Die reiche Europäische Union lockt viele Menschen an. So
auch die arbeitslose Lehrerin Irina, welche sich in der Republik Moldau, in
Chişinău, Leuten anvertraut, die ihr einen guten Job in der EU versprechen. Ihr
Schicksal wird verknüpft mit Kristina Lindström in Schweden zu der Zeit als der
so genannte „Heckenschütze von Malmö“ dort sein Unwesen treibt.
Grund für diese Verbindung ist ein Professor in Lübeck
namens Frank Thervall, denn der liebt die Schwedin, reist ständig zwischen
Malmö und Lübeck hin und her. Eines
Tages findet er in Malmö Ausweispapiere und beschließt, diese dem Besitzer
wieder zuzuleiten, dazu bedient er sich allerdings der Post. So kommt seine
Lübecker Adresse in die Hände eines gewissen Adrian.
Und der braucht ihn irgendwann, denn er will diese Irina
Yordonova aus den Fängen skrupelloser Menschenhändler in Lübeck befreien,
Zuhälter der schlimmsten Art. Frank Thervall ist einer, der nicht „nichthelfen“
kann…
* * *
Der ►Heckenschütze spielt eigentlich gar keine große Rolle im
Roman, außer dass er in Malmö für Aufregung sucht, dies fand in den Jahren 2009
/ 2010 statt. Damals konnten Staatsangehörige der ► Republik Moldau nur schwer
ein Visum in die EU erhalten. Eng mit dem Nachbarland ► Rumänien verbunden, wurde
selbst ein Besuch dort schwer, denn Rumäniens Grenze zur „Moldau“, wie man auch
sagt, war nun eine EU – Außengrenze geworden.
Menschenhändlerringe und Schleuserorganisationen schleusen
Menschen aus den Osteuropastaaten wie die Moldauische Republik, die Ukraine und
Weißrussland in die EU und zwingen junge Mädchen und Frauen nicht selten in die
Zwangsprostitution. Dies geschieht auf abenteuerlichen Wegen über die Grenzen bis
nach Europa hinein. Eingepfercht in Kleintransporter, mit ein wenig
Verpflegung, Wasser und einem Eimer für die Notdurft wurden Gruppen von
Menschen auch mit Hilfe von korrupten Grenzbeamten in die EU geschleust. Hinter
legalen LKW –Ladungen in Verschlägen versteckt sind die Mädchen oft tagelang
unterwegs, auch zu Todesfällen kam es bei Unfällen oder durch Erstickung.
Selbst in Containern auf Schiffen werden die Menschen transportiert.
Meist hatten sie ihre wenigen Ersparnisse dafür gegeben und
haben nun gegenüber den Schleuserbanden auch noch Schulden. Daher werden ihre Pässe oft
mit gefälschten oder erschlichenen Visa einbehalten, aus dem Teufelskreislauf
von Erniedrigung, Prostitution, Vergewaltigungen und anderen Misshandlungen
kommen sie nur mit Hilfe anderer wieder hinaus. Einladungen für „brauchbare“
Ausländerinnen zu fälschen war kein Problem und lange war es auch kein Problem,
Touristenvisa für 90 Tage in Kiew und anderswo zu erschleichen. Erst spät
wurden Maßnahmen dagegen ergriffen.
Halten sich Menschen illegal zum Beispiel in Deutschland
auf, werden sie abgeschoben. Trifft man diese zum Beispiel während einer
Kontrolle an den Binnengrenzen an, dann werden sie schnell zurückgeschoben in
das Land, aus dem sie kommen. Was aber ist mit denen, die Opfer von
Menschenhändlern geworden sind? Abschieben ohne z.B. jegliche psychologische Hilfe die wegen vielfältig erlittener Traumata notwendig ist?
* * *
„Inzwischen ist die -
am historischen Hintergrund der Berichte über den Heckenschützen von Malmö
erkennbar - im Winter 2009 / 2010 angesiedelte Geschichte durch die
schnelllebige Entwicklung des Aufenthaltsrechts zum Teil überholt. Die
EU-Rückführungsrichtlinie wurde umgesetzt, die Stellung von Opfern von
Menschenhandel aufgrund der EU-Opferschutzrichtlinie teilweise verbessert - sie
bleibt aber bei weitem verbesserungsbedürftig.“[1]
Außerdem können Moldawier anders als noch 2010 unter
erleichterten Bedingungen Pässe von Rumänien erhalten. Die Aufnahme der
Republik Moldau in die Liste der Staaten für den visafreien Aufenthalt von 90
Tagen ist ebenfalls vorgesehen.
Vielleicht muss der Dozent der Fachhochschule des Bundes für
öffentliche Verwaltung in Lübeck und damit für künftige Polizeikommissare der
Bundespolizei dies auf seiner ► Webseite ja vermerken, auf der er Hintergründe
für seinen Roman darstellt. Da er Jurist ist und mehrere Jahre auch als Richter
arbeitete, hat er natürlich auch die Rechtgrundlagen dargestellt.
