücher gefallen!
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