Donnerstag, 4. November 2021

Delius, Friedrich Christian: Die Birnen von Ribbeck (Hörbuch)

Jeder kennt Fontanes Ballade "Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland". Der Birnbaum ist es, weshalb die Westberliner nach der Öffnung der Mauer in das Dorf Ribbeck einfallen und ungefragt einen neuen Birnbaum pflanzen wie eine Standarte in besetztes Gebiet. Sie bringen alles mit für ein Volksfest. Zu essen und zu trinken im Überfluss. Und feiern. Die Häuser werden auf ihren Wert hin taxiert und die Ribbecker nicht gefragt, wie es ihnen geht. Ein Bauer beobachtet das Treiben und erzählt die Geschichte des Dorfes, erzählt traurig und wütend an gegen den Geschichts- und Gedächtnisverlust. 
(Klappentext)
 


Spieldauer 2 Stunden
Geschrieben von Friedrich Christian Delius
Gesprochen von Christian Brückner
Audible.de Erscheinungsdatum 28 August 2019
Verlag Parlando Verlag
Format Hörbuch
Version Ungekürzte Ausgabe
Sprache Deutsch
ASIN B07VWRNSF2 





Herbstzeit ist Birnenzeit - und dazu gehört definitiv auch Fontanes Ballade vom "Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland." Seltsamerweise habe ich mich nie gefragt, wo denn dieses Ribbeck überhaupt liegt - womöglich habe ich gar nicht geglaubt, dass es sich hierbei um einen reellen Ort handelt? Dank des Hörbuchs weiß ich nun, dass dem durchaus so ist - und auch zumindest ungefähr, wo sich Ribbeck befindet. Die Erzählung selbst fand ich ausgesprochen interessant - nur wies das Hörbuchformat für mich leider Schwächen auf. Näheres könnt Ihr hier nachlesen:

















DIE GESCHICHTE EINES DORFES...



Quelle: Pixabay

Fontanes Ballade hat das Dorf Ribbeck, vierzig Kilometer von Berlin gelegen, berühmt gemacht. Nach Öffnung der Mauer kommen Westberliner nach Ribbeck, um einen Birnbaum zu pflanzen und mit den Ribbeckern die neue deutsche Einheit zu feiern. Sie pflanzen den Baum direkt neben das Schloss des alten Ribbecks, das jetzt ein Pflegeheim ist, und sie fragen nicht nach der Vergangenheit. 

Auf dem Volksfest, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr stattfand, mit Erbsensuppe, Freibier und Birnenschnaps aus dem Westen, verschafft sich ein Ribbecker Bauer Gehör. Zögernd zuerst und langsam erzählt er die Geschichte des Dorfes, das an der alten Heerstraße liegt, die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs und die Feudalherrschaft, Nazidiktatur und Zweiter Weltkrieg, und die Etappen des Sozialismus bis zur Wende und dem katastrophalen Niedergang der Landwirtschaft heute. Er erzählt von den Herren im Dorf, dem letzten Ribbeck, der in das KZ Sachsenhausen kam, von der Roten Armee, den Parteibonzen und den Erben, die jetzt wieder das Dorf mit herrischen Schritten vermessen...

Der Aufbau der Erzählung hat mich angesprochen: vorangestellt das berühmte Gedicht des birnenspendenden Ribbecks, danach der Monolog des immer betrunkener werdenden Bauern auf dem Volksfest anlässlich der Deutsch-Deutschen-Wiedervereinigung. Der Bauer erweist sich nicht nur als scharfer Beobachter der aktuellen Geschehnisse mit beinahe prophetischen Vorhersagen der Entwicklung (koloniale Übernahme des Ostens durch den Westen), sondern auch als genauer Kenner der Geschichte des Dorfes.

Ganze Generationen von Ribbecks begleiteten das jeweilige Zeitgeschehen, und auch wenn der Letzte von ihnen wohl im KZ Sachsenhausen landete, leben die Ribbecks auch heute noch in den Genen der Dorfgemeinschaft weiter. Anhand der Geschehnisse in einem einzigen kleinen Dorf berichtet der Bauer von verschiedenen Kriegen und Machthabern - und zeigt dabei erstaunliche Parallelen der verschiedenen Epochen auf.

Weshalb ich hier nur drei Sterne vergebe, liegt am eher anstrengenden Schreibstil/Vortrag. Christian Brückner (u.a. die deutsche Synchronstimme von Robert De Niro)  trägt die ungekürzte Ausgabe (120 Minuten) einem Monolog entsprechend recht monologisierend und ohne große Nuancen im Redefluss vor. Zusammen mit den oft langen Sätzen war das ein doch sehr anstrengendes Hörerlebnis, als flössen die Sätze alle ineinander, manchmal ohne Punkt und Komma. Die Konzentration fiel mir da doch oft schwer, so dass ich immer nur kurze Sequenzen hören konnte.

Vermutlich ist hier das geschriebene Buch empfehlenswerter... Ein interessanter Text war es jedoch allemal.


© Parden

























Friedrich Christian Delius, geboren 1943 in Rom, in Hessen aufgewachsen, lebt seit 1963 in Berlin. Seine Erzählungen und Romane machen ihn zu einem der bedeutendsten deutschen Autoren der Gegenwart. Friedrich Christian Delius wurde unter anderem mit dem Fontane-Preis, dem Joseph-Breitbach-Preis und dem Georg-Büchner-Preis geehrt.





Christian Brückner (* 17. Oktober 1943 in Waldenburg/Schlesien) ist ein deutscher Schauspieler, Hörspiel- und Synchronsprecher. Er ist vor allem als feste Synchronstimme von Robert De Niro, als Off-Stimme in Dokumentarfilmen sowie als Rezitator und Interpret von Hörbüchern bekannt.












                                              

1 Kommentar:

  1. Ich bin schon mehrfach durch das Dorf gefahren und habe auch mal angehalten. Ansonsten kenn ich die Geschichte natürlich auch von Fontane, denke aber mehr an das Lied von Reinhard Mey… Poor old Germany. Vor 30 Jahren hab deswegen mal zu Fontane gegriffen, dessen Effi Briest nicht zum bevorzugten Schulstoff gehörten

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