Samstag, 30. August 2014

Updike, John: Terrorist


Ahmed ist achtzehn Jahre alt, gemeinsam mit seiner irischen Mutter lebt er irgendwo in New Jersey. Sein Vater, ein Araber, hat die Familie früh verlassen, und Ahmed hat unter seinem Weggang gelitten. Aber die Trennung der Eltern liegt lange zurück, und in New Prospect gibt es viele kaputte Familien. Außerdem ist Ahmed ein ausgezeichneter Schüler, redegewandt und klug. Genau die Sorte also, die im US-amerikanischen System Karriere machen könnte. Doch Ahmed hat sich schon anders entschieden: Konsequent kapselt er sich von seiner Umwelt ab und sucht im islamischen Fundamentalismus ein neues Zuhause. Schon bald ist er bereit, für seinen Glauben sein eigenes Leben zu opfern – und das Leben anderer. "Terrorist" ist ein mutiges und zugleich besonnenes Buch. Es meidet selbst die Extreme und gibt nicht vor, die oft banalen Ursprünge des Terrorismus ganz ausleuchten zu können. Das Ergebnis ist eine Innenansicht von Terror und Fundamentalismus, die plakativen Schuldzuweisungen schonungslos den Boden entzieht. "Terrorist" ist einer der wichtigsten Romane John Updikes. Er erscheint in deutscher Übersetzung zur fünften Wiederkehr des Datums "9/11".

     

Gemeinsam Lesen - Meinungsaustausch...



Der 11. September 2001       ►Quelle Bild


Der Meinungsaustausch kommt um spoilerhafte Informationen nicht ganz drum herum. Aber es ist ein sehr intensiver Austausch zwischen Uwe und Anne, und nicht immer stimmen die Meinungen überein. Sehr spannend, wie unterschiedlich ein Buch gelesen und aufgefasst werden kann.
Uwes Meinungsäußerungen sind in Schwarz gehalten, Annes in Grün - Zitate in dunkklem Blau.



Kapitel I

Man braucht den Klappentext des Buches nicht, um, ausgehend vom Titel, zu ahnen, um was es letztlich wohl gehen wird: um Terrorismus und um Fundamentalismus. Fundamental muss ja nicht zwingend in Fanatismus und dann in Terrorismus münden, aber heutzutage und vor allem dann, wenn Religion im Spiele ist,  finden Fundamentalismus und Terrorismus zusammen.

Ahmed ist, im Gegensatz zu seiner Schulkameradin Joryleen, sehr zielgerichtet glaubend, wenn ich dies mal so ausdrücken darf. Dabei scheut er sich nicht, ihrer Einladung in den Gottesdienst einer evangelischen Gemeinde zu folgen, in der ihr Chor singt. Ahmed weiß, das ist eine Versuchung, der er sich an sich nicht hingeben sollte. In schwarzen Jeans und gestärktem weißen Hemd sticht er als ernster und die Regeln seiner Religion beachtend unter den Jugendlichen hervor. Eine Aktie daran hat Scheich Rashid, der in einer kleinen Moschee den Ahmed vorbereitet. Auf das Lastwagenfahren, aber da erreichen wir schon das zweite Kapitel...

Der Lehrer Levy, ausgebrannter und eigentlich ängstlicher Beratungslehrer, ehemals Geschichtslehrer, versucht den Jungen zum Besuch eines Colleges zu überreden, ziemlich halbherzig, er hat mit sich und seinem Leben zu tun. Welche Rolle er spielen wird im Fortgang der Geschichte wird sicherlich interessant...

In NEW PROSPECT ist der amerikanische Traum schon ziemlich ausgeträumt. Ahmed träumt was anderes, der alte Levy (63) träumt wohl gar nicht mehr. Updike schildert den Verfall einer Stadt und die Gegenwart unverblühmt und direkt. Trostlos.Ist es tatsächlich bezeichned, dass diese Tristesse einhegeht mit der Übernahme ganzer Stadtviertel durch "Ausländer", die (noch?) nicht richtige "Amerikaner" geworden sind? Leztlich beginnt hier eine Wertediskussion...

