Abb 1 |
Tatanka-Yotanka. Mit diesem Namen kam ich
ungefähr im Jahre 1971 in Berührung. Der Große Geheimnismann der Dakota
verbannte Mattotaupa,
Kriegshäuptling der Bärenbande, einer Oglala Abteilung der Teton-Dakota und
Vater von Harka Steinhart Nachtauge
aus den Jagdgründen der Dakota. Ich glaube, ich habe den Geheimnismann gehasst
– so als Achtjähriger…
Dass der weitläufig eher unter seinem englischen Namen Sitting Bull
bekannte Tȟatȟáŋka Íyotake ein
Häuptling und Medizinmann der Hunkpapa
Lakota war, das war völlig uninteressant. Viel wichtiger war, dass er Jahre
später dem Harka Steinhart Nachtauge
Wolfstöter Büffelpfeilversender Bärenjäger, als Krieger genannt Stein mit
Hörnern, seinen neuen Namen Tokei-ihto
gab und ihn wieder in den Stammesverband der Dakota aufnahm.
Doch dies ist die
Handlung eines Romans, indem die beiden Großen, der Oglala Lakota Tȟašúŋke Witkó (Tashunka Witko oder Crazy Horse) und der
Hunkpapa Lakota Tȟatȟáŋka Íyotake
natürlich nicht fehlen durften.
Abb 2 - Die Söhne der Großen Bärin und ihre Oberhäuptlinge |
Der Romanzyklus Die
Söhne der Großen Bärin [1]
stammt von Liselotte
Welskopf-Henrich und mit diesem
Namen komme ich zu Erik Lorenz, durch den ich auf den Palisander Verlag aufmerksam wurde,
denn Eric Lorenz schrieb mit Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer
eine Biografie,
die den Titel Hommage verdient hätte.
Doch nun genug der Schwärmerei, das Thema lautet ja Sitting
Bull.
* * *
Die Geschichte des Sitting Bull hat Erik Lorenz
das Buch genannt, welches von der Illustratorin Claudia Lieb wirklich
eindrucksvoll gestaltet wurde. Da Biografien nur jemand liest, der sich „echt“
historisch für eine Person der Geschichte oder auch der Gegenwart interessiert,
hat Erik Lorenz hier eine Erzählung vorgelegt, die sich an den tatsächlichen
Überlieferungen der Nachkommen des großen Häuptlings Tatanka Iyotake
orientiert.
In dieser Erzählung erfährt der zehnjährige David von seinem
Großvater die wahre Geschichte dessen, den der Junge bisher nur als mythische
Figur kannte. Der Großvater erzählt vom Jungen Springender Dachs, vom Krieger,
Sonnentänzer und Geheimnismann, vom Kriegshäuptling und Angehörigen einer
Zirkus-Showgruppe.
Springender Dachs war schon als Knabe ein nachdenklicher und
überlegter Angehöriger der Hunkpapa. Der Großvater erzählt von dem Jungen, der
vermeintlich langsam ist du gelegentlich verspottet wird:
„Springender Dachs
begutachtet inzwischen einen Pfeil, den er aus seinem Köcher gezogen hat, fährt
mit den Fingern über das Holz, sucht nach Unebenheiten und überprüft, ob der
Schaft auch wirklich gerade ist. Er streicht über die Federn und wiegt den
Pfeil in der Hand. Blaustern lacht und klopft ihm auf den Rücken. ‚Wenn du so
weitermachst, wird man dich noch Langsam nennen, wenn du ein alter Mann bist.‘
Springender Dachs lächelt. Immer wieder zögert er in Situationen, in denen die
anderen Jungen in seinem Alter ohne nachzudenken einfach handeln. Weil er erst alles
sorgfältig in Gedanken abwägt, wurde er schon oft verspottet, denn viele halten
seine Umsicht für Unvermögen oder gar Ängstlichkeit.“ [2]
Abb 3 - Bison oder Büffel |
Der Junge darf sehr zeitig auf seine erste Büffeljagd
mitreiten, den erlegten Bison schenkt er bedürftigen Familien, die das
Jagdglück verlassen hatte oder deren Ernährer bei einem Kriegszug ums Leben
kam. So eine Haltung ist hoch anerkannt.
Bereits mit vierzehn Jahren wird er auf einen Kriegszug
mitgenommen und landet einen Coup.[3]
Dies ist etwas, was man sich kaum vorstellen kann, wenn man kein Lakota im 19.
