Montag, 18. April 2016

Bohnet, Katja: Messertanz


Menschen verschwinden. Menschen sterben. Heute ist es Alla Kusmin. Erstochen und verstümmelt. Die Leiche der Russin liegt in einer Wohnung in Berlin-Marzahn. Viktor Saizew und Rosa Lopez, ein eigenwilliges Ermittlerteam, werden vom LKA Berlin mit dem Fall betraut. Die beiden stellen Nachforschungen in der Familie der Ermordeten an und geraten in einen Sumpf von Korruption, in dem jeder käuflich ist und in dem selbst die Täter Opfer sind. Die Spur führt nach Russland - aber auch tief in die Vergangenheit der beiden Ermittler.

(Klappentext Verlagsgruppe Droemer Knaur)


  • Taschenbuch: 304 Seiten
  • Verlag: Knaur TB (1. Dezember 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3426516748
  • ISBN-13: 978-3426516744














DÜSTER, GEWALTTÄTIG, VOLLER ABGRÜNDE...







Wieder einmal eine Rezension, die mir nicht leicht fällt, da dieser Thriller aus dem Rahmen des Üblichen fällt. Noch bis zur Hälfte des Buches hätte ich hier lediglich zwei Sterne vergeben - am Ende waren es deutliche vier Sterne. Wie das?

Am einfachsten kann ich dies vielleicht verdeutlichen, wenn ich schildere, wie es mir im Verlaufe des Romans erging. Zu Anfang dominierte die Verwirrung - ständige Sprünge in kurzgehaltenen Kapiteln zwischen verschiedenen Handlungssträngen, die erst einmal nichts miteinander zu tun zu haben schienen, sowie auch Sprünge zwischen Vergangenheit und Gegenwart, wobei nicht immer gleich deutlich wurde, zu welcher Zeit das geschilderte Geschehen gerade spielte; dazu immer wieder neue Personen, häufig russischen Namens, was mir das Merken und Wiedererkennen doppelt erschwerte. Hinzu kam neben der oft skrupellosen Gewalttätigkeit, die für einen Thriller ja nicht untypisch ist, noch eine Düsternis, die ihresgleichen sucht. Sämtliche Charaktere, die hier eine wesentliche Rolle spielen, haben ihren eigenen dunklen, um nicht zu sagen: depressiven Hintergrund, egal ob Opfer, Täter oder auch Ermittler. Der oft abgehackt wirkende Schreibstil mit teilweise nur unvollständigen Sätzen verstärkte diesen düsteren Eindruck noch - mich hat es beim Lesen echt runtergezogen. Es wirkte einfach zu geballt, zu viel, und zeitweise steckte die eigentliche Geschichte hinter den dunklen Facetten der einzelnen Charaktere zurück.


Viktor mochte nicht viele Menschen (...) Niemand wollte mit Viktor zusammenarbeiten, da er den meisten Menschen Angst einflößte. Und niemand wollte mit Lopez zusammenarbeiten, denn sie verströmte das Unglück aus allen Poren wie Tote einen Verwesungsgeruch. Sie beide waren Paria. Viktor und Lopez (...) Nur zusammen ergaben sie einen Sinn (...) Viktor bestaunte, wie sie jeden Tag wieder von neuem aufstehen konnte. Wie sie es fertigbrachte, ihr Leben überhaupt zu leben. Obwohl sie dazu schon lange keinen Grund mehr sah. (S. 37)



Auch ich mochte Viktor nicht, den aufgrund einer Erkrankung eigentlich beurlaubten Ermittler des Berliner LKA, ebensowenig wie Rosa, seine Kollegin, die sich diszipliniert durch ihre nun schon jahrelang währende Depression kämpft. Ich mochte tatsächlich keine einzige Figur in diesem Thriller, dessen Plot unglaublich komplex ist und erst ganz allmählich seine Untiefen und Geheimnisse preigibt. Ein Plot, der allmählich unglaubliche Zusammenhänge enthüllt - hier erfüllt jede noch so unbedeutend erscheinende Handlung, jede einzelne Figur, und sei sie auch noch so klein, ihren Zweck in dem Puzzlespiel. Und auch, wenn jede Wahrscheinlichkeitsrechnung einen angesichts dessen, dass hier alles mit allem und jeder mit jedem zusammenhängt, nur den Kopf schütteln lassen müsste, hat mich dieser Thriller letztlich in seinen Bann geschlagen. Ich wollte es einfach wissen: was genau steckt dahinter? Wer wird hier ohne zu großen Schaden aus der Geschichte herauskommen? Was alles wird letztlich aufgelöst? Die letzten 150 Seiten habe ich das Buch kaum noch zur Seite gelegt.


"Viktor. Kann es sein, dass in diesem Fall mittlerweile alles, aber auch alles schiefläuft?" - Was sollte Viktor dazu sagen? Manchmal hatte Lopez einen Hang zur Untertreibung. (S. 258)


Ein Thriller, der sich von dem Gros des Genres abhebt - nicht erfrischend, sondern kaum erträglich anders. Ein Thriller, der seinen Sog trotz aller Widerstände entfaltet, unbemerkt und ganz allmählich, und der einen letztlich nicht mehr aus seinem Bann lässt. Und ein Thriller, der den Leser mit der Frage entlässt, ob hier noch eine Fortsetzung möglich ist.

Erstaunlicherweise wirklich empfehlenswert.


© Parden











Die Verlagsgruppe Droemer Knaur schreibt über die Autorin:

Katja Bohnet, Jahrgang 1971, studierte Filmwissenschaften und Philosophie, bevor sie ihr Geld mit Fahrradkurier-Fahrten, Porträtfotos und Zeitungsartikeln verdiente. Sie lebte im Südwesten der USA, in Berlin und Paris, arbeitete im Kibbuz und bereiste vier Kontinente. Jahrelang moderierte sie eine Livesendung auf der ARD und schrieb als Autorin für den WDR. 2012 verfasste sie ihren ersten Roman. Ihre Erzählungen wurden in Literaturzeitschriften und Anthologien veröffentlicht, u.a. im Rahmen des MDR Literaturwettbewerbs 2013. Heute lebt sie neben vielen Büchern, Platten und Kindern zwischen Frankfurt und Köln.

übernommen von der Verlangsgruppe Droemer Knaur

2 Kommentare:

  1. Hey Anne,

    deine Rezi klingt vielversprechend und macht neugierig. Danke für den Tipp.

    LG Nisnis

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