* * *

Wie schwer fiel es mir, mich in dieses Buch hineinzufinden. Abbruch jeweils nach maximal einer Seite. Es hat Tage gedauert, bis ich drin war in der Handlung. Soweit man überhaupt drin sein kann. Doch nun habe auch ich das erste Kapitel beendet. 

Ein wahrhaft trostloses, pessimistisches Bild über Amerika, das John Updike da zeichnet. Und da er Amerikaner war und wir nicht, müssen wir zumindest annehmen, dass er wusste, wovon er da redet. Und das ist nicht nur erschütternd, sondern wirklich beängstigend. 

Die Figuren - ob alt, ob jung - suchen nahezu verzweifelt nach einem Sinn in ihrem Leben:

Ahmed Mulloy (Ashmawy) - Sohn einer rothaarigen amerikanischen Mutter irischer Abstammung und eines ägyptischen Austauschstudenten, der die Familie verließ, als Ahmed 3 Jahre alt war. Mit 11 begann Ahmed mit seiner Suche und stieß auf einen Lehrer: Scheich Rashid, ein Imam an der Moschee, mit dem Ahmed den heiligen Koran studiert. Seither bedeutet Gott ihm alles. Ahmed verachtet alle, die nicht wahren Glaubens sind und hat nur noch zwei Monate bis zu seinem High-School-Abschluss. Über seine Zukunft hat er nur vage Vorstellungen:

"Ahmed braucht eine Zukunft, das weiß er, aber sie kommt ihm unwirklich vor, und sie weist seine Annäherungsversuche ab." (S. 25)

Und Jack (eigentlich Jacob) Levy, 63, einer jüdischen Familie entstammend, aber nicht wirklich gläubig, lebt mit seiner Frau Beth zusammen, der Sohn, ein angesehener Augenarzt, längst aus dem Haus. Er arbeitet an der High-School, die Ahmed besucht, als Beratungslehrer. Ein hoffnungsloser  und am Leben verzweifelnder Lehrer, der die Jugendlichen hinsichtlich ihrer Zukunftsaussichten beraten soll. Trotz seiner negativen Sicht auf das Leben im Allgemeinen und Amerika im Besonderen, fällt dem Lehrer der Schüler Ahmed auf, als dieser zu einem Beratungsgespräch erscheint. Doch die Bemühungen Jacks, den Schüler zu erreichen, verlaufen fruchtlos - Ahmed scheint nicht an den Zukunftsaussichten interessiert, die Jack ihm skizziert. Dennoch gibt er sich nicht geschlagen:

"Ich möchte über Sie noch ein bisschen nachdenken. Könnte sein, dass ich Sie noch einmal sehen möchte..." (S. 57)

Kapitel II

Tatsächlich lässt Jack Levy das Schicksal Ahmeds nicht los. Er sucht ihn sogar zu Hause auf, was Ahmed aber anscheinend nicht beeindruckt. Er lässt die College-Prospekte, die Jack ihm mitgebracht hat, links liegen und wendet sich lieber den Unterlagen zu, die er für die Prüfung benötigt, um einen Lastwagen-Führerschein zu erhalten. Weshalb Ahmed diesen Führerschein benötigt, erfährt der Leser (noch) nicht, aber im Hinblick auf den Titel des Buches liegen harmlose Vermutungen wohl eher fern.
Ahmed, der anfangs in seinem Glauben so gefestigt schien, kommt jetzt doch einige Male ins Nachdenken. So folgt er der Einladung einer Mitschülerin zu einer Auffürhung des Ghospelchors, in dem sie mitsingt - in einer Kirche. Er fühlt sich als Fremdkörper, wehrt "gefährliche" Gedanken mit einer Art hochmütigem Mantra erlernter Glaubenssätze ab - und kommt doch ins Grübeln. Nicht, dass er dies großartig zulässt, denn er hat offensichtlich ein klares Ziel vor Augen. Und doch beginnt er zu hinterfragen, auch seinen Lehrer Scheich Rashid, doch stets verhalten.

