Nun lag er vor mir, der zehnte Rath - Roman aus der Feder von Volker Kutscher. Er hatte vor einiger Zeit erklärt, dass er die Reihe mit dem Jahr 1938 abschließen würde, dem Jahr, in dem am 9. November die Synagogen brannten, dem Jahr der Reichspogromnacht.
Doch blicken wir kurz ein wenig zurück:
Im Jahr 1929 kommt ein junger Kommissar als Köln zu Berliner Polizei. Dies hat sein Vater vermittelt, der den Berliner Polizeipräsidenten Zörgiebel kannte. Gereon Rath hatte in Köln mit einem Fall um den Oberbürgermeister Konrad Adenauer zu tun. In Berlin fängt Rath erst bei der Sitte an und wechselt dann zur innovativen Mord-Inspektion, die von einem besonderen Kriminalrat, nämlich Ernst Gennat geleitet wird.
Gereon trifft auf Charlotte Ritter. Die Tochter eines Justizbeamten in Moabit arbeitet gelegentlich für die „Rote Burg“, das Polizeipräsidium und will unbedingt Kriminalassistentin werden. Beide kommen sich näher und werden einige Bände später auch heiraten. Charlie ist die zielstrebigere, die bewusstere von beiden, Gereon dagegen zwar ein brillanter Ermittler, aber politisch weitaus weniger weitblickend.
Er ermittelt einen „nassen Fisch“ - also einen nicht angeschlossenen Fall, einen „stummen Tod“ im Filmgeschäft, trifft auf einen amerikanischen Juden und Killer in „Goldstein“, ermittelt im Hotel „Vaterland“ und in „Märzgefallene“ im Zusammenhang mit Weltkriegssoldaten. In „Lunapark“ und „Marlow“ kommt er der Berliner Unterwelt und deren Ringvereinen gefährlich nahe, 1936 dann endgültig an seine Grenzen und muss fliehen in „Olympia“. Dann fliegt fliegt mit der Hindenburg nach New York (Achtung Spoiler!), was er augenscheinlich überlebt, denn in „Transatlantik“ kommt er zurück nach Deutschland.
Wird er nun, im Roman, der schlicht Rath heißt, endlich seinen schlimmsten Widersacher im Rang eines Obersturmbannführers zur Strecke bringen und seine Charlie mit nach Amerika nehmen können?
Doch sind zwei andere Romanfiguren für mich ausschlaggebend für diesen letzten Roman und in deren Zusammenhang Charlie.
Charlies Geschichte finden wir in einer Auskopplung wieder. „Moabit“ erzählt, wieso der Kriminaloberkommissar und jetzige Privatdetektiv Böhm, einst Vorgesetzter in der „Mord“, seine Hand über ihr hält.
Hanna Singer ist die Tochter eines Weltkriegssoldaten gewesen, derer sich Charlie in „Märzgefallene“ (5. Roman) angenommen hat, in deren Schlepptau hängt der Berliner Junge Fritz Thormann. Hanna ist Jüdin und wird später in Polen untergebracht, vorerst scheint sie gerettet. Fritz dagegen wird von Gereon und Charlie als Pflegekind aufgenommen. Endlich von der Straße weg, gefällt es ihm durchaus in der Schule, Kriminalkommissar Gereon und Kriminalkommissarin Charlie gefällt sein Hang zur Hitlerjugend dagegen gar nicht, wobei Charlie wieder einmal die konsequentere Hälfte darstellt. Fritz, der in „Olympia“ (Band 8) einen Mord im olympischen Dorf beobachtet, entgleitet ihr, er wird Pflegesohn in der Familie seines Hauptbannführers in der HJ.
In einer zweiten Auskopplung mit dem Titel „MITTE“, auch diese von Kat Menschig wunderschön illustriert, geht es um Fritz Thormann, der am Ende versuchen wird, Hanna aus deiner psychiatrischen Anstalt zu befreien. Das Ende der Auskopplung lies noch mehr auf die Fortsetzungen hoffen und warten. Und nun liegt das Ende vor uns. Das Ende der vier? Charlie und Gereon, Fritz und Hanna?
Fritz, der immer wieder an Hanna denkt und nicht weiß, was aus ihr geworden ist, hat in der Familie Ratmann ständig Schwierigkeiten. Der Hauptbannführer zeigt zudem seltsame Neigungen. Als der HJ-Zug des Jungen einen jüdischen Fußballverein überfällt, stellt sich Fritz auf deren Seite. Als bald erst einer und dann ein zweiter Hitlerjunge ermordet wird, gerät Fritz unter Mordverdacht. Er reißt „zu Hause“ aus und der jüdische Torwart hilft ihm, doch aus der Flucht nach Polen wird nichts mehr. Können ihm Charlie oder der eigene Vater, ein Wehrmachtsoffizier, den einst Charlotte Rath fand, retten? Wer hat die Jungs ermordet? Einer fiel von der Invalidensäule…
Was aber soll im Jahre 38 gut laufen? - Die ganze Geschichte verbietet förmlich ein Happy End. Und am Ende geschieht ein Mord aus Rache. Ein Mann in schwarzer Uniform erschießt einen anderen Mann, einen mit weißem Kittel...
Mit Gereon und Charlotte Rath schuf Volker Kutscher ein kriminalistisches Kaleidoskop über knapp zehn Jahre, zu deren Beginn die schlimmste Zeit in Deutschland vorbereitet wurde und an deren Ende keiner mehr weg sehen konnte. Eine überaus spannende, auch polizeihistorische, abgründige, berlinerische und gesellschaftshistorische Geschichte, die ihre filmische Adaption „Babylon Berlin“ bei weitem in den Schatten stellt. Allerdings dürfte die erfolgreiche Fernsehserie sehr zur Verbreitung der Geschichte beigetragen haben.
Das Hörbuch wurde in bewährter Tradition hervorragend von Daniel Nathan gelesen.
Das Hörbuch wurde in bewährter Tradition hervorragend von Daniel Nathan gelesen.
Zur Videorezension:
Der nasse Fisch / Der stumme Tod / Goldstein / Die Akte Vaterland / Märzgefallene / Lunapark / Marlow / Olympia / Moabit / Mitte / Transatlantik
audible / 21 Std. 49 Minuten
Foto Volker Kutscher © Anett Kürten (Verlag)
David Nathan mag ich als Hörbuchsprecher auch sehr gern!
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