Sonntag, 16. Mai 2021

Laskas, Jeanne Marie: Briefe an Obama

Es ist erst wenige Wochen her, als ich auf unserem Blog den ersten Band der Memoiren von Barack Obama vorstellte. In EIN VERHEISSENES LAND kam der Autor kurz darauf zu sprechen, dass aus den vielen Zuschriften, die das Weiße Haus jeden Tag erhält, zehn Briefe ausgewählt werden, die Präsident Obama dann am Abend liest.

Doch wer suchte diese aus? Gab es dabei ein System? Beantwortete der Präsident diese zehn Briefe persönlich?

Jeanne Marie Lasker bekam Kontakt zu den Menschen und den Briefen, sie besuchte das President Conversation Team, sprach mit Mitarbeitern, Praktikanten und der Frau, die täglich aus ungefähr 200 Zuschriften, Briefe und Mails, eben diese zehn Briefe aussuchte.


Wir Leserinnen und Leser lernen sie „alle“ kennen, diese Amerikaner, die sich hinsetzten und dem Präsidenten, oder ganz besonders ihrem Präsidenten schrieben: Der arbeitslosen Lehrerin, dem Militärveteranen, dem Akademiker, der Einwanderin und eine ganze Reihe von Kindern. Kinder, die ihre Eltern beim Wahlkampf für Obama begleiteten, Kinder, die ihm ihre Hausaufgaben zur Kontrolle schickten.

Wir lesen Briefe der Politikenttäuschten, des politischen Gegners, der Wahlkämpferin, dem Kriegsversehrten.

Sie schreiben über über all das, was die Menschen so bewegt. Über die Finanzkrise, die Obama „erbte“, als er Präsident wurde, über die Gesundheitsreform, welche er insbesondere vertrat, über die fehlende Krankenversicherung wie über die nach Novellierung der Gesetzgebung plötzlich vorhandene. Über soziale Gerechtigkeit, ihre Geschäftsideen, Auslandseinsätze von Soldatinnen und Soldaten, über Geschäftsideen, wieder erlangte Beschäftigung. Ein nicht unwesentliches Thema bildet dabei die erst drohende und dann tatsächliche Wahl von Donald Trump. Die damit verbundenen Ängste werden natürlich durch die Briefe im letzten Quartal vor der Amtsübergabe deutlich mitgeteilt. 

Und wir lesen die Antworten Barack Obamas. Klar, er schreibt diese nicht alle selbst. Es klingt fast enttäuschend, dass es Vorlagen, Musterbriefe gibt und auch ein Schreibteam. Aber bei 10000 Posteingängen braucht man ja nicht viel Fantasie und dies zu verstehen.

Laskas reiht nicht nur Briefe aneinander und die Antworten des Präsidenten. Sie erzählt in diesem Buch ausführlich, wie dieses PCT, dieses President Conversation Team entstand, aufgebaut wurde und wie es arbeitete. Die Spitze bilden dabei die Gespräche mit Fiona, der Auswahlchefin, und mit Obama selbst.

Lebendig wird das Hörbuch durch mehrere Sprecher, Christian Baumann, Juliane Köhler, Franz Pätzold, Julia Cortis, die in verteilten Rollen sprechen und das über neun Stunden lang. 

Natürlich bilden die Briefe, immer mit Briefkopf und Adresse vollständig vorgetragen, den Hauptinhalt des erstaunlichen Buches, aber die Gesamtkonzeption machen das Buch zu etwas vielleicht Einzigartigem. Es ergänzt eigenständig Obamas eigene Schilderungen von mehr als acht Jahren USA-Geschichte und USA-Politik auf eine Art und Weise, die tatsächlich den Untertitel des Buches rechtfertigt: DAS PORTRÄT EINER NATION. 



So werden wir Leserinnen und Leser mit den Büchern von Michelle (Becoming) und Barack Obamas (Ein verheißenes Land) sowie mit diesem Buch  nicht nur einen Überblick, sondern einen echten Einblick, eben ein Portrait, in dieses Land erhalten. Wer dann noch möchte, dem empfehle ich Jill Lepores Buch DIESE WAHRHEITEN über die Geschichte der USA.

"Ein verrückter, pathetischer Briefroman der Hoffnung" titelte DER SPIEGEL im März 2019. Ein wenig pathetisch, das mag ja sein. Verrückt ist er ganz sicher nicht. Hoffnung bietet er vielleicht dahingehend, dass dieser Joe Biden sich  an die Zeit seiner Vizepräsidentschaft auch hinsichtlich der "Postbehandlung" erinnert.


© Bücherjunge


1 Kommentar:

  1. Das klingt auch interessant. Die 364 Milliarden Schmähbriefe an Obamas Nachfolger würden vermutlich eine Buchreihe ergeben... ☻

    AntwortenLöschen

Durch das Kommentieren eines Beitrags auf dieser Seite, werden automatisch über Blogger (Google) personenbezogene Daten, wie E-Mail und IP-Adresse, erhoben. Weitere Informationen findest Du in unserer Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google. Mit dem Abschicken eines Kommentars stimmst Du der Datenschutzerklärung zu.

Um die Übertragung der Daten so gering wie möglich zu halten, ist es möglich, auch anonym zu kommentieren.