Updike lässt sich viel Zeit in den einzelnen Szenen. Selbst den Unterricht Ahmeds bei Scheich Rashid schildert er ausführlich, einschließlich der (arabischen) Darstellung einzelner Suren samt Übersetzung und Diskussion über die Bedeutung und die Entstehung der Texte. Sicherlich ein interessanter Einblick, doch zeitweise finde ich die z.T. sehr lang geratenen Schilderungen doch anstrengend zu lesen.
Und bei aller Ausführlichkeit gelingt es doch nicht, wirklich in die Gedankenwelt Ahmeds einzutauchen. Weshalb ihm beispielsweise der Glaube so wichtig ist und sonst nichts. Mit Levy und Ahmeds Mutter kann man als Leser nur spekulieren. Kann es wirklich so einfach sein, wie seine Mutter vermutet:

"Diese ganze Allah-Kiste hat er sich allein angeeignet, ohne jede Hilfe von mir. Im Gegenteil sogar - ich hab´s ihm übel genommen, dass ihm ein Vater so wichtig war, der keinen Furz auf ihn gab. Auf uns. Aber vermutlich braucht ein Junge eben einen Vater, und wenn er keinen hat, erfindet er sich einen." (S. 150)

* * *

Das Ende der Highschool naht. Unter den Schülern gibt es nur Joryleen, zu der sich Ahmed ein wenig hingezogen fühlt, darum besucht er auch den bereits erwähnten Gottedienst. Sie ist es, die zu ihm sagt: "Wenn einer nicht weiß, wohin er unterwegs ist..., dann du. Wer nicht weiß, was gut ist und was schlecht, bist du." Und sie trifft den Nagel auf den Kopf.
Der einzige Schüler eines  Imans wird, dies wird bereits jetzt langsam deutlich, indoktriniert.
Anne hat vollkommen recht, John Updike lässt sich für bestimmte Szenen viel Zeit.

Quelle: Internet
178. Und die Ungläubigen sollen nicht wähnen, daß es zu ihrem Heil ist, wenn Wir ihnen Aufschub gewähren; daß Wir ihnen Aufschub gewähren, führt nur dazu, daß sie in Sünden wachsen; und ihnen wird erniedrigende Strafe. (Koran - online) -

Ahmed möge sie vernichten wie die Kakerlake, die sich in sein Essen wagt. Leise Zweifel allerdings hat der Junge wohl.
Interessant ist, dass der Scheich den Koran selbst als etwas Unvollkommenes ansieht, der echte Koran wäre im Himmel. Transkription und Interpretation haben durch die Jahhunderte Spuren hinterlassen.
Paradox, warum dann insbesondere die anderen Religionen des Buches so als Ungläubige betrachtet werden und zu vernichten (?) wären.

Und dann ist die Schule zu Ende.

Kapitel III


Allmählich gewöhne ich mich an den Schreibstil und fange tatsächlich an, ihn zu mögen. Updike legt ganadenlos den Finger in die Wunde, zeichnet tatsächlich kein schmeichelhaftes Bild von Amerika. Mein Bild von Amerika ist das eines oftmals unreflektierten Patriotismus bei gleichzeitig überaus unpolitischer Haltung. Updike geht hier gar noch einen Schritt weiter: die wahren Machthaber sind die internationalen Konzerne:

"Die Kommies wollten dir bloß eine Gehirnwäsche verpassen, aber die neuen Machthaber, das heißt die internationalen Konzerne, wollen dir das Gehirn komplett wegspülen. Sie wollen Konsummaschinen aus uns machen - eine Hühnerstallgesellschaft." (S. 221)

Vieles von dem, was da geschrieben steht, lässt sich nicht nur auf Amerika beziehen, sondern auch auf das moderne Europa. Verbunden mit der mehr als zweifelhaften Rolle der Medien (gezielte Auswahl und Präsentation der Nachrichten sowie massive Werbekampagnen) schaffen es die Wirtschaftsführer, alle Bürger in gedankenlose Konsumenten zu verwandeln. Ein unangenehmer Spiegel, den Updike da der modernen westlichen Gesellschaft vorhält.
Um so verwunderlicher in meinen Augen, dass Updike ein überaus anerkannter Schriftsteller in seinem Land war, ebenso wie international. Das passt so gar nicht zu meinem Bild des kompromisslos patriotischen Amerika...

