Wieder einmal ein Besuch in Pine Ridge.
Deprimierend. Nein, nicht das Buch der Antje Babendererde.
Deprimierend ist, dass auf manchen Reservationen, deren Fortbestand von
den einen als letzter Rest von Verträgen mit der US-Regierung, von anderen als
Anachronismus angesehen wird, Zustände zu finden, wie sie auch schon vor 40 –
50 Jahren durch Liselotte Welskopf-Henrich beschrieben wurden. Antje
Babendererde wird mir diesen Hinweis wohl verzeihen. Die im Jahr 1963 geborene Autorinveröffentliche 2012 im Arena - Verlag dieses Jugendbuch. Sie stellte mir JULISCHATTEN freundlicherweise zur Verfügung, nachdem ich
LAKOTA MOON in der „Mangel hatte“. Schon dieses Jugendbuch gefiel mir durchaus,
nun also dieser Roman.
* * *
SIMONA ist ein 16jähriges thüringisches Mädchen, welches sich im Schatten
ihrer großen perfekten Schwester wähnt und sich weitestgehend unverstanden
fühlt. Dies führt zu einem punkähnlichem Aussehen und Outfit, zu Drogen und zu
Alkohol. „Eingeliefert“ in die Klinik wissen sich die Eltern nur noch einen
Rat: TANTE JO. Johanna hat vor Jahren einen Lakota geheiratet und lebt in South
Dakota auf der Pine Ridge Reservation. Da wo Alkohol und Drogen bei
Gefängnisstrafen verboten sind, was bekanntlich nicht viel nützt. (Die Amis
lernen auch heute einfach nichts aus der Zeit der Prohibition)
Quelle Internet |
Ab mit SIM in den Wilden Westen. Dort trifft sie auf JIMI und LUKAS, zwei
Burschen, dicke Freunde, so eine Art Blutsbrüder, Waisen, sehr unterschiedlich
in Charakter und Temperament, Luke ist zudem blind und auf den Jimi angewiesen.
Den „schrägen bunten deutschen Vogel“ mit den roten Haaren finden beide nach
und nach dann doch anziehend.
Ob die „Verbannung“ in die scheinbar endlose Landschaft der Prärie etwas
nutzt?
* * *
Antje Babendererde erzählt eine Geschichte für Jugendliche. Auf eine
andere Art warnt sie vor Alkohol und Drogen, gleichzeitig darauf hinweisen,
dass Verbote nicht viel nützen. Nützlich für unsere junge Hauptfigur ist das,
was sie erlebt. Die Arbeiten, die sie übernimmt, fremd und anstrengend. Nach
und nach ebbt die Auflehnung gegen Erwachsene, ja, auch Tante Jo hat gewisse
Vorstellung von dem was eine Sechszehnjährige tun sollte, ab.
Hier wird keine Indianergeschichte erzählt, kein Abenteuer von schnellen
Pferden, großen Kriegern, auch wenn Pferde natürlich vorkommen. Große Krieger
aber nur im Wunschtraum eines siebzehnjährigen Lakota.
Einen kleinen Einblick gibt die Autorin in die religiöse Welt der Lakota,
leider einen eben kleinen Einblick.
* * *
Antje Babendererde hat in einem Interview erzählt, dass die traurigen
Zustände in Pine Ridge begannen „ihre Kreativität lahmzulegen“. [1] Da muss wohl
was dran sein. Obwohl sie von Menschen erzählt, die aktiv „in die Zukunft“
denken und arbeiten, beschleicht einen das Gefühl von Hoffnungslosigkeit. Klar
besinnen sich Lakota auf ihre Kultur und ihre Traditionen, Religion, sehr
naturverbundene, gehört dazu. Aber wirtschaftlich geht es kaum voran.
Nichts von indianischen Ranches mit Mustangs und Bisons, von Bemühungen
eines Joe Inya-he-yukan King, Hauptfigur aus DAS BLUT DES ADLERS von LiselotteWelskopf-Henrich…
Der Optimismus der Figuren der 1979 verstorbenen Althistorikerin vor und
nach Wounded Knee ist irgendwie eingeschrumpft. Er ist nicht verloren gegangen…
Im Unterschied zu den Weißen, die in den sechziger und siebziger Jahren
auf Pine Ridge leben und meist gegen die indianischen Bewohner handeln, finden
wir hier nun an zentraler Stelle verständnisvolle und sich einbringende
Menschen aus Europa, dass sie Deutsche sind, das ist die Geschichte für junge
Leute aus unserem Land. (Ein Vergleich mit Karl May verbietet sich. Warum ich
das schreibe? Weil ich diesen ja eben scheinbar anbot.)
Es wäre schön, könnte die Autorin eine Erfolgsgeschichte ausfindig
machen, eine, die an sich Hoffnung hinterlässt, auch bei ihr.
* * *
Ich danke Antje für das Buch, welches ich mit großem Interesse las und
das sich als richtig gut geschriebenes Jugendbuch herausstellte, einen Tick
besser als LAKOTA MOON.
Der Stil lädt ein zum immer weiter lesen, die Figuren sind liebenswert,
geheimnisvoll, widersprüchlich. Die Handlung abwechslungsreich und spannend.
Schade, und das schrieb ich bereits bei LAKOTA MOON, das Buch ist nicht
bebildert. Vielleicht kann Antje in einem nächsten Roman eine kleine
Bilderserie mit kurzen Erlebnisschilderungen dranhängen, auch wenn sie meint,
Reportagen und Dokumentationen könnten andere vielleicht besser schreiben?[2]
Auf jeden Fall lohnt es sich wohl, auch die anderen Indianerbücher zu probieren.
[2] vgl. ebenda
► DNB / Arena - Verlag / Würzburg 2015 (Sonderausgabe) / ISBN: 978-3-401-50514-5 / 475 S.
► Antje Babendererde in der DNB
► Webseite von Antje Babendererde
► zur Seite Indianerliteratur
► Antje Babendererde in der DNB
► Webseite von Antje Babendererde
► zur Seite Indianerliteratur
@ KaratekaDD
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