Jüdische Emigranten in der Dominikanischen Republik
Hört man sich um unter Kollegen und Freunden, dann erzählen doch einige vom Urlaub in der DomRep. Gekennzeichnet durch Attribute wie "all inclusiv" oder auch mal "Taucherparadies". Da kann ich nicht mitreden, ich war noch nicht dort. Die Dominikanische Republik ist mir besonders aus einer Romantrilogie bekannt. Die stammt von
Wolfgang Schreyer (
wiki), der in der DDR politische Romane schrieb und sich dabei auf Südamerika spezialisiert hatte. In
Der Adjutant,
Der Reporter und der
Der Resident beschrieb er den Untergang des Diktators
Rafael Leónidas Trujillo Molina, der 1961 einem Attentat zum Opfer fiel. Aber dass dieser typisch südamerikanische Diktator einst anbot, jüdischen Flüchtlingen einen "sicheren Hafen" zu geben, las ich zum ersten Mal in diesem Buch:
Fluchtpunkt Karibik.
Kurz, Trujillo wollte seine Bevölkerung "aufhellen", es waren ihm wohl zu viele Schwarze, vor allem Haitianer (Nachfahren der Sklaven französischer Plantagenbesitzer) darunter, und da momentan, also 1938 immer mehr jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich, dem Dritten Reich, aufbrachen um letztlich der Vernichtung zu entgehen, kamen ihm die gerade recht.
[1]
"Während nahezu alle Länder ihre Grenzen gegenüber den Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland verschlossen, sollte ausgerechnet in dem diktatorisch regierten Inselstaat ein landwirtschaftliches Vorzeigeobjekt nach dem Muster jüdischer Kibbuzim entstehen." (Buchrücken)
100.000 Juden wollte man aufnehmen und eine jüdische Hilfsorganisation (Joint)
[2] übernahm Organisation und Finazierung. Bezeichnenderweise war der erste Direktor,
J. Rosen, ein Agrarexperte, der auf der Krim und in der Ukraine (!), also der Sowjetunion, in den zwanziger Jahren jüdische Siedlungen aufbaute. Am Ende aber gab es wohl zwischen 1940 und 1945 nie mehr als 500 Juden in Sosúa, dem Ort, wo das Projekt entstand.
[3]
"In der Geschichte Sosúas [werden] die großen Entwicklungslinien des 20. Jahrhunderts konkret: Die Kapitulation der demokratischen Staaten vor der antijüdischen Politik der Nazis, das Konzept eines an sozialistischen Ideen orientierten Siedlungsprojektes und sein Scheitern und schließlich die Migration als Motor der Modernisierung." [4]
* * *
Bereits im Vorwort und dann im Kapitel "Europas Juden in Not" beschreiben die Autoren die Probleme der jüdischen Emigration aus Deutschland und Österreich, insbesondere ab der Jahre 1938. 130000 Menschen hatten Deutschland bereits verlassen, davon waren 80 % Juden.
[5]. In Jahre 1938 wurde Österreich angeschlossen, die
Reichskristallnacht (9./10. November) leitete eine neue Stufe der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung ein. Erschreckend war die fehlende Bereitschaft der Nachbarstaaten Deutschlands, Flüchtlinge aufzunehmen.
"Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs verschärften fast alle europäischen Zielländer der jüdischen Emigration aus Deutschland ihre Einwanderungsbestimmungen, sowie die Kontrolle ihrer Grenzen, oder sie erließen Einwanderungsverbote...." [6] Genannt werden zum Beispiel die Schweiz, Frankreich, Dänemark, die Niederlande und andere. Erschreckend ist die Aktualität der (europäischen) Bilder, auch wenn heute die Migration in der anderen Richtung verläuft.
Vom 06. bis 15. Juli tagten in
Evian (Schweiz) die Vertreter von 32 Staaten und alle großen jüdischen Verbände, die katholische Kirche und andere. Sie berieten über die Auswanderungsmöglichkeiten und raus kam so gut wie nichts. Man erklärte sein Mitgefühl, aber auch, dass das eigene Land nicht in der Lage wäre, diese aufzunehmen.
[7]. Und kommt dieses dominikanische Angebot, ausgerechnet von einem, der dem Regime in Deutschland durchaus zugetan war und so haben die Autoren Kapitel auch benannt: "Ein Rassist heißt rassisch Verfolgte willkommen"
[8]
* * *
Im Weiteren erzählen die Autoren vom doch sehr beschwerlichen Weg der Siedler, die, zumeist Großstädter und oft dem Bildungsbürgertum angehörend, sich mit der Landwirtschaft schwertaten. Für bestimmte Arbeiten wurden dann Einheimische gewonnen, deren Lohn konnte nicht in die weitere Entwicklung investiert werden.