Ein paar Worte noch zum Fortgang der Geschichte: 

Jack Levy hat mittlerweile eine Beziehung mit Ahmeds Mutter, die über 20 Jahre jünger ist als er selbst. Ein Kontakt zu Ahmed dagegen findet kaum noch statt, so scheint es. 
Der Glaube Ahmeds wirkt auf mich immer wieder recht hochmütig. Über allem und über allen stehend, gilt er ihm als das einzig Wahre, und nichts und niemand reicht an diesen Glauben heran, nur er, Ahmed selbst. Dabei scheint es allerdings so, als schleichen sich immer wieder Gedankengänge ein, die ein Umdenken andeuten könnten. Die Aussage beispielsweise, dass ihm die Opfer des Anschlags auf das World-Trade-Center in New York leid getan hätten, hat mich doch überrascht.  Ein Wendepunkt?

"Der Gott, der wie ein unsichtbarer Zwilling mit ihm verbunden ist, ist kein Gott des Unternehmungsgeists, sondern ein Geist der Unterwerfung. Obwohl Ahmed sich bemüht, fünfmal am Tag zu beten, (...) hat der Barmherzige und Gnädige ihm keinen geraden Weg zu einer Berufung vor Augen geführt. Es ist, als wäre ihm, im köstlichen Schlummer seiner Hingabe an Allah, seine Zukunft amputiert worden." (S. 237)

* * *

Ford E-350 - Ahmeds "LKW" ?
Nun lernen wir die Frau des Lehrers Levy kennen und deren Schwester Hermione, welche für den "Secretary of  U.S. Departement of Homeland Security" arbeitet. Ahmed erlangt den LKW - Gewerbeführerschein. Ein seltsames Gemisch aus Politikverständnis erreicht den Leser, wenn er von Charlie hört und dem Beginn des Berufslebens für den Jungen, welcher weiterhin in schwarzen Röhrenjeans und weißen (langärmelige) Hemden durch die Gegend läuft. Der geschichtlich ziemlich mit Halbwissen beschlagene Charlie weist Ahmed in seinen Job ein. Er wird weniger in die Moschee kommen, die Indoktrination übernimmt ein anderer.

Quelle: Internet
Quelle: Internet
Eines Tages stehen sie an der Upper Bay und schauen auf das untere Manhatten:

""Schön, das mal zu sehen, nachdem die Türme weg sind" , stellt Charlie fest. ... "Halb New Jersey konnte die verdammten Dinger sehen.""

Ahmed äußert Mitleid mit jenen, die gesprungen sind und dass Muslime unter ihnen waren.  "Ahmed, du must das Ganze  als Kriegsgeschehen betrachten. Im Krieg gehts nun mal nicht säuberlich zu. Es kommt zu Kollateralschäden..." (Seite 240)   Wohin wird das wohl führen?

Im Gegensatz zu Anne wundert mich der Bekanntheitsgrad des Schriftstellers nicht. Die, welche offen aussprechen, was poltisch und historisch "problembeladen" ist, werden von den Politikern nicht gemocht. Doch die Leser sehen das nun oftmals anders. TERRORIST ist Updike´s vorletzter Roman gewesen.



Kapitel IV

Ich sprach nicht vom Bekanntheitsgrad, lieber Uwe, sondern vom Grad der Anerkennung - was sich auch an diversen Preisen und Auszeichnungen zeigt, die Updike für seine Werke erhielt - z.B. hier:


John Updike (links) bei der Verleihung der National Medal of Arts zusammen mit Barbara und George H. W. Bush am 17. November 1989


Doch nun zu diesem Abschnitt.

