Mittwoch, 27. August 2014

Bivald, Katarina: Ein Buchladen zum Verlieben


Wie eine Buchhandlung einen verschlafenen Ort wieder zum Leben erweckt.

Es beginnt mit einer ungewöhnlichen Brieffreundschaft. Die 65-jährige Amy aus Iowa und die 28-jährige Sara aus Schweden verbindet eines: Sie lieben Bücher – mehr noch als Menschen. Begeistert beschließt die arbeitslose Sara, ihre Seelenverwandte zu besuchen. Als sie jedoch in Broken Wheel ankommt, ist Amy tot. Und Sara plötzlich mutterseelenallein. Mitten in der Einöde. Irgendwo in Iowa. Doch Sara lässt sich nicht unterkriegen und eröffnet mit Amys Büchersammlung einen Laden. Und sie erfindet neue Kategorien, um den verschlafenen Ort für Bücher zu begeistern: »Die verlässlichsten Autoren«, »Keine unnötigen Wörter«, »Für Freitagabende«, »Gemütliche Sonntage im Bett«. Ihre Empfehlungen sind so skurril und liebenswert wie die Einwohner selbst. Und allmählich beginnen die Menschen aus Broken Wheel tatsächlich zu lesen – während Sara erkennt, dass es noch etwas anderes im Leben gibt außer Büchern.




  • Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
  • Verlag: btb Verlag (11. August 2014)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Gabriele Haefs
  • ISBN-10: 3442754569
  • ISBN-13: 978-3442754564







EIN WOHLFÜHLBUCH, DAS NICHT GANZ DEN ZAUBER HALTEN KONNTE, DEN ES VERSPRACH...


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Broken Wheel - nach einem zerbrochenen Rad eines Trecks wurde die kleine Stadt in Iowa im Roman benannt


Eine merkwürdige Situation, in die Sara da geraten ist. Über ihre Liebe zu Büchern kam die 28-jährige Schwedin in Kontakt zu der deutlich älteren Amerikanerin Amy und unterhielt zwei Jahre lang einen intensiven Briefaustausch mit ihr. Schließlich lud Amy die mittlerweile arbeitslose Buchhändlerin ein, sie in Iowa zu besuchen - doch als Sara voller Begeisterung eintrifft, holt sie niemand wie vereinbart in der Nachbarstadt ab. Als sie schließlich in Broken Wheel ankommt, erfährt Sara zu ihrer großen Bestürzung, dass die 65-jährige Amy verstorben ist, die Beerdigung ist gerade vorüber.
Was nun? Heimfahren? Zwei Monate sollte der Aufenthalt in Iowa dauern, so weit reicht das Visum. Doch Sara hat nicht mit der Reaktion der Einwohner von Broken Wheel gerechnet. Die bestehen darauf, dass die junge Frau troz allem in Amys Haus wohnen soll, und alle bemühen sich, dass Sara sich möglichst wohlfühlt. Keine Miete soll sie zahlen, kein Geld geben für Essen, Trinken und was man sonst noch so zum Leben braucht. Statt Amys Gast ist Sara nun Gast der ganzen Gemeinde.

" '...Broken Wheel! (...) Kaum der richtige Ort für eine Touristin. Gibt doch rein gar nichts zu sehen. Das Einzige, wovon wir mehr als genug haben, ist Sinnlosigkeit."