"Schleuserfachhandbuch" |
Somit ist Tilmann Schott – Mehrings also Experte für
Schleuserkriminalität und Menschenhandel. Darüber hat er auch Fachbücher
geschrieben, das so genannte „Schleuserfachhandbuch“[2],
welches keines für Schleuserbanden ist.
Allerdings kann ich nicht erkennen, warum der Roman damit
„teilweise überholt“ sein soll. Die EU ist für viele Menschen immer erstrebter
Zufluchtsort und Deutschland darin vor allem. Auch wenn 90 – Tage – Visa die Einreise
erleichtern, nach 90 Tagen sind die unter falschen Versprechungen und ebenfalls
zu Schwarzarbeit oder eben auch zur Zwangsprostitution gezwungen Menschen
„unerlaubt aufhältig“ (Polizeideutsch). Verbessert hat sich allerdings der
Umgang mit Mädchen und Frauen, die dem Teufelskreislauf entkommen sind. Dies
ist bei Moldawierin Irina im Roman noch schwerer.
* * *
Wie bin ich auf den Roman eigentlich aufmerksam geworden?
Tilmann Schott – Mehrings und ich kennen uns bisher nicht persönlich,
allerdings haben wir es beruflich mit demselben „Klientel“ zu tun. Während der
Autor als Dozent für
Aufenthaltsrecht und Asylverfahrensrecht genau dieses unterrichtet, ist es eher
meine Aufgabe, mit den Studenten die Kontrolle von zum Beispiel
Schleusungsfahrzeugen und deren Insassen zu besprechen und auch zu üben wie
auch den polizeilichen Kräfteeinsatz zur Fahndung nach solchen Fahrzeugen an
den Binnengrenzen.
Aufgrund einer gemeinsamen Aufgabe telefonierten wir kürzlich
miteinander und so wurde ich über seine Webseiten auf den ►„Schleuserkrimi“
aufmerksam. Nach Erledigung der dienstlichen Geschäfte erzählte er mir, wie
schwierig es war, einen Verlag zu finden und dass der Roman leider nicht als
Druckwerk an einen zu bringen war. Auch erwähnte Tilmann Schott, dass er eine
Menge Tipps bekam, wie man als Autor den Spannungsgrad einer Geschichte erhöhen
sollte. Damit komme ich wieder zurück zum Roman.
* * *
Quelle |
Die Hauptfigur ist ein Lübecker Professor. Genau wie der Autor
selbst, allerdings nicht vom selben Fach. Logisch, sonst wären manche Dinge nie
passiert, glaube ich. Aber die Hansestadt Lübeck verbindet beide. Auf dieser ► Webseite zeigt Tilmann Schott Bilder der Handlungsorte, ich finde das sollte
der geneigte Leser wissen. Auch auf seiner Dozentenwebseite, welcher er zur
Hilfe für die Studierenden[3]
pflegt, finden wir Hinweise auf die schöne Stadt an der Trave. Dass der Autor
auch Malmö und Kopenhagen gut kennt, kann man an den teilweise detaillierten
Beschreibungen erkennen.
Die Figur des Frank Thervall sticht positiv hervor,
allerdings sind seine Erlebnisse schon mal sehr erstaunlich und unvorstellbar,
aber auch folgerichtig, weil durch eine Reihe von Zufällen bedingt. Ein wenig erinnert er an ► Stieg Larssons VERBLENDUNG, denn sein Gerichtsverfahren, in dem er wegen Verleumdung eines schwedisch-deutschen Politikers angeklagt wird, erinnert an Mikael Blomquist und die Affaire Wennerström. Das Schott davon ein wenig inspiriert wurde, gibt er zu.
Franks
Freundin Kristina erscheint skandinavisch spröde, doch wahrscheinlich bilden wir
uns das bloß ein, klischeebehaftet, womit ich nicht den Autor meine. Den missbrauchten
Mädchen um Irina glaubt man das Elend, in das sie geraten sind auch. Warum
wieder ein bescheuerter und cholerischer Polizist mitwirken muss, ist mir
schleierhaft, irgendwie macht das überall Schule und als „Polizistenausbilder“
würde mir das so nicht einfallen. (Man muss ja nicht alles mitmachen – oder fällt
das unter die oben erwähnten Tipps?)
Ob es Absicht war, dem weißen Mercedes Sprinter, der als Schleuserfahrzeug von Chişinău nach Lübeck fuhr, den schwarzen Mercedes des Chefs der Schleuserbande gegenüberzustellen?
Das Ende des Romans ist nur vermeintlich voraussehbar und
bleibt in gewisser Hinsicht auch offen.
Alles in allem haben wir hier einen von einem Experten
verfassten Roman vorliegen, der durchaus spannend und insgesamt glaubhaft ist.
Quelle |
Die erwähnten Webseiten eignen sich sehr gut für die
Recherche, sie sind natürlich sehr sachlich und lassen den „Rechtsgelehrten“ durchblicken. www.tilmann-schott-luebeck.de
wird auch auf den ersten Seiten des e-Books erwähnt.