Ahmed erhält mehr Einblicke in die Hintergrund-Geschäfte der Firma, für die er den Lastwagen fährt, und schließlich wird ihm offenbart, welche Rolle er bei einer akribisch vorbereiteten geheimen Operation spielen soll. Sein Glaube wird auf eine harte Probe gestellt, doch Ahmed ist sich sicher, dass dieser stark genug sein wird... Um ihm etwas Gutes zu tun, sorgt Charlie, der Sohn des Besitzers von 'Excellency' dafür, dass Ahmed diese Aktion nicht als Jungfrau durchführen muss - zumindest versucht er es. Ausgerechnet die ehemalige Mitschülerin aus dem Ghospelchor ist es, die ihn zum Mann machen soll. 

Der traurige alte Jude Jack Levy spielt in diesem Abschnitt nur eine kleine Rolle. In einer Bettszene mit Ahmeds Mutter - der letzten, wie sich herausstellt - sinniert er:

"Ich sage nur, dass junge Leute wie Ahmed ein Bedürfnis nach etwas haben, was sie von der Gesellschat nicht mehr bekommen (...) Hedonismus, Nihilismus - sonst haben wir nichts zu bieten (...) Kids müssen mehr Entscheidungen treffen als früher, weil die Erwachsenen ihnen nicht sagen können, was sie tun sollen. Wir wissen eben nicht, was einer tun sollte, wir wursteln uns bloß weiter durch und versuchen, nicht nachzudenken.  Niemand erklärt sich für verantwortlich, und darum nehmen die Kids, manche jedenfalls, die Verantwortung auf sich (...) Sie möchten sich gern als wertvoll erweisen - wenn wir ihnen nur sagen könnten, was wertvoll ist." (S. 265)

Updikes Schreibstil ist mir manchmal zu ausschweifend, zu langatmig. Manchmal allerdings bezaubert er mich auch, wenn er nämlich detaillverliebte Bilder in meinem Kopf entstehen lässt:

"In ihren Sprüngen lässt die Betonfläche Unkraut sprießen, die hoch wachsenden wilden Pflanzen der dahinschwindenden Jahreszeit mit ihrem milchigen Speichel und ihren pelzigen, vom üppigen Tau des Herbstes feuchten Blättern. Der Himmel darüber ist wolkenlos, bis auf ein paar faserige Zirrusfetzen und die verschwimmende Schleppe eines Jets. Sein reines Blau ist noch sanft, pudrig, denn es war erst in  Nacht und Sterne getaucht." (S. 323)

Einfach schön - und ein Hoch auch auf die Übersetzerin: Angela Praesent. 

* * *

Die Art und Weise der Indoktrination hat mich scon ein wenig verblüfft. Der "freundliche" Charlie und dann wieder der Scheich.

"Mein lieber Junge, ich habe die Stunden sehr vermisst, in denen wir gemeinsam die Schrift studiert und über große Dinge  gesprochen haben. Auch ich habe dabei gelernt. Die Schlichtheit und die Kraft deines Glaubens hat den meinigen vertieft und verfestigt. Es gibt wenige von deiner Art." (Seite 298)

Die Zusammenarbeit mit Charlie wird auch durch den Scheich offenbart, er konfrontiert Ahmed mit seiner Zustimmung für den Dschihad zu sterben. Noch hat er Zweifel...

"Ich bin bereit zu sterben.... wenn es Gottes Wille ist."...
"Es besteht eine Chance... Es bedürfte dazu eines schahid, dessen Liebe zu Gott bedingungslos ist und den es dringend nach der Glorie des Paradieses dürstet. Bist du ein solcher Mann Ahmed?" ...
"Ich glaube, ja..."  (Seite 300 / 301)

Nicht erst die Zustimmung zum istischhad, zum Selbstopfer, und dann die Vorbereitung, nein, umgekehrt. Zumindest zur Hälfte: Charlie, der Lastwagen, der Scheich... Scheinheilig die Frage nach der "Unsicherheit im Herzen" und dass der Junge auch zurücktreten darf. Er weiß, er wird manipuliert, doch er bleibt fest...

Nun da es heraus ist, erfährt Ahmed, wie alles funktionieren soll.

* * *

Kapitel V

Ahmed bereitet sich akribisch auf seine große Aufgabe vor. Im letzten Abschnitt erfährt man fast ausschießlich alles aus der Sichtweise des jungen Muslimen - und mehr lässt sich hier kaum erzählen, ohne dass man zu viel verraten würde.