Jahrhundert ist. Der Krieger der Krähenindianer, dem dies passiert, folgt dem
Knaben wütend, reitet in die Lakotagruppe und stirbt durch den Pfeil eines
anderen Kriegers.
Infolge dieser Begebenheit überträgt der Vater seinen
eigenen Namen auf den Sohn. Dieser heißt nun Tatanka Iyotake. Selbst heißt der
Vater nun Springender Bulle. So wird, was eher selten ist, ein vierzehnjähriger
Bursche zum Krieger, der außerdem in den Bund der Starken Herzen aufgenommen
wird. Dies zeigt jetzt, ungefähr im Jahr 1845 an, das dieser Indianer einmal
ein bekannter Führer seines Volkes werden kann.[4]
/ [5]
Eric Lorenz zitiert Frances Densmore, Ethnologin und
Verfasserin von Die Lieder der alten Lakota [6]:
„Wenn von einem Manne
bekannt war, dass er der Ehre der Mitgliedschaft im Bund der Starken Herzen
vollkommen gerecht sein würde, musste dieser sich keinerlei Prüfungen mehr
unterziehen. Er musste lediglich das Versprechen abgeben, tapfer zu sein bei
der Verteidigung des Stammes, für die Armen und Bedürftigen zu sorgen und
seinen guten tugendhaften Charakter weiterhin zu wahren.“ [7]
Mal abgesehen davon, dass diese im „europäischen“ Sinne an
die Schwertleite
bzw. den Ritterschlag erinnert: Wann je haben wir von armen und bedürftigen
Stammesangehörigen gelesen? Für Familien, deren Ernährer durch Kriegszüge oder
auf der Bisonjagd umgekommen waren, wurde im Stammesverband gesorgt und dies
geschah durchaus auch indem ein Mann eine zweite Frau nahm und deren Kinder
sinngemäß adoptierte. Auch Tatanka Iyotake hatte mehrere Frauen. Erzählt wird
im Buch die Geschichte der Adoption eines jungen Assiniboine-Kriegers, Tatanka
Iyotake nahm den tapferen Krieger nach einem Kampf mit dem feindlichen Stamm
als jüngeren Bruder an. [8]
Auch diese Handlung gibt ein Bild von der Kultur und dem Zusammenleben der
Indianer, der Vergleich mit „Ritterlichkeit“ hätte den weißen Zuwanderern
besser angestanden als der mit „Barbaren“.
Abb 4 - Der Sonnentanz |
Den neuen Häuptling „umgibt
eine Aura von Autorität, die aus seiner inneren Ruhe und seinem grüblerischen
Charakter erwächst. Er ist stark und hat eine kräftige Brust, die die
ehrenvollen Narben des Sonnentanzes zieren. Die Stammesmitglieder begegnen ihm
mit Respekt.
Seine unergründlichen
Augen sehen Dinge, die anderen entgehen. Ihm ist bewusst, dass sich alle Dinge,
tot oder lebendig, in einem ewigen Kreislauf befinden und miteinander in
Verbindung stehen. Der Büffel und der Adler, der Baum und der Busch, der Bach
und das Gras, die Erde und der Fels, die Gestirne am nächtlichen Himmel, die
Sonne, die Wolken, die vier Winde, sie alle sind eine Einheit, und sie alle
sprechen zu ihm mit leiser Flüsterstimme. Und er hört genau hin, lauscht ihrem
Wispern am Tage und in der Nacht, in seinen hellsichtigen Träumen, denn er will
den Lauf der Dinge begreifen, will verstehen, was sie ihm sagen, will wissen,
wie er seinem Stamm am besten dienen kann.“ [11]
In dieser Beschreibung spiegelt sich wieder, was echte
Indianerfreunde an diesen Menschen fasziniert, eben nicht der „edle Wilde“, die
„kriegerische Rothaut“, nicht nur der sattellose Reiter, der die
lebensgefährliche Büffeljagd betreibt. In dieser Beschreibung zeigt sich auch,
dass bestimmte Menschen dann zum Führer ihrer Völker werden, wenn sie eben
solche Eigenschaften aufweisen. Tatanka Iyotake gehört zu diesen. Er ist nicht
der strahlende Held, er ist der mutige, nachdenkliche, auch von Zweifeln
geplagte Anführer von Tausenden, deren Zeit langsam zu Ende gehen wird.
