"Die Reise geht hoch in den Norden Norwegens, wo eine
Wissenschaftlerin alleine in einer verlassenen Fischerhütte mit ihren
Gedanken und ihrer Vergangenheit konfrontiert wird. Gøhril Gabrielsen
erzählt von einer Frau, die sich in der Einsamkeit selbst zu verlieren
droht und wo die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Wahn immer mehr
verschwimmen... Neugierig geworden?"
Damit lockte der Hörverlag für eine Lese-/Hörrunde bei Lovelybooks, und ich gehörte zu den glücklichen Gewinnerinnen. Eigentlich stimmte hier alles - eigentlich...
Inhalt: (Quelle: Steinbach Sprechende Bücher)
Eine Wissenschaftlerin reist mitten im Winter nach Finnmark, um dort das
Schwinden der Zugvögelpopulation und die Klimaveränderungen zu
untersuchen. Fern jeder Zivilisation findet sie Freiheit und Luft zum
Atmen, nach der sie sich in ihrer gescheiterten Ehe so gesehnt hatte.
Ganz allein, umgeben von endlosem Schnee und tosendem Meer, wartet sie
auf die Ankunft der Vögel. Und auf ihren Geliebten, der mit ihr die
Einsamkeit teilen will. Doch warum verschiebt er seine Ankunft? Woher
kommen die seltsamen Geräusche in ihrer Hütte? Und war es der Wind, der
ihr über den Körper strich, oder ist sie doch nicht allein?
KÜHL UND NÜCHTERN...
Quelle: Pixabay |
Der Klappentext klang für mich ausgesprochen reizvoll - nach
eindrucksvollen Naturschilderungen ebenso wie nach einer letztlich doch
spannenden bis gruseligen Entwicklung. Deshalb freute ich mich sehr, als
ich die Möglichkeit erhielt, die Hörversion des Kurzromans (ungekürzt: 4
Stunden und 46 Minuten) zu hören.
Das vermeintlich kurzweilige Hörvergnügen entpuppte sich dann für
mich jedoch als harte Arbeit. Trotz ausgewiesener Hörbucherfahrung glitt
meine Konzentration hier jedesmal nach wenigen Minuten ab, so dass ich
manche Passgen etliche Male von Neuem hören musste. Die Handlungsarmut
der Erzählung verbunden mit dem zur einsamen Landschaft und der kargen
Handlung stimmigen aber dadurch monotonen Vortrag durch Jutta Seifert
konnten mich leider über weite Strecken überhaupt nicht fesseln.
Erzählt wird aus der Ich-Perspektive der bis zum Schluss namenlosen
Wissenschaftlerin, die ihr Forschungsauftrag abseits jeder Zivilisation
verschlagen hat. Anfangs geht die Autorin dabei durchaus auf die Arbeit
der Wissenschaftlerin ein, was für mich nicht immer leicht
nachzuvollziehen war, später jedoch gleitet sie immer mehr in die
private Gedankenwelt der in die Einsamkeit verschlagenen jungen Frau ab.
Ein Exmann (S.), ihre Tochter (Lina), ein Freund (Jo) und dessen
Tochter (Maria) sowie der Kapitän, der die Wissenschaftlerin alle paar
Wochen mit dem Nötigsten versorgt - darum kreisen im Wesentlichen die
Gedanken der jungen Frau. Dazu beschäftigt sie das Schicksal einer
Familie, die im 18. Jahrhundert in eben dieser Hütte gelebt hat, in der
nun die Wissenschaftlerin ihren Unterschlupf gefunden hat.
Vergangenheit und Gegenwart verweben sich hier ebenso wie Realität
und Einbildung - oder gar Wahn? Kühl und nüchtern, ganz im Stil der
Wissenschaftlerin, berichtet die Ich-Erzählerin von den Geschehnissen
der einsamen Tage in der von Schnee bedeckten Finnmark, den immer
gleichen Abläufen, den wenigen Kontakten zur Außenwelt, ihren
Beobachtungen, seltsamen Geschehnissen, ihren Erinnerungen und den
Einblicken in ihre Seelenwelt.
Manche Passagen schafften beim Hören ein leichtes Gefühl von
Unbehagen, ansonsten wirkte die Erzählung auf mich eher emotionslos.
Unangenehm stießen mir hier die wiederholten expliziten sexuellen
Schilderungen auf. Nicht dass mir nicht klar wäre, dass sich auch in der
größten Einsamkeit gewisse Bedürfnisse nicht unterdrücken lassen, aber
zu der ansonsten leisen Erzähung wären mir hier bloße Andeutungen viel
passender erschienen.
Ein langer Aufenthalt in der Einsamkeit - er kann eine reinigende
Wirkung haben. Oder aber eine fatale. In diesem Fall verliert die
Ich-Erzählerin sich offensichtlich zunehmend selbst, so dass bald nicht
mehr klar ist: was ist Realität und was ist Wahn? Welche Aspekte aus
ihrer eigenen Biografie projeziert die Wissenschaftlerin auf die
vermeintlichen Geschehnisse in der Finnmark in der Vergangenheit? Was
kann der Leser noch glauben?
Das Ende dann: absolut passend. Nämlich offen wie ein Scheunentor.
Nichts genaues weiß man nicht, man kann alles erwarten oder auch nichts -
und wird es niemals erfahren. Das Ende gestaltet sich im Kopf des
Hörers - oder nirgendwo. Unbefriedigend? Klar. Aber in Bezug auf die
gesamte Erzählung doch einfach nur stimmig.
Alles in allem eine Herausforderung, die ich erst nach überraschend
langer Zeit gemeistert habe, die mich kaum berühren konnte und deren
Ende mich ratlos aber letztlich auch achselzuckend zurückließ. Schade.
© Parden
Produktinformation: (Quelle: Amazon.de)
- Audio CD
- Dauer: 4 Stunden und 46 Minuten
- Verlag: Steinbach Sprechende Bücher (Edel); Auflage: 1 (12. August 2019)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung: Hannah Granz
- Sprecher: Jutta Seifert
- ISBN-10: 386974393X
- ISBN-13: 978-3869743936
Informationen zur Autorin: (Quelle: Suhrkamp / Insel)
Gøhril Gabrielsen, geboren 1961, ist eine norwegische Autorin. Sie wuchs
in Finnmark auf, wo auch ihr Roman spielt, und lebt heute in Oslo. Für
ihre bislang fünf Romane wurde sie von Literaturkritik und Publikum
gleichermaßen gefeiert und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet,
darunter dem Aschehoug Debutant Preis 2006. Die Einsamkeit der Seevögel ist ihr erster Roman in deutscher Übersetzung.
"Trotz ausgewiesener Hörbucherfahrung glitt meine Konzentration hier jedesmal nach wenigen Minuten ab, so dass ich manche Passgen etliche Male von Neuem hören musste."
AntwortenLöschenWenn du so etwas schreibst...
Auch in Norwegen ist nicht alles gut, was gedruckt wird...
Vielleicht hätte es mich in der Printversion eher überzeugt...
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