Broken Wheel hat seine ganz eigene Geschichte. "Und bei einem dieser Trecks zerbrach ein Rad: Broken Wheel wurde aufgrund eines Unfalls gegründet und danach benannt, und seither schien die Stadt sich Mühe zu geben, um diesem Namen Ehre zu machen."
Fast alle, die Arbeit suchen, ziehen weg, ein Geschäft nach dem anderen musste schließen, Familienbetriebe wurden zerschlagen, nur noch Mais scheint dort zu wachsen. Geblieben sind ein paar wenige Bewohner, einer verschrobener als der andere - sich gegenseitig beobachtend und doch einsam in ihrem Innersten. Und ausgerechnet hierher hat es Sara nun verschlagen. Sie fühlt sich wohl in Amys Haus, als sie erst die Bücher entdeckt hat - doch erträgt sie es kaum, so auf Kosten der Gemeinde zu leben. Ein Gedanke nimmt allmählich Gestalt an:

"Sie dachte daran, dass sie dieser Stadt gern etwas zurückgeben würde. Bücher waren da eine gute Möglichkeit. Egal, ob sie es wussten oder nicht, Bücher waren das, was sie hier brauchten, das war ganz offensichtlich."

Und so bringt Sara allmählich Amys alten leerstehenden Laden wieder auf Vordermann, stellt Regale hinein, gemütliche Sessel und einen kleinen Tisch - und füllt die Regale auf. Mit Büchern. Mit Amys Büchern, alle gelesen und geliebt und nun auf der Suche nach neuen Besitzern.
Die Einwohner lassen Sara gewähren, doch als der Laden eröffnet wird, wissen sie nicht so recht, was sie nun damit anfangen sollen. Sara jedoch bleibt optimistisch:

"Sie zweifelte nicht daran, dass sie die Bewohner von Broken Wheel zum Lesen bringen würde, egal, was die sich so dachten."

Sara weiß Gelegenheiten zu nutzen. Sie sortiert die Regale nach einem ganz eigenen System, das die Menschen in Broken Wheel ermutigen soll, nach dem richtigen Buch zu suchen. »Die verlässlichsten Autoren«, »Keine unnötigen Wörter«, »Für Freitagabende«, »Gemütliche Sonntage im Bett« - sind nur einige der Kategorien, die Sara für sie erfindet. Und allmählich beginnt sich ihre Hartnäckigkeit auszuzahlen.

"Amys Büchersammlung enthielt keine ungewöhnlichen oder wertvollen Exemplare, aber sie hatte einen Raum voll purer, konzentrierter Lesefreude erschaffen (...) Sara war fest entschlossen, ihren - ihren gemeinsamen - Buchladen zu einem ähnlichen Lesetempel zu machen."

Der Ort beginnt zu lesen. Und mit den Büchern und dem Buchladen geht eine Veränderung der Menschen einher. Sie entdecken Neues, Ungeahntes - auch an den Menschen um sie her und an sich selbst. Und auch Sara, die als schüchterne, unsichere Frau nach Iowa kam, bleibt von den Veränderungen nicht ausgenommen. Sie, die immer vor dem Leben geflohen ist und sich in Büchern vergrub, lernt nun immer neue Leute kennen und lässt sich auf sie ein.

"Bücher oder Menschen, fragst du. Das ist eine schwere Entscheidung, muss ich sagen (...) und dennoch, so sehr ich diese Frage auch drehe und wende, ich muss mich am Ende wohl für die Menschen entscheiden (...) in meinem ganzen Leben habe ich vielleicht eine Handvoll Menschen geliebt, im Vergleich zu Dutzenden oder hunderten von Büchern (und hier rechne ich nur die, die ich wirklich geliebt habe, die, bei denen der bloße Anblick schon froh macht, über die man immer lachen muss, egal, was sonst gerade passiert, zu denen man immer wieder zurückkehrt wie zu einem alten Freund und von denen man genau weiß, wann man ihnen zum ersten Mal 'begegnet' ist) (...) Aber die Handvoll Menschen, die man liebt... die ist doch mehr wert als diese ganzen Bücher."

Auch Sara macht in ihrer Zeit in Broken Wheel diese Erfahrung - doch die zwei Monate gehen schnell vorbei. Der Rückflug nach Schweden steht an, zurück in ihr altes Leben. Die Einwanderungs-Gesetze der USA sind furchtbar streng, und es scheint keine Möglichkeit für Sara zu geben, länger in Iowa zu bleiben. Oder für immer?
Alle in Broken Wheel wollen ihr dabei behilflich sein - doch die Behörden sind bereits auf Sara aufmerksam geworden...