Hier
endet auch der Teil 1 der Geschichte von Eric Lorenz, der Teil 2 leitet das
Ende der freien Stämme der Prärieindianer ein.
* * *
Während eines großen Treffens mit anderen Stämmen melden
Kundschafter eine große Schar der Langmesser, wie die Soldaten wegen ihrer
Säbel genannt werden. Noch hat Tatanka Iyotake keine Ahnung, was die eigentlich
wollen. Aber er erfährt von anderen Häuptlingen, dass diese wohl eine
Strafexpedition unternehmen: Rache für einen Indianeraufstand weiter im Osten.
Dies ist der Anfang. Vom Platz eines ersten Kampfes mit den Truppen General
Sullys müssen sie fliehen. Der treibt sie in die Badlands, die sprichwörtlich
werden für die Lakota und andere, die auf kargem, unfruchtbarem Land später ihr
Dasein fristen werden. Kaum zu glauben, dass diese Gegend heute ein Nationalpark
ist. In der Nähe bzw. darauf wird einmal die Pine Ridge Reservation liegen.
Der Vertrag von Fort Laramie,
unterschrieben von bekannten Häuptlingen, nicht jedoch von Tatanka Iyotake,
sichert „für alles Ewigkeit“ ein großes Gebiet zu. Auch Tatanka Iyotake hofft,
dass dies stimmt. Aber seine Skepsis wird sich bewahrheiten. Ein weiterer
Häuptling der Lakota hat den Vertrag nicht unterzeichnet: Tatanka Iyotake
trifft auf Tashunka Witko. Die Lakota wählen sich erstmals einen Oberhäuptling.
Tatanka Iyotakes Stellvertreter wird der jüngere Krieger, der als Crazy Horse
bekannt werden wird.
Abb 5 |
Einige wenige ruhige Jahre folgen. Die Lakota jagen Büffel,
überwintern in den heiligen Schwarzen
Bergen. Doch dann kommen die Goldsucher. Der Strom der Wasichu [12]
wird immer stärker. TatankaIyotake lehnt den Verkauf der Schwarzen Berge ab.
Die Geschichte von den jungen Kriegern, die vor einem Lager, in dem sich die
weißen Gegner verschanzt haben, ihren Mut beweisend, vor den Schüssen auf und
abreiten, erzählt auch Ernie La Pointe in
der Biografie über seinen Urgroßvater. Die Krieger fragen ihn,
ob er denn mutlos wäre und Tatanka setzt sich in Gewehrschussweite seelenruhig
hin. Nein, die Krieger sollen ihr kostbares Leben nicht sinnlos aufs Spiel
setzen.
Im Jahr 1975 erhalten die Lakota – Indianer und andere
Stämme von der US-Regierung ein Ultimatum: Sie sollen bis zum 31. Januar 1876
auf den eingerichteten Reservationen erscheinen. Ein blutiger Sommer steht
bevor. Erneut wird Tatanka Iyotake das Sonnentanzopfer bringen. Er setzt sich
vor den Pfahl, 50 kleine Fleischstücke schneidet ihm sein Adoptivbruder, aus
dem Körper. Danach tritt der Häuptling in die Sonne, er tanz durch die Nacht
bis zum darauffolgenden Mittag.
Tatanka Iyotake spricht: „Eine
Stimme sprach zu mir: ‚Blick unter die Sonne!‘. Und ich blickte unter die Sonne
und sah Langmesser in großer Zahl auf ein Lager herabfallen. Sie glichen
Heuschrecken, mit den Beinen in der Luft und ohne Ohren. Unter ihnen sah ich
einige unseres Volkes, die ebenfalls mit den Beinen in der Luft herabfielen und
keine Ohren hatten. Dann vernahm ich wieder die Stimme: ‚Ich gebe euch diese
Langmesser, da sie keine Ohren haben, um zu hören. Sie werden sterben, aber ihr
dürft nicht nehmen, was ihnen gehört.‘“[13]
Den Höhepunkt der folgenden Kämpfe ist die Schlacht am
Little Bighorn. Es ist der 25. Juni 1876. Die vereinten Stämme vernichten
die Truppen der 7th. Cavalry unter Lieutenant Colonel J.A. Custer.
„Der Häuptling empfindet tiefe Genugtuung über den
gewaltigen Sieg. Aber denkt auch an seine Vision, in der ihm der Triumpf über
die Feinde vorhergesagt wurde, in der er aber auch gewarnt wurde, dass seine
Leute die getöteten Wasichu nicht anrühren sollen. Dennoch haben sie es getan.