Rosen wollte neben der
"dauerhaften Unterbringung der Flüchtlinge [den] Aufbau einer wirtschaftlich unabhängigen Gemeinschaft, die mittelfristig sich nicht nur selbst versorgen kann, sondern auch Überschüsse erwirtschaftet." Jedoch funktionierte dieser kooperative Gedanke, ähnlich des
Kibbuz in Israel, so nicht. Die Ursachen waren vielfältig und reichten vom "Trend, körperliche Arbeiten zu vermeiden" bis zu Ansichten einiger Siedler selbst einer "höheren Kulturstufe" anzugehören als die Einheimischen.
[9]
Einen Neubeginn gab es 1944, als
David Stern, der in Palästina solche Projekte geleitet hatte, in der Dominikanischen Republik ankam. Der stellte das Projekt vom Kopf auf die Füße, indem er zum Beispiel die Selbstversorgung von 57 Siedlern, die den Neuaufbau mittrugen mit 30 ha Weideland und 2 ha Anbaufläche ermöglichte. Eine Familie mit 2 Kindern bekam 15 Kühe: 10 die Familie, eine weitere für die Ehefrau und je zwei für die Kinder. Damit ließ sich etwas anfangen.
[10] Erfolge gab es in der Milchverarbeitung, es gab die ersten Hotels mit 200 Feriengästen (1946), später dann eine Sparkasse. Die "Cooperación Sosúa" war für dieInfrastruktur da, Müllabfuhr, Straßenbau, Strom und Wasserversorgung. So ging es immer weiter aufwärts.
[11]
* * *
Noch heute gibt es viele Spuren der jüdischen Siedlungsversuche. Dies zeigt das Bild oben. Rosen und Stern sind Straßennamen gewidmet und auch wenn die Religionsausübung sich meist auf die wichtigsten jüdischen Feiertage beschränkte, gibt es auch heute noch eine Synagoge in Sosúa.
[12]. Im jüdischen Museum ist die Geschichte dokumentiert und 1990 feierten 300 ehemalige Siedler den 50. Jahrestag der DORSA
[13]. Die Spuren werden vom Tourismus überdeckt, aber man findet sie noch.
[14]
* * *
Die Autoren:
Der Kölner Journalist
Hans Ullrich Dillmann (1951) lebt in Deutschland und der Dominikanischen Republik. Als Korrespondent der TAZ für Lateinamerika und der "Jüdischen Allgemeine" für die Karibik weiß er von was er erzählt. (
Webseite) An seiner Seite hatte er die Historikerin
Susanne Heim (1955), deren Arbeitsschwerpunkte auf der nationalsozialistischen Judenverfolgung und der internationalen Flüchtlingspolitik liegen. PD Dr. Susanne Heim arbeitet am
Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg, sowie am
Institut für Zeitgeschichte München.
Sie haben mit diesem Buch etwas "aufgedeckt", was mir bisher völlig unbekannt war, die Emigration von Juden mal nicht in die USA oder Palästina sondern aus einem Land mit einer vorher nicht dagewesenen Diktatur in eine andere Diktatur, die Gründe dafür sind weiter oben angerissen. Die Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen, hier den von den Nationalsozialisten verfolgten Juden, scheint mir im Zuge des heutigen Streits um Flüchtlingsquoten in der EU und insbesondere der extremen Ablehnung der Aufnahme von Muslimen einiger EU-Staaten von einiger Aktualität zu sein.
Mit diesem Buch lässt sich aus der Geschichte lernen. Versuchen sollten dies zum Beispiel diverse Präsidenten und Ministerpräsidenten, aber auch Menschen in unserem Land, deren Fremdenfeindlichkeit zum Himmel schreit.
► DNB /
Ch. Links Verlag / Berlin 2009 / ISBN: 978-3-86153-551-5 / 188 Seiten
© KaratekaDD
Fußnoten
[1] Dillmann / Heim: Fluchtpunkt Karibik, Seite 9
[2] American Jewish Joint Distribution Committee
[3] vgl. Dillmann / Hein, ebenda
[4] siehe Ebenda
[5] Dillmann / Hein: Seite 29
[6] Ebenda, Seite 32
[7] vgl. Ebenda, Seite 38
[8] siehe Ebenda ab Seite 45
[9] vgl. Ebenda ab Seite 94 / 109
[10] vgl. Ebenda, Seite 152 ff
[11] vgl. Ebenda Seite 157 ff
[12] vgl. Ebenda, Seite 109; Kapitel: Jüdisches Leben ohne Rabbi
[13] DominicanRepublic Settlement Assocuation
[14] vgl. Dillmann / Hein, Seite 166 f
Abbildungen:
Bild 1 und 2: Kartenmaterial aus googlemap, siehe Link unter der Abbildungen
Bild 2: Jüdisches Museum und Synagoge / Quelle Internet http://www.sosuanachrichten.com/print.php?id=777 14.10.2015;18:00 Uhr
Webseiten: (19.10.2015; 19:30Uhr)
Er bring ihn zu einer versteckt gelegenen Villa, wo Dorian Kleidung und Essen erhält und Bornheim kennenlernt. Diesem gehört die Villa, und er scheint Jugendliche in Not aufzunehmen und ihnen ein Heim zu geben. Einfach so? Selbst Schulunterricht erhalten die Jugendlichen, und Dorian macht dort die Bekanntschaft von Stella, zu der er sich gleich hingezogen fühlt. Nach anfänglichem Misstrauen beginnt Dorian sich wohlzufühlen, und wäre da nicht die offene Frage nach der Ermordung des Obdachlosen, würde sich Dorian fast unbeschwert fühlen.