Diese 448 Seiten lassen sich unglaublich flott herunterlesen. Die ersten zwei Drittel des Buches haben mich wirklich bezaubert, auch wenn der Wandel von Sara von der eher grauen Maus zu einer recht selbstbewussten jungen Frau sich doch recht rapide zu vollziehen schien. Gerade die Stellen, an denen es sich um die Bücher drehte, waren oft wunderschön - und ich hätte seitenweise Zitate herausschreiben können, nur um keines zu vergessen.

"Sie ließ die Tür einen Spaltbreit offen stehen, so dass der Geruch von feuchter Herbstluft sich mit dem Duft der Bücher vermischte. Sie hatte immer gefunden, dass Herbstluft und Bücher gut zusammenpassten, dass beide auf irgendeine Weise zu bequemen Sesseln und großen Tassen Kaffee oder Tee gehörten, und niemals wurde ihr das deutlicher als hier in ihrem eigenen Buchladen."

Erzählt wird meist aus der Perspektive Saras, doch gelegentich gibt es einen Perspektivwechsel zu einem der Bewohner von Broken Wheel, so dass man auch diese Personen zunehmend besser kennenlernt. Und eingestreut gibt es häufig Auszüge aus den Briefen von Amy an Sara aus vergangener Zeit, so dass es ein wenig ist, als ob Amy immer auch ein bisschen bei dem Geschehen dabei wäre.
Gerade diese Briefpassagen haben mir unglaublich gut gefallen, denn aus den Zeilen sprach oft eine Weisheit, die das Leben prägt - und die Amy auf diese Art mit Sara (und dem Leser) teilte.

"Ab und zu glaube ich, dass nicht die Stärke des Kummers von Bedeutung ist, sondern wie sehr er sich festsetzen kann."


Das letzte Drittel des Buches hat dann für mich ein wenig vom Zauber verloren - hier geht es auch weniger um die Bücher, sondern mehr um das Leben in Broken Wheel und um den Versuch, Sara einen längeren Aufenthalt dort zu ermöglichen. Für mich glitt das Geschehen dabei eher ins Seichte ab, was ich bedauert habe.
Nichtsdestotroz gehört das Buch zu den Wohlfühl-Büchern, wenn auch ein wenig zu sehr mit dem Hang zur Chick-Lit, was ich so nicht erwartet habe.

Gute 3,5 Sterne vergebe ich dafür - und weil es solch ein Füllhorn an Zitaten bietet, runde ich gerne auf 4 Sterne auf.


© Parden










Katarina Bivald
Katarina Bivald

»Ich war nie in den USA, aber ich bin dort aufgewachsen. Mit Fannie Flagg, Annie Proulx, Louisa May Alcott und Marshall Grover. Das ländliche Amerika war mir so nah wie die kleine schwedische Vorstadt, in der ich zufällig geboren wurde. Und ich wusste immer, dass ich eines Tages schreiben würde. Schon als Kind erzählte ich ständig Geschichten.«

Katarina Bivald arbeitete 10 Jahre lang in einem Buchladen. Sie lebt in der Nähe von Stockholm, gemeinsam mit ihrer Schwester und so vielen Bücherregalen, wie sie nur gerade so reinpassen in die Wohnung. Sie weiß bis heute nicht genau, was sie bevorzugt: Menschen oder Bücher.



Quelle Text und Bild

2 Kommentare:

  1. Das ist auch eine sehr schöne Rezension. Das Buch scheint etwas autobiografisches zu haben.

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    1. Danke Dir... :) Beim Lesen der Vita von Katarina Bivald drängt sich der Gedanke an autobiografische Züge des Buches auf, da gebe ich Dir Recht...

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