Was man nicht alles so findet…
► DNB / Dotbooks Verlag / ISBN: 3-943835-09-X / 310 Seiten
► Tilmann Schott in der DNB
© KaratekaDD
PS: Der Zweiteiler – Tatort um ► Charlotte Lindholm, die beim
LKA Hannover arbeitet, ► WEGWERFMÄDCHEN
und ► DAS GOLDENE BAND[4] ist
ebenso interessant.
[1] http://www.tilmann-schott-luebeck.de/39201/143601.html
[2] http://d-nb.info/983719845
[3] Das Wort Studenten ist irgendwie verloren gegangen – vermutlich um die Anwendung der männlichen und weiblichen Form zu umgehen, und StudentInnen will ja nun auch nicht jeder schreiben….
[4] DAS ERSTE am 22.06.2014 um 20:15 Uhr
[2] http://d-nb.info/983719845
[3] Das Wort Studenten ist irgendwie verloren gegangen – vermutlich um die Anwendung der männlichen und weiblichen Form zu umgehen, und StudentInnen will ja nun auch nicht jeder schreiben….
[4] DAS ERSTE am 22.06.2014 um 20:15 Uhr
Schon interessant, wie man so an seine Lektüre gerät... :)
AntwortenLöschenHeute Abend 20:15 Uhr im Ersten: DAS BLAUE BAND
AntwortenLöschenTilmann Schott hat sehr viel geantwortet auf die vielen Fragen in Folger einer lovelybooks - Rezension. Die findet ihr unter: http://www.lovelybooks.de/autor/Tilmann-Schott/Spur-der-Tr%C3%A4nen-964771442-w/leserunde/963999242/
AntwortenLöschenDas war eine direkte Lesrunde zum Roman. Aber ich hab ja direkten Zugang. ;)
LöschenJa, und hier antwortet der Autor:
AntwortenLöschenWer ein Herz für die Schwachen hat, wird irgendwann auf die Republik Moldau stoßen.
Wer sich mit Schleuserkriminalität gefasst, kommt am Menschenhandel nicht vorbei. Zahlreiche Sachverhaltsberichte und Schicksale aus Gerichtsurteilen regen dazu an, erzählt zu werden. Und wer Schweden liebt, dem erscheint es naheliegend, seine Geschichte als Schweden-Krimi zu verfassen … Das waren die Bausteine, auf denen die „Spur der Tränen“ entstanden ist.
Die Rezension von Uwe Rennicke ist vor allem deshalb Anlass zur Freude, weil die Geschichte in diesem Fall zufällig von einem Kollegen entdeckt wurde. Und weil sie unter allen Internet-Rezensionen und Blogs die erste ist, bei der der Roman vor dem kritischen Urteil eines Bundespolizei-Praktikers und Kenners des Hintergrundes der Geschichte bestehen konnte!
Und das, obwohl natürlich auch dieser Roman seine Schwächen und Angriffsstellen hat. Denn von dem ursprünglichen europa- und aufenthaltsrechtlichen Kern ist nur wenig übrig geblieben. Den einzigen beiden Verlagen, die dem Projekt eine Chance gegeben hatten - Emons Verlag und dotbooks (letzterer war schneller, weswegen die Spur der Tränen bis heute nur auf dem eBook-Reader verfolgt werden kann) – verdanke ich viele Anregungen. Auf diesem Wege ist aber auch sehr viel Fiktion um die ursprüngliche – auf wahren Begebenheiten beruhende - Menschenhandelsgeschichte herum entstanden. So wurde auch das Lokalkolorit eines Regionalkrimis geschaffen, dessen Handlungsstränge sich dennoch durch vier europäische Staaten ziehen. Inzwischen hat die Geschichte an Aktualität verloren, denn seit 28. April 2014 sind ePass-Inhaber der Republik Moldau für 90-Tage-Aufenthalte im Schengen-Raum visumfrei, und gegenüber der Rechtslage von 2010 (als der Roman entstand), hat sich auch die Lage für Opfer von Menschenhandel verbessert. Inzwischen ist das Recht der Europäischen Union so schnelllebig, dass wahrscheinlich keine Geschichte mehr die Chance hätte länger als zwei Jahre aktuell zu sein. Trotzdem: Ein Schicksal wie das der Irina Yordonova ruft unverändert danach, erzählt zu werden, um aus der Vergessenheit und dem Schatten der Unbemerktheit heraus zu treten und in das öffentliche Bewusstsein zu gelangen ...
Recht vielen Dank, lieber Herr Kollege, für diese ausführlichen Zeilen. Es freut Blogger immer ungemein, wenn die Autoren, an welchen man ein gutes Haar gelassen hat, sich zu den Rezensionen äußern. Das kommt nicht oft vor.
LöschenNun haben wir auch viel gelernt, zum Beispiel, dass ein Romanschreiber ein paar Spielregeln beachten muss, damit sein Werk überhaupt erscheint und gelesen wird.
Vielleicht greift ja dieser oder jener mal nach diesem Buch, auch nach dem Lesen dieser BlogPost.
Grüße nach Lübeck,
der Rezensent