Das Ende bietet noch einige Überraschungen, doch letztlich habe ich gemerkt, dass ich zwar gespannt war auf den Schluss, dass dieser mich dann aber weder enttäuscht noch begeistert hat. Es war mir schlichtweg egal, muss ich gestehen - denn auch wenn Updike selbst im Klappentext schreibt:

"Es gibt genug Menschen, die vor der arabischen Bedrohung warnen. Da mag man es mir zugestehen, den jungen Mann so sympathisch darzustellen, wie es mir möglich ist. Er ist mein Held. Ich habe versucht, ihn zu verstehen und seine Welt zu beschreiben."

...konnte ich das gesamte Buch über kaum einmal so etwas wie Sympathie für Ahmed aufbringen. Zu distanziert wird er geschildert, zu abgehoben von der Welt, zu wenig greifbar. Selbst die angedeuteten Gründe, weshalb Ahmed so fanatisch in seinem Glauben aufgeht, wirken wie ein Stück Stammtisch-Psychologie und waren für mich wenig überzeugend. Schade. Ich wäre Ahmed gerne ein Stück näher gekommen...

* * *

Du hast Recht, Anne, das Ende ist schon überraschend. Wie so oft spielt ein Zufall den entscheidenden Hinweise an die für die Terrorabwehr zuständigen Behörden.

Der Weg zum Lastwagen und die anschließende Fahrt ist wie ein Rückblick über Lebensepisoden des Jungen. Alle Dinge werden ausführlich beschrieben, es ist so, als würde sich die Zeit verlangsamen beim Lesen. Die Kunst des Beschreibens vieler kleiner Details auf einem vermeintlich endgültigem Weg ist Updikes Stärke.
Quelle: wikipedia

 Ziel des Anschlages ist der ► Lincoln - Tunnel, ein 2,5 Kilometer langer Straßentunnel, der Weehawken mit Manhattan (New York City) verbindet und unter dem Hudson River durchführt.

Quelle: wikipedia

Das tatsächliche Ende ist perfide. Erst hier plötzlich tat mir der Junge leid. Manipuliert bis zum Ende:

"Diese Teufel, denkt Ahmed, haben mir meinen Gott weggenommen."

Und er hat recht.




Fazit

Ein Buch, in das ich nur schwer hineinfand, und durch das ich mich v.a. im ersten Viertel wirklich hindurchkämpfen musste. Die Charaktere sind zwar detailliert und facettenreich dargestellt, doch blieben sie den gesamten Roman über für mich wenig greifbar. Es werden viele religiöse Hintergründe aufgeführt, doch entsteht letztlich der Eindruck, dass sie über die gängigen religiösen Klischees z.B. bezüglich des Islam nur unwesentlich hinausgehen. 
So habe ich zwar verfolgt, wie aus Ahmed ein religiöser Fanatiker wurde, konnte es aber trotzdem nicht wirklich nachvollziehen.

Gut gefallen hat mir dagegen die Kritik am amerikanischen (westlichen) Leben der heutigen Zeit. Gut pointiert hat Updike die Oberflächlichkeit dargestellt, das unreflektierte Konsumverhalten, die Rolle von Wirtschaft und Medien im Hinblick auf die Kreation unkritischer Konsumenten - und die Haltlosigkeit der Jugend, ihre verzweifelte Suche nach Werten und Lebenssinn. 

Der Schreibstil Updikes hat mich nach anfänglichen Schwierigkeiten doch überzeugt. Auch wenn es mir zeitweise zu ausschweifend, zu langatmig war und ich Sätze durchaus auch zwei oder drei Mal lesen musste, um ihren Sinn wirklich komplett zu erfassen, haben mich manche Schliderungen auch einfach nur bezaubert. Und es wird  nicht mein letztes Buch von Updike sein, da bin ich mir sicher...

Das gemeinsame Lesen und Schreiben hier hat mir jedenfalls viel Spaß gemacht, und da kann ich nur sagen: immer wieder gerne! Solch ein Austausch ist einfach nur interessant! 