Wird das Große Geheimnis sie bestrafen?“ [14] Vielleicht nicht Wakan Tanka, aber die
Wasichu selbst werden es tun. Bis in die heutige Zeit gibt es Amerikaner die
Custers Zug für eine Heldentat halten.
* * *
Abb 6 - Auf der Flucht |
Eine neue Welt: So nennt Erik Lorenz den dritten Teil seines
Buches. Es ist ein schmerzlicher Teil, denn in den nächste knapp 20 Jahren
werden nicht nur Tatanka Iyotakes Hunkpapa sondern auch viele andere Stämme in
die Reservationen getrieben werden.
Der Oberhäuptling trifft auf einen General namens Miles. Es
ist Winter. Der General verlangt von ihm, sich auf die Reservation zu begeben.
Doch Tatanka Iyotake lehnt ab: „Das Große Geheimnis hat mich als einen freien
Indianer erschaffen, nicht als einen Reservationsindianer… Geht fort aus diesem
Land. Was habt ihr hier zu suchen? ...“ [15]
Es kommt zum Kampf. Auf der Flucht müssen die Hunkpapa
Zelte, Pferde und Vorräte zurücklassen. Noch einmal treffen der „Sitzende
Bulle“ und das „Verrückte Pferd“ aufeinander. [16]
Hier erklärt Tatanka Iyotake seinem jüngeren Freund, dass er „in das Land der
Großen Mutter“ – nach Kanada ziehen will. [17]
Tashunka Witko will Bisonherden suchen. Er wird sich später zuerst auf einer
Reservation einfinden und bei einem Handgemenge den Tod finden. Beim Übergang
über den Missouri verliert die große Gruppe
von Tatanka Iyotake noch einmal eine Teil ihrer Habe. [18]
Abb 7 - Ein Freund in Kanada |
Eine in meinen Augen sehr schöne Geschichte ist die der
Freundschaft mit dem Major der Mounties, James Walsh, der versucht, Tatanka
Iyotake und den Resten seines Stammes beim sesshaft werden zu helfen. Der
Häuptling beschreibt den Major als „ganzen
Mann, als vernünftigen Mann“… Er ließ mich begreifen, dass ich es bisher nur
mit dem niedrigsten Abschaum seiner Rasse zu tun gehabt hatte.“ [19]
Im Gegenzug beschreibt Walsh so: „Er ist der klügste lebende Indianer, hat
den Ehrgeiz Napoleons und ist tapferer, als für ihn gut ist. Von jedem Indianer
auf der Prärie wird er respektiert und gefürchtet. Im Kampfe nimmt es keiner mit ihm auf. Im Rat
ist er allen überlegen. Jedes Wort, das er spricht, ist von Gewicht, wird
zitiert und von Lager zu Lager weitergegeben.“ [20]
Doch kann ihm der Major letztlich nicht helfen: Für die
große Stammesgruppe ist es nicht möglich, sich alleine durch die Jagd zu
ernähren. Die großen Bisonherden gibt es nicht mehr und beim Umherstreifen
geraten sie gelegentlich in Konflikt mit anderen Indianergruppen in deren
Jagdgründen. Schweren Herzens kehren sie in die USA zurück.
Diese letzten zehn Jahre sind sehr schwierig für den
Häuptling. Man führt Tatanka Iyotake und seine Familie durch das Land. Bismarck
ist die erste Stadt, die er sieht. Auf einem Dampfschiff fahren sie den
Missouri hinunter. Die Amerikaner interessieren sich durchaus für den Mann und
empfangen ihn durchaus auch zuvorkommend. Er bekommt gezeigt, wie man das
„eiserne Ross“ – eine Lokomotive – fährt, möchte aber nicht mitfahren, er hat
es als „Feind“ erlebt und bekämpft. [21]
Die Freundlichkeit seitens der Blauröcke ist verlogen.
Nicht in das Standing Rock Reservat bringen sie ihn, er wird als Kriegsgefangener
nach Fort Randall gebracht. Zwei Jahre später beginnt der letzte Kampf mit nur
noch einem weißen Mann: James McLaughlin ist der Vorsteher der
Reservationsagentur. Bis zu Tatankas Tod, für den McLoughlin durchaus
mitverantwortlich gemacht werden kann, werden sie gegen einander stehen, denn
der Freiheitswille und die Traditionsbewusstheit des ehemaligen Oberhäuptlings
sind weiterhin ungebrochen. Leider trifft die Einschätzung des kanadischen
weißen Freundes nicht mehr umfassend zu. Andere Häuptlinge wenden sich von ihm
ab, haben sich auch gelegentlich mit den Weißen auf den Reservationen
arrangiert.
