- Herausgeber : Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG; 2. Edition (25. Januar 2021)
- Sprache : Deutsch
- Übersetzung: Dirk Gunsteren
- Gebundene Ausgabe : 352 Seiten
- ISBN-10 : 3446269150
- ISBN-13 : 978-3446269156
- Originaltitel : TALK TO ME
VON DER ÜBERHEBLICHKEIT DES MENSCHEN...
Um das herauszufinden, benötigt Sam eine Sprache, und tatsächlich erlernt er viele Wörter in der Gebärdensprache, über die er mit 'seinen' Menschen kommuniziert. Der Biologe Professor Guy Schermerhorn lebt mit Sam unter einem Dach, und da der Schimpanse ständiger Aufsicht bedarf, geht dort noch eine Reihe anderer Menschen ein und aus, meist Studenten. Als sich die Studentin Aimee auf eine vakante Stelle im Hause Schermerhorns bewirbt, stellt sich rasch heraus, dass zwischen Sam und ihr eine besondere Bindung besteht. Fast wie Mutter und Kind leben sie dort zusammen, und als Aimee schließlich auch im Bett des Professors landet, scheint die Familienidylle perfekt.
Als die Gelder für das langjährige Experiment gestrichen werden, weil die Wissenschaft sich anderen Feldern zuwendet, wird Sam, der mit Fug und Recht als Individuum bezeichnet werden kann, von seinem eigentlichen Besitzer Dr. Moncrief abgeholt und in einen Käfig gesperrt. Dort trifft er erstmals auf Artgenossen und ist zutiefst verstört. Doch noch schlimmer ist die Gefahr, die über seinem Kopf schwebt: Tierversuche im Dienste der Wissenschaft ohne Rücksicht auf Leib und Leben - und Seele - der Versuchtsobjekte.
Aimee ist fassungslos, und trotz ihrer sonstigen Schüchternheit und zurückhaltenden Art versucht sie alles, um Sam zu retten. Doch wie kann eine Rettung aussehen - eine Befreiung aus dem Käfig? Und dann? Was könnte Sam, der weder ein Mensch ist, wie er allmählich erkennt, noch jemals wirklich zu seinen Artgenossen gehören wird, wirklich gerecht werden? Und wird Aimee mit ihrem verrückten Plan letztlich damit durchkommen?
„‚Ach, Scheiße, nicht schon wieder‘, sagte Moncrief. ‚Hör zu: Spracherwerbsprojekte sind passé, gewöhn dich dran. Wenn du’s genau wissen willst, steht zur Zeit die ganze Affenforschung, von A bis Z, auf wackligen Beinen […]. Das Einzige, wofür die Tiere jetzt noch gut zu gebrauchen sind, ist die biomedizinische Forschung. Da geht’s um AIDS und den Boom der Transplantationsmedizin, und die brauchen so viele Affen, wie sie kriegen können.‘“
Dies ist eine langsam erzählte Geschichte, die den Hauptcharakteren ausreichend Zeit lässt, sich zu präsentieren. Leider empfand ich garde diese als recht schablonenhaft und Klischees bedienend. Zum einen ist da der böse Dr. Moncrief, der Sam zu Versuchszwecken in einen Käfig steckt und der passenderweise mit einer Augenklappe herumläuft, zum anderen die gute Studentin Aimee, naiv, lieb und fürsorglich, und schließlich noch der rückgratlose Professor Guy Schermerhorn, den das Schicksal Sams kaum zu berührend scheint, der dagegen seiner wissenschaftlichen Laufbahn voller Selbstmitleid hinterherweint. Einzig der Schimpanse Sam weiß zu überzeugen, und sein Dilemma berührt…
Ein besonderer Kniff des Romans besteht aus den stetigen Perspektivwechseln. So wird abwechselnd aus der Sicht von Guy Schermerhorn, aus der von Aimee und letztlich auch aus der von Sam selbst berichtet. Bei den Abschnitten, die Sams Perspektive darstellen, findet sich die Besonderheit, dass die Begriffe, die dem Schimpansen als Gebärde vertraut sind, in Großbuchstaben geschrieben sind. Und auch wenn T.C. Boyle hier natürlich fiktive Gedankengänge präsentiert und aus seiner menschlichen Sicht heraus die Handlungs- und Denkweise des Schimpansen interpretiert und damit zwangsläufig vermenschlicht, sind es gerade diese Abschnitte, die mich der Erzählung haben nahekommen lassen. Das Schicksal der anderen Charaktere interessierte mich dagegen nur peripher.
Deutlich wird in diesem Roman in jedem Fall die Überheblichkeit des Menschen, der sich über alles stellt und sich ganz im biblischen Sinne die Erde ‘untertan’ macht, ohne Rücksicht auf Verluste. Selbst alles Lebendige wird in den Dienst eines möglichen Nutzens gestellt, bestenfalls fällt mal der Gedanke ‘artgerecht’ – nicht jedoch hier. Denn weder der böse Dr. Moncrief mit seiner Tierversuchs-Käfig-Haltung noch der wissenschaftsorientierte Professor Guy Schermerhorn oder auch die gutmeindende Aimee lassen Sam eine artgerechte Haltung zukommen – denn Tiere lassen sich nicht vermenschlichen, seien sie uns auch in gewissen Punkten noch so ähnlich. Nur in der Frage der Würde unterscheiden sich die Handelnden in dieser Erzählung. Einen Gedankenanstoß liefert der Roman definitiv.
Mein erstes Buch von T.C. Boyle konnte mich trotz des interessanten Themas nicht so ganz überzeugen. Neben manchen Längen im Erzählfluss waren es vor allem die eindimensionalen Charaktere, die mich störten, da sie für wenig Dynamik und Farbe im Geschehen sorgten. Sam dagegen war sehr präsent und überzeugend, und das Ende des Romans in meinen Augen passend. Ein interessanter, lesenswerter Ansatz, dem streckenweise jedoch etwas die Luft ausging.
© Parden
Affen sind ein immer wiederkehrendes Sujet
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