Mittwoch, 13. Mai 2015

Röder, Britta: Zwischen den Atemzügen


Olli findet seinen Job in der Versicherung „zum Kotzen“ – was er leider direkt auf dem Schreibtisch seines Chefs unter Beweis stellt. Kopflos flieht er aus dem Büro und wird dabei beinahe von Leokadia überfahren. Auch sie hat ihre Gründe eilig aus Frankfurt herauszukommen. Olli springt zu ihr ins Auto und ein irrsinniger Roadtrip Richtung Frankreich und Spanien beginnt, in dessen Verlauf der Tod immer öfter seine Hände nach ihnen ausstreckt. Und schon bald zählt auch der Polizist Jean-Loup zu ihren Verfolgern … Gibt es ein Entkommen in einer Welt, in der letztendlich nur auf den Tod und den Zufall Verlass ist?

  • Broschiert: 236 Seiten
  • Verlag: Acabus Verlag; Auflage: 1 (5. September 2014)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3862822982
  • ISBN-13: 978-3862822980















 WAS FÄNGST DU MIT DEINEM LEBEN AN?


On the road

Oha, so eine ernste Frage?

Naja, ich hätte als Titel auch wählen können: 'Leichen pflastern ihren Weg'

Oder vielleicht auch: 'Roadtrip to nowhere'

Wäre alles irgendwie passend gewesen. Aber vielleicht sollte ich erst einmal versuchen darzustellen, um was es hier eigentlich geht. Flüchtige, Verfolger, Tote.

Haaaalt. Zu wenig. Nochmal.

Olli Korff arbeitet seit Jahren erfolgreich bei einer Versicherung. Dabei ist er alles andere als begeistert von seinem Beruf, spult seine Tage blind und arbeitseifrig ab, möglichst ohne groß darüber nachzudenken. Als ihm sein Chef aber mitteilt, dass er befördert wird, kommt ihm doch die Galle hoch. Naja, vielleicht doch eher etwas anderes, denn unvermittelt kotzt er seinem Chef quer über den Schreibtisch. Peinlich! Da bleibt nur noch die Flucht, denn jetzt kann er wohl niemandem mehr unter die Augen treten. Bloß weg hier!
Als er aus dem Gebäude hastet und nach Hause eilen will, wird Olli von einem Kleinwagen angefahren. Am Steuer eine junge Frau, Leokadia, die etwas kopflos wirkt und Olli anbietet, ihn mitzunehmen. In seiner Verwirrung nimmt Olli an und plötzlich sind die beiden auf dem Weg nach Frankreich - denn auch Leokadia hat Gründe, eiligst aus Frankfurt zu verschwinden.


Ich schaue nicht zurück. Nur noch vorwärts. (S. 19)


Nach anfänglicher Verwirrung fangen beide an, den Ausbruch aus dem Alltag zu genießen und beschließen, einfach dahin zu fahren, wohin der Weg sie führt - grobe Richtung Süden. Auf der Reise verändert sich Olli allmählich, wird lebhafter und interessierter, will was erleben, sich treiben lassen, bis er endlich weiß, was er aus seinem Leben machen will. Oder bis die Kreditkarte gesperrt wird. Oder bis er stirbt.
Aber auch wenn es Olli und Leo immer wieder gelingt, Komplikationen aufzulösen, kommen sie allmählich nicht umhin zu registrieren, dass es auf ihrer Reise immer wieder Tote gibt. Viele Tote. Irgendwann zu viele, um sie noch zählen zu können. Eine Tanklastererexplosion ein paar hundert Meter von ihnen entfernt. Ein Zugunglück mit genau dem TGV, den sie eigentlich hatten nehmen wollen. Ein Herzstillstand im Frühstücksraum ihres Hotels, das sie gerade verlassen haben. Alles Zufall?


Und war Glück nicht sowieso immer nur ein Traum, eine Illusion, eine geschickt inszenierte Selbsttäuschung, mit der man die eigene Leere verdrängte? (S. 126)


Auf ihre Spur setzen sich ein Kollege und Freund von Olli, Jo Gabor, der herausfinden will, was Olli eigentlich vorhat, und ein Polizist, der auf die Todesserie in der Nähe der beiden Flüchtenden aufmerksam geworden ist. Als Jo Gabor zu den beiden stößt, wird aus dem Duo das Trio infernale, das versucht, dem Tod davonzulaufen. Oder doch dem Leben?


Es ist nicht verrückt, vor dem Tod davonzulaufen. Aber was du tust, ist verrückt. Du läufst vor dem Leben davon. Verkriechst dich in einer Ecke und hoffst, dass es dich ja nicht berührt. Welche Verschwendung! (S. 129)


Vor dem Lesen wusste ich trotz des Klappentextes nicht wirklich, was mich hier erwartete. Und ich muss sagen, dass ich auch nach dem Lesen nicht klar sagen kann, was das nun war. Es war - anders.  Eine wundervolle Mischung aus skurrilen Vorfällen, augenzwinkerndem Humor, unterhaltsamem Roadtrip, nachdenklichen Passagen, poetischen Schilderungen und einer erstaunlichen Leichtigkeit rund um die Fragen des Lebens.


Ich kann es nicht ertragen, dass jemand, der mir etwas bedeutet, sein Leben verschwendet“, setzte er an. „Kennst du diese Geschichte von Charles Dickens mit dem geizigen alten Ebenezer Scrooge? Drei Geister suchen ihn heim. Einer furchterregender als der andere. Aber bei Dickens gibt es ein Happy End, denn Scrooge kapiert nicht nur, dass er einen völlig falschen Lebensweg eingeschlagen hat, sondern auch, dass er daran etwas ändern kann. Solche Geister gibt es wirklich. Jedem begegnen sie irgendwann einmal. Es sind die Krisen, in die wir geraten. Schicksalsschläge, die unser Leben auf den Kopf stellen. Aber sie haben durchaus ihr Gutes. Sie lassen uns innehalten und das Bisherige überdenken. Es ist so verdammt wichtig, diese Chancen zu erkennen und etwas daraus zu machen. Denn bevor du dich versiehst, ist es vorbei. Unwiederbringlich" (S. 148)


Jedenfalls hält Britta Röder mit den drei Hauptfiguren auch dem Leser einen vielleicht nicht so angenehmen Spiegel vor. Wer fragt sich denn nicht manchmal, ob das was man so macht, wirklich das ist, was man auch machen möchte? Doch die Autorin schafft es wirklich, das Grübeln nicht überhand nehmen zu lassen, den eigentlich schweren Stoff in einer leichten Hülle zu verpacken - so dass der Leser sich mit diesem Buch einfach nur wohlfühlen kann.

Von mir eine klare Empfehlung!


© Parden










Britta Röder in einem Café in Málaga
Zu meinem Lebenslauf gibt es eine offizielle und eine inoffizielle Variante. Hier kommt die Offizielle: 1967 geboren in Trier, aufgewachsen in Mainz, Magisterstudium in den Fächern Romanistik, Slawistik und Mittlere/Neue Geschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und an der Université de Bourgogne in Dijon. Nach dem Magisterabschluss Einstieg ins Berufsleben. Seit 2000 arbeite ich bei einem großen Fachzeitschriftenverlag in Frankfurt/Main. Und zur Inoffiziellen gelang ihr über meine Homepage...
 Quelle Text


2 Kommentare:

  1. Eigentlich sollten wir viel mehr Leser haben, bei den starken Sachen, die du immer vorstellst.

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    1. Gegen noch mehr Leser hätte ich auch nichts einzuwenden... ;)

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