 * * *

Ich hatte weniger Schwierigkeiten beim Lesen als vielmehr nun hier Gedanken zum Buch niederzuschreiben. Mir hat der Stil gut gefallen und daher sei der Übersetzerin Dank, da gebe ich dir, Anne, vollkommen  recht.  Das Gefühl von teilweise bzw. relativer Weitschweifigkeit hat sich bei mir irgendwann verflüchtigt. Vermutlich weil mir irgendwann einfiel, dass so die vielen Gedanken der beteiligten Menschen gut dargestellt werden konnten. Die Haltung und die Handlungen des alten Lehrers Levy werden verständlicher im Kontext der Geschichte um seine Frau Betty. Dies geschieht im Kontrast zu ihrer patriotischen Schwester Hermione, was für die Romanhandlung letztendlich bedeutsam wird. Manchmal muss die Leserin, der Leser einfach nur aushalten.

Updike hat dem Leser verständlich aufgezeigt, wie sogenannte Märtyrer geschaffen werden können. In einer Zeit, in der sehr wahrscheinlich eine Reihe von Westeuropäern in Syrien und im Irak in der Terrororganisation IS (Islamischer Staat) Verbrechen begehen, zeigt der Roman aus dem Jahr 2006 auf, warum das so sein könnte.

Selbst weiß ich nicht, ob die US-Amerikaner oberflächlich, so unkritisch sind. Gleichzeitig sind sie wohl auch sehr patriotisch, mit God bless America und dem ►  Star Spangled Banner sowie den Bildern dazu, wenn US-Amerikaner öffentlich ihre Hymne singen, ob im Stadion oder anderswo, wird dies sehr deutlich:

  
O sagt, könnt ihr sehen
im frühen Licht der Morgendämmerung,
was wir so stolz grüßten
im letzten Schimmer der Abenddämmerung?
Dessen breite Streifen und helle Sterne
die gefahrvollen Kämpfe hindurch
über den Wällen, die wir bewachten,
so stattlich wehten?
Und der Raketen grelles, rotes Licht,
die in der Luft explodierenden Bomben,
bewiesen die Nacht hindurch,
dass unsere Flagge noch da war.
Oh sagt, weht dieses
sternenbesetzte Banner noch immer
über dem Land der Freien
und der Heimat der Tapferen?


In der letzten Strophe, die nicht zum offiziellen Text (1814) der Hymne gehört, heißt es: 

Dann müssen wir siegen
wenn unsere Sache gerecht ist.
Und dies sei unser Motto:
„Wir vertrauen auf Gott.“
Und das sternenbesetzte Banner
möge im Triumph wehen
über dem Land der Freien
und der Heimat der Tapferen!


Quelle: wikipedia
Ich staune immer über diesen (vermeintlichen) Widerspruch im Handeln der Amerikaner, die in Reiseberichten auch als herzlich und gastfreundlich beschrieben werden, aber eben auch den sogenannten Smalltalk vollendet beherrschen sollen.

Die Schriftsteller, Journalisten wie Romanautoren, zeigen ihre Sicht der Dinge auf. Ihre Beobachtungen, ihre Erfahrungen, ihre Ängste und mehr. Ein Autor wie ► John UPDIKE (1932 - 2009), der sich sonst eher anderen Themen widmete, schrieb diesen Roman im Jahr 2006, als Spätwerk sozusagen. Und doch passt er zu ihm, denn in der sogenannten Rabbit- Reihe ist er wohl sehr dicht an seinen Landsleuten dran. Um Updike besser zu verstehen, müüste man wohl dort weiterlesen. 




Die Meinung des Schreib- und Blogpartners im Wechsel unmittelbar hier zu erfahren und auf diese eingehen zu können oder sie auch aufzunehmen und den Faden weiter zu spinnen, ist eine schöne Sache. Zeit braucht sie und auch Geduld. Hoffentlich findet auch dieses "Werk" des Bloglesers Gefallen und genügt seinen Ansprüchen.

© Parden & KaratekaDD


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