Nach einer Zeit der Eingewöhnung wird Dorian an einigen Tagen in der Woche wie die anderen Jugendlichen auch zu einfachen Diensten eingeteilt: sie sollen in der Fußgängerzone Flyer für gute Zwecke verteilen. Keine schwere Aufgabe und nicht sonderlich aufregend - wären da nicht immer wieder Menschen, die plötzlich stehenbleiben und Dorian aufmerksam und interessiert mustern. Und nicht nur das: sie fragen ihn manchmal auch etwas - nach dem toten Obdachlosen oder nach seinem Taschenmesser. Was läuft da nur? Als Dorian um eine andere Aufgabe bittet, weil er diese Begegnungen verstörend findet, muss er versiegelte Werbegeschenke verteilen - doch die Reaktion der Empfänger ist nicht weniger verstörend. Um dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, behält Dorian eines der Päckchen für sich. Ab dem Zeitpunkt beginnt eine gnadenlose Jagd auf ihn...
,,Konnte ja sein, dass Bornheim ganz gezielt obdachlose Jugendliche von der Straße holte. Weil niemand sie vermisste, wenn sie vollends verschwanden. Es war so einfach zu behaupten, sie hätten sich wieder für ihr altes Leben entschlossen. Keiner, wirklich keiner, konnte das nachprüfen."
Dorian als Hauptcharakter ist vielschichtig und authentisch gezeichnet. Seine Gedanken und Gefühle sind zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar, ebenso wie seine Handlungen. Seine Ratlosigkeit entspricht der des Hörers, so dass man sich hier gut identifizieren und mitfiebern kann. Diese Ratlosigkeit ist es auch, die die Spannung über den gesamten Zeitraum aufrecht erhält.
Die übrigen Charaktere sind eher oberflächlich gezeichnet, was in diesem Fall aber nicht stört, weil die Begegnungen auch meist flüchtig bzw. von kurzer Dauer sind. Und oft genug stellt sich heraus, dass das erste Bild einer Person nicht standhalten kann, sondern sich als etwas ganz anderes entpuppt. Überhaupt ist es das Spiel mit Misstrauen und Vertrauen, das U. Poznanski hier bis zur Perfektion ausreizt. Bis zum Schluss ergeben sich hier ungeahnte Wendungen und Überraschungen, die die Verzweiflung Dorians fast spürbar werden lassen und auch den Hörer ratlos machen hinsichtlich dessen, was er nun glauben soll oder nicht. Das anfangs diffuse ungute Gefühl verdichtet sich im Laufe der Geschichte, und die Spannung wächst - bis zum überraschenden Ende.
Ein wenig langatmig empfand ich die Aneinanderreihung ähnlicher Szenen im Mittelteil, auch wenn dies für die Entwicklung der Geschichte sicher notwendig war. Die Technik, mit der dieser Jugendthriller sich auch beschäftigt, entspricht zwar nicht dem heutigen Stand und ist insofern als zukünftig zu bennennen, jedoch erscheint das ganze durchaus im Bereich des Vorstellbaren. Und das ist faszinierend und beängstigend zugleich, was das Unbehagen beim Lesen noch steigert.
Der Sprecher Jens Wawrczeck trägt das Hörbuch gelungen und gekonnt vor, passt auch zur Person des Dorian. Allerdings musste ich mich anfangs trotzdem an den Sprecher gewöhnen, denn die Stimme ist für mich unlösbar mit den Hörbüchern von 'Die drei ???' verbunden, was für mich zunächst irritierend war. Dann aber konnte ich die Stimme zunehmend neutral wahrnehmen und mich auf das eigentliche Geschehen konzentrieren.
Insgesamt hat Poznanski hier in meinen Augen einen spannenden Jugendthriller vorgelegt, der mit der Vielschichtigkeit von Wahrheiten spielt und durch viel psychologische Spannung punktet. Empfehlenswert!
© Parden