Still ist es geworden, kaum noch Lieder, keine Geschichten
mehr am Zeltfeuer. Heimlich jagen die Männer. Kinder wurden in ferne Schulen
gebracht. So sieht es aus, das Leben in der Reservation, da kommt ein weißer
Mann in die Hütte des Häuptlings: Buffalo Bill. Cowboy,
Jäger, Scout. Hat im Bürgerkrieg gekämpft und beim Eisnbahnbau mitgemacht. Nun
ist er Schausteller. Im Zirkus. Tatanka Iyotake geht mit ihm. Interessant: Erst
der Bürgerkriegsgeneral Sherman muss sich
für den Häuptling verwenden, damit er die Reservation verlassen kann. [22]
Es hält sich das Gerücht, dass der berühmteste Lakota auch
in Europa an den Wild-West-Shows der Gruppe von William Cody (Buffalo Bill)
teilgenommen hat, dies ist aber nicht wahr.[23]
Tatanka Iyotake wird immer bekannter, verdient wohl auch eine Menge Geld, aber
seine Ansprachen, mit denen er um Verständnis für die Indianer wirbt und
Verbesserungen ihres elenden Reservationslebens erwirken will, kommen nicht an.
Der „Custer Mörder“ will zurück zu seiner Familie. Cody bedauert dies. Ist er
selbst ein Freund des Lakota? Vielleicht. [24]
Abb 8 - Indianergebiete |
„Es ist unser Land. Das letzte, das wir noch haben. Es
gehört uns und unseren Kindern.“ [25] So
versucht der Hunkpapa Lakota die anderen Häuptlinge noch einmal zu überzeugen.
Doch viele haben aufgegeben. So beginnt das letzte Kapitel in der Geschichte
der Lakota, zumindest das letzte Kapitel des Buches über Tatanka Iyotake. Das
Christentum und die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode, so unähnlich sind
sich die Religionen nicht, sieht man vom Sohn Gottes ab. Die Toten und die
Bisons, sie werden wiederkommen. Ein falscher indianischer Prophet wird zum
Auslöser der Geistertanzbewegung. Tatanka Iyotake, der ja auch viele
Geheimnisse kennt, ist skeptisch, gestattet aber seinen Getreuen auch vor seiner
Hütte zu tanzen. Selbst macht er nicht mit. Er ist beeindruckt von der Macht
dieses Propheten Wowoka, der predigt, dass das Geistertanzhemd vor Gewehrkugeln
schützt. [26]
Die
Lakota vor Tatankas Hütte werden immer mehr. Der weißhaarige McLaughlin bekommt
Angst. Er will die Geistertanzbewegung beenden. Doch Tatanka Iyotake sagt zu
ihm:
„Der neue Glaube gibt den Lakota neue Hoffnung… Warum willst
du ihn verbieten?... Du hast mir vor langer Zeit gesagt: Ich bin ein Indianer
wie jeder andere. Du erkennst nicht an, dass ich ein Häuptling bin. Dann kannst
du nicht erwarten, dass ich mein Volk in deinem Sinne führe. Aber fürchte dich
nicht. Wir tun nichts, wir schaden niemandem, wir greifen niemanden an und
erheben keine Waffen.“ [27]
* * *
„ ‚Das ist das letzte Bild, dass ich von Sitting Bull habe‘.
Sagt Davids Großvater und streicht vorsichtig darüber. Es zeigt einen Mann mit
einer überdimensional großen buntgefiederten Wiesenlerche.“ [29]
Abb 10 - Zitate |
Der Großvater erzählt die Geschichte von Verrat und Mord zu
Ende. Dem Jungen eröffnen sich bisher nicht bekannte Räume und er versteht
vieles. So beendet Erik Lorenz sein Buch. Er beendet es typisch indianisch
möchte man meinen. Die erzählten Geschichten gilt es zu bewahren. Jahrhunderte
haben die indianischen Stämme die Märchen und Mythen weitergegeben.
