Alles ist durchgeplant, alles muss funktionieren: Britt-Maries Leben folgte schon immer einer klaren Ordnung. Es anderen recht zu machen war ihr Lebenssinn, und doch steht sie plötzlich ganz allein da. Der Zufall verschlägt sie nach Borg, einen völlig abgehängten Ort mitten im Nichts, in dem außer dem Dorfladen und dem Widerstandsgeist einiger Jugendlicher gar nichts mehr zu funktionieren scheint. Nach kurzem Zögern tut Britt-Marie, was sie tun muss: Sie räumt auf – nicht ohne nebenbei auch ein bisschen heilsames Borg-Chaos ins eigene Leben zu lassen... (Verlagsbeschreibung)
Kurzmeinung: Fredrik Backman schafft es mal wieder, hinter einer unliebsamen Schale den Menschen sichtbar zu machen - anrührend und unfassbar komisch...
SPÜRE! TRÄUME! LEBE!
Britt-Marie ist eine notorische Meckerziege, pedantisch und zwanghaft
und eine Ordnungsfanatikerin. Das Fensterputzmittel Faxin und
Großpackungen mit Natron sind ihr ganzes Leben - alles um sie herum ist
auf Hochglanz poliert. Ständig richtet sie ihre Haare und streift
vermeintliche Flusen von ihrem Rock - und versucht es allen recht zu
machen. Allen voran ihrem Mann Kent, mit dem sie seit über vierzig
Jahren verheiratet ist. Doch nun hat sie ihn verlassen.
Da, wo ihr Ehering saß, ziert jetzt ein weißer Streifen ihren Finger.
Und mit ihren über sechzig Jahren geht Britt-Marie nun zum Arbeitsamt
und meldet sich arbeitssuchend. Die junge Mitarbeiterin macht ihr wenig
Hoffnung, doch da kennt sie Britt-Marie schlecht. Mit einer
Hartnäckigkeit sondergleichen kontaktiert sie die junge Frau vom
Arbeitsamt, so dass diese schon aus Gründen des Selbstschutzes
schließlich ein verzweifeltes Angebot macht. In Borg, einem winzigen
Dorf, in dem es fast nichts gibt und das Aufregendste die Straße ist,
die hinein und wieder hinaus führt, gibt es eine auf drei Wochen
befristete Stelle des Hausmeisters eines Jugendzentrums, das eher aus
Versehen noch nicht geschlossen wurde. Und zur großen Überraschung der
Dame vom Arbeitsamt nimmt Britt-Marie die Stelle an...
Mit aller Ernsthaftigkeit taucht Britt-Marie mit ihrem Gepäck, ihren
Balkonpflanzen und reichlich Putzmitteln im Kofferraum in Borg auf und
muss feststellen, dass es außer dem fast geschlossenen Jugendzentrum und
einer Pizzeria mit einem Parkplatz, auf dem die Kinder Fußball spielen,
im Grunde nichts mehr gibt in dem Dorf. In Zeiten der Finanzkrise ist
alles den Bach runter gegangen, die Läden geschlossen, der Fußballplatz
verkauft, und fast vor jedem Haus steht ein bereits vergilbtes Schild:
'Zu verkaufen'. Niemand hat mehr Arbeit, die Jungen sind längst
fortgezogen, nur die Alten und die Kinder sind noch geblieben, ohne
Perspektive.
Es würde zu weit führen, hier noch mehr ins Detail zu gehen. Es sei nur
so viel verraten: die Geschichte lebt nicht nur von der Skurrilität und
Einzigartigkeit Britt-Maries, sondern auch von vielen anderen Menschen,
die Britt-Marie im Verlaufe der Erzählung begegnen, und die oftmals
ebenso sonderbar und eigenartig sind. Aber wer die Bücher Fredrik
Backmans kennt, der weiß, dass es nicht bei den komischen Elementen
bleibt. Ist es so, dass Britt-Maries Verhalten beim Leser anfangs zu
Belächeln und Kopfschütteln führt, bekommt die raue Schale der sozial so
inkompetenten Frau zunehmend Risse, und man erhascht Blicke auf das,
was sie wirklich bewegt - und was sie zu dem gemacht hat, was sie nun
ist.
"Ihr Spiegelbild gehört jemand anderem, jemandem, in
dessen Gesicht die Winter ihre Fußabdrücke hinterlassen haben. Die
Winter waren immer die schlimmste Zeit (...) Es ist die Stille, mit der
Britt-Marie kämpft, die sie aushalten muss, denn in der Stille weiß man
nicht, ob jemand weiß, dass es einen gibt..." (S. 117)
Wortkarg, konfliktscheu und liebenswert - so zeichnet Fredrik Backman
einmal mehr seine Charaktere. Und beherrscht dabei bis zur Perfektion
die Kunst der Balance zwischen Lachen und Weinen. So viele schöne Sätze
finden sich da, meist, wie gewohnt, in einem eher nüchternen Schreibstil
- und selten habe ich solch ein Buch gelesen, wo Lachen und Weinen so
nah beisammen lagen und ständig gegenseitig um die Vorherrschaft
kämpften. Mit einem noch nicht versiegten Grinsen stiegen Tränen in die
Augen und unter Tränen musste ich auch schon wieder herzhaft lachen. So
eine schöne Mischung. Ich liebe Backmans Bücher!
Eine warmherzige Geschichte, witzig erzählt mit durchaus nachdenklichen
Tönen - und eine große Hymne auf das Recht, man selbst zu sein, seine
Träume zu finden, sein Leben zu leben. Ein einfühlsames, stellenweise
melancholisches und zugleich ungeheuer komisches Buch voller
überraschender Begegnungen und Wendungen. Ein Buch, das berührt, zum
Nachdenken anregt und auf eine besondere Weise wunderbar lustig ist.
Mit anderen Worten: nur zu empfehlen!
© Parden
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