* * *
Abb 11 |
Erik Lorenz hat ein Geschichtenbuch, ein biografisches,
geschrieben. Er bettet die Lebensgeschichte des bekannten Sitting Bull in eine
Rahmenhandlung ein, die wiederum eine Geschichte ist. Die einzelnen Teile
bestehen aus kurzen Geschichten, die nicht nur das Leben des Helden darstellen,
sie vermitteln auch viel von der Kultur der nordamerikanischen Prärieindianer.
Selbstverständlich bediente er sich entsprechender Literatur. Besonders erwähnt sei hier noch einmal die
Biografie, die Urenkel Ernie
LaPointe im Jahr 2009 veröffentlichte und die der Traumfängerverlag
im Jahr 2011 in Deutschland herausbrachte. Vieles findet sich hier wieder und
der aufmerksame Leser wird feststellen, dass die Wirkung von Erik Lorenz Buch
ebenso eine authentische ist. Nicht nur dies, auch die Geschichten, Mythen und
Erzählungen von Zitkala-Ša (Roter
Vogel erzählt) oder John Okute Sica (Das
Wunder vom Little Bighorn), kann man wiedererkennen.
Trotzdem ist das Buch
keineswegs einfach „abgeschrieben“, es ist schlichtweg hervorragend neu
erzählt. Eingangs sagte ich schon einmal, es ist nicht einfach eine weitere
Biografie, als solche hätte die von LaPointe vollkommen genügt, einmal
abgesehen davon, dass es in den USA eine unüberschaubare Menge von Büchern und
Veröffentlichungen über Sitting Bull gibt.
Es ist sehr gut lesbar, es lädt ein zum weiter schmökern. Es
ist informativ, auch wegen der kleinen Einschübe, Erklärungen und Zitate, die
die einzelnen Geschichten ergänzen. Und es ist wunderschön bebildert. Mit
fortschreitendem Lesen haben mir die Illustrationen von Claudia Lieb immer
besser gefallen; zugegebener Maßen fand ich sie zu Beginn gewöhnungsbedürftig.
Diesen Eindruck kann ich heute keineswegs mehr aufrechterhalten. Mal sind sie eher stilistisch, an indianische
Malereien erinnernd, mal detailreich, nie überladen und meist nur mit den
Grundfarben auskommend.
Es gibt eine Menge von sogenannter Indianerliteratur. Weder
der Palisander-Verlag
noch dessen Autor Erik
Lorenz sind die einzigen in Deutschland, die indianische Geschichte so
erzählen. Aber sie erzählen sie auf eine besondere Art und Weise. Der Verlag
hat sich dem Werk von Liselotte
Welskopf-Henrich verschrieben. Dem folgend, kam auch die bereits erwähnte Biografie in
Chemnitz heraus. Die Palette wird ergänzt durch ganz hervorragende Sachbücher
und authentischer Erzählungen. Einige wurden schon genannt. Das Gesamtverzeichnis
des Verlages führt diese gleich zu Beginn alle auf.
Die Begeisterung, mit der Verlagsleiter Dr. Frank Elstner
und der noch recht junge Autor Erik Lorenz das hier besprochene Buch auf der
Buchmesse in Leipzig im März 2016 vorstellten, lässt da im Laufe der Zeit noch
mehr erhoffen.
Abb 12 - Buchmesse Leipzig - Buchvorstellung - Erik Lorenz und Frank Elstner |
Da bleibt mir nun nur noch, erst einmal Danke zu sagen
dafür, dass ich das Buch als Rezensionsexemplar erhielt und die Freude hatte,
der Präsentation in Leipzig beiwohnen zu können. Auch waren die Gespräche mit
Herrn Dr. Elstner und mit Erik Lorenz sehr interessant. Schön, Erik, dass wir
uns kennenlernen konnten.
* * *
Erik Lorenz. Geboren 1988 in Berlin publiziert auch
Reiseliteratur. Er hat über Hongkong, Kambodscha, Laos geschrieben. Der
asiatische Kontinent hat es ihm angetan.
Claudia Lieb, deren Webseite „nur“ ihr Werk, aber nichts
über sie selbst erzählt, wurde 1976 in Erlenbach am Main geboren. Studiert hat
die Angewandte Wissenschaften und Kommunikationsdesign. Sie lebt und arbeitet
in München.[30]
Übrigens haben ihre Zeichnungen und Grafiken maßgeblich dazu
beigetragen, dass dieses hier besprochene Buch überhaupt in Angriff genommen
wurde. [31]
► Erik Lorenz Webseite
► Claudia Liebs Webseite
© KaratekaDD
Abbildungen und Quellen:
Abbildungen:
Abb 1: Cover (Palisander Verlag)
Abb 2: Collage (URDD): mit Szenenfoto und Cover für Die Söhne der Grißen Bärin,
Abb 3: Collage (URDD): Illustration von Seite 27 und 28/29; Bisonbulle aus https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:American_bison_k5680-1.jpg#filelinks; public domain
Abb 4: Sonnentanz. Illustration Seite 60
Abb 5: Cover Sitting Bull - Sein Leben und Vermächtnis von Ernie LaPointe
Abb 6: Collage (URDD) - Auf der Flucht - Illustrationen von Seite 161, 163, 165
Abb 7: Collage (URDD) - Ein Freund in Kanada - Buchseite 168/169
Abb 8: Ausschnitt Illustration Seite 118
Abb 9: Die Wisenlerche - Illustration con Seite 90
Abb 10: Collage (IRDD) Zitate von Ernie Lai Pointe, Seite 180; John Okute Sica, Seite 176; Tatanka Iyotake, Seite 182
Abb 11: Cover Roter Vogel erzählt, Zitkala-Ša (Palisander - Verlag)
Abb 12: Collage (URDD) Buchmesse Leipzig. Vorstellung von Die Geschichte des Sitting Bull. Fotos von URDD
Quellen:
[1] Die
Indianer oben auf dem Szenfoto des gleichnamigen Films allerdings stellen Tokei-ihto
und Tashunka Witko dar, Tȟatȟáŋka Íyotake kommt im Film nicht vor, obwohl er im
Roman selbst eine mehrfach entscheidende Rolle spielt.
[2] Lorenz,
Erik: Die Geschichte des Sitting Bull; Palisander Verlag, Chemnitz 2016,
ISBN: 978-3-938305-95-9; Seite 22
[3] Der
Coup ist das Berühren eines gegnerischen Kriegers ohne ihn zu verletzen oder zu
töten. Das ist wohl eine besonders mutige Tat, da sich der Ausführende ja in
unmittelbare Lebensgefahr begibt und somit äußerst geschickt und wendig
reagieren muss.
[4]
Manchmal frage ich mich allerdings, ob nicht vielleicht schon Ernie LaPointe
hier die Legende zumindest hinsichtlich des Alters des Burschen überbewertet.
[5] Vgl.
Lorenz, Erik: Sitting Bull, Seite 35ff
[6] Die
Ethnologin Frances Densmore schrieb zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Buch Die Lieder der alten
Lakota. Dazu hat sie Lieder und Gesänge mit damaligen Mitteln auf
Schallplatten aufgenommen. Im Palisander-Verlag erschien das Buch im März 2012.
[7]
Densmore, Frances, in: Ebenda, Seite 49
[8] Vgl.
Lorenz, Erik: Sitting Bull, Seite 70 ff
[9] Vgl.
Ebenda, Seite 52 ff – Vom Sonnentanz erzählt auch Liselotte Welskopf-Henrich.
Ihrem Held Stein mit Hörner wird dabei vom Geheimnismann das Brustfleisch
tiefer eingeschnitten. Er soll als Lügner vor der Sonne sterben. Er tanz vom
Morgen bis in die Nacht, bis ihm endlich die Befreiung gelingt. Dass die Tänzer
weiter tanzten, war mir bisher völlig unbekannt.
[10] Ein
anschauliches Bild bietet die Miniserie INTO
THE WEST.
[11] Vgl.
Lorenz, Erik: Sitting Bull, Seite 62 ff
[12]
Wasichu oder Wasicu (Waschitschun): Begriff für Geister, die weißen Männer. Die
Lakota bezeichneten sich in ihrer Sprache als Menschen
[13] Vgl.
Lorenz, Erik: Sitting Bull, Seite 134ff
[14] Vgl.
Ebenda, Seite 151
[15] Vgl.
Ebenda, Seite 160
[16] Ernie
LaPointe erklärt in seiner Biografie über Sitting Bull, seinen Urgroßvater,
dass Tȟatȟáŋka Íyotake soviel bedeutet wie „Ein Bisonbulle, der im Begriff ist,
sich hinzusetzen“. Sitzender Bulle – Sitting Bull ist als nicht genau
zutreffend. Für Tȟašúŋke Witkó gilt das ähnlich. „Sein Pferd ist verrückt“ oder
Verrücktes Pferd“ – Crazy Horse – ist vielleicht die ungenaue Übersetzung für
Geheimnispferd, der junge Tashunka Witko war ein berühmter Reiter, Pferdefänger
und Pferdezähmer.
[17]
Kanada – Das Land der Großen Mutter: Der Name kommt von der englischen Königin Victoria
als Oberhaupt des britischen Commonwealth.
[18]
Liselotte Welskopf-Henrich beschreibt in ihrem Roman Über
den Missouri (6. Band des Zyklus Die Söhne der Grißen Bärin eine solche
Szene, als die Bärenbande (Oglala – Lakota), geführt von Tokai-Ihto, den
Missouri nach beim Eisbruch überschreiten muss.
[19] Vgl.
Lorenz, Eric: Sitting Bull, Seite 169 – Überliefert von John Okute-Sica, dessen
Buch, Das
Wunder vom Little Bighorn ebenfalls im Palisander-Verlag verlegt wurde, und
dessen Manuskript einst Liselotte Welskopf-Henrich von ihrer ersten
Nordamerikareise mitgebracht hatte.
[20] Vgl.
Ebenda, Seite 174
[21] Vgl.
Ebenda, Seite 178
[22] Vgl.
Ebenda, Seite 189/190 – Generalleutnant William Sherman nahm nach dem
Bürgerkrieg selbst an den Indianerkriegen teil und ermöglichte den Navajos die
Reservation in deren Stammland.
[23] Dies
Frage stellte ich dem Autor auf der Buchmesse in Leipzig 2016. Er verneinte dies.
[24] Die
Auffassungen dazu gehen im Vergleich von Lorenz Buch zu LaPointe´s Biografie
auseinander. Lorenz stellt das Verhältnis als (fast) freundschaftlich dar,
LaPointe betont die zur Schaustellung des „Mörders von Custer“
[25] Vgl.
Lorenz, Erik, Sitting Bull, Seite 198.
[26]
Geistertanz heißt der letzte Teil der Miniserie Into the West, der diese Zeit
bis hin zum Massaker bei Wounded Knee erzählt.
[27] Vgl.
Lorenz, Erik, Sitting Bull, Seite 202f
[28]
Vgl. Ebenda, Seite 207 – Die Visionen mit den Wiesenlerchen werden auch von
Ernie LaPointe erzählt
[29] Vgl.
Ebenda, Seite 211ff
[30] Siehe Ebenda,
Seite 4
[31] Dies
erzählte Erik Lorenz auf der Buchmesse 2016 in Leipzig.
Vielen Dank für die detaillierte Buchbesprechung! Die Ausführlichkeit und Sorgfalt ist beeindruckend und erfreulich. Leser wie du geben mir als Autor das Gefühl, dass sich die Arbeit lohnt! Insbesondere freut mich auch, dass dir die Gestaltung des Buches zusagt, denn das war in der Tat unser erklärtes Ziel: Nicht hervorragende Biografien wie jene von LaPointe oder Yenne zu ersetzen, sondern das schönste denkbare Buch über diese spannende und vielseitige Persönlichkeit herauszugeben. Deshalb war die Mitarbeit der Künstlerin Claudia Lieb essenziell, ohne die – da erinnerst du dich (vermutlich von der Buchmesse) richtig – das Buch so nie entstanden wäre. Ich bin auf ein von ihr illustriertes Buch bei einer Ausstellung des Goethe Instituts in Hongkong gestoßen und war von ihrem einzigartigen Stil sofort begeistert. So nahm alles seinen Anfang ...
AntwortenLöschenÜbrigens: Das Buch wurde erfreulicherweise gerade für den „The Book and the Beauty Award“ 2016 nominiert. Falls einer deiner Leser durch die hier von dir verarbeiteten Fotos den Eindruck gewonnen hat, dass es sich um ein schönes Buch handelt, würden wir uns über jede Stimme unter http://beautyandbook.com/die-geschichte-des-sitting-bull/ freuen – dauert nur fünf Sekunden.
Weiter viel Lesefreude wünscht
Erik Lorenz.
Vielen Danke, lieber Erik, für die freundlichen Worte. Ja, wir hatten us auf der Buchmesse über die Entstehung des Buches unterhalten. Ich fand auch die Vorstellung sehr gut und ich glaube sie war auch gut besucht. Aber davon habe ich ja in Messe-Posts geschrieben.
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