Samstag, 24. Mai 2025

Nürnberger, Ralf: Canaletto - Seine Jahre in Dresden


Es gibt wohl keinen gebürtigen oder langjährig dort wohnenden Dresdner, der nicht von Canaletto gehört hat. Viele dürften auch den sogenannten Canaletto-Blick kennen, von denen es mindestens zwei gibt.

Zu Zeiten des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August III. wurde Bernardo Belotto, genannt Canaletto in die sächsische Residenz gerufen, er sollte Veduten malen, Stadtansichten. Und Canaletto malte.

Veduten, so sagt es die „KI“, sind detailgetreue Darstellungen von Landschaften oder Stadtbildern, die in der Malerei oder Grafik verwendet werden um eine wirklichkeitsgetreue Wiedergabe des topografischen Bildgegenstandes zu erreichen. Der Begriff stammt aus dem Italienischen und bedeutet „Ansicht“ oder „Aussicht“.


Inhalt:   Die erste „Ansicht“ die sich Bernardo Belotto bietet, der nach Vermittlung von Francesco Algarotti gewillt ist in Dresden zu arbeiten, ist eine unfertige Kirche. Der Italiener Gaetano Chiaveri soll sie errichten, allerdings ist er fortwährenden Intrigen ausgesetzt und der „neue“ Italiener kommt ihm gerade recht. Die Wikipedia-Artikel zu Chiaveri ist recht kurz, dafür erzählt Ralf Nürnberger sehr amüsant, dass Belotto seine erste (?) Dresden-Vedute mit eingerüstetem Hofkirchenturm malt, als der noch gar nicht steht. Der gemalte Entwurf wird dafür sorgen, dass die Kirche nicht nur fertiggestellt wird, der Turm wird ein wenig höher als im Entwurf werden. Chiaveri wird, so der Roman, dem venezianischen Maler immer dankbar sein, sie werden Freunde.



Quelle: Wikipedia

Die Künstler, die für den kunstsinnigen und kunstbesessenen August III. arbeiten sollen und arbeiten, kommen an Premierminister Heinrich von Brühl nicht vorbei. Das gilt ebenso für Canaletto, der dann von allem, was er für den Kurfürsten malt, eine Art Kopie „unentgeltlich“ für Brühl herstellen soll...

Jedenfalls findet die kleine Familie eine Reihe von Freunden in der Stadt, darunter den Hofnarren fröhlich und andere. Maria bekommt zu ihrem Sohn Lorenzo weitere Kinder. Belotto möchte gern Landschaften malen, aber dafür, so der königliche Arbeitgeber, gibt es die Maler Johann Alexander Thiele und Christian Wilhelm Ernst Dietrich. Mit denen hat er sich als Staffage auf der Vedute oberhalb der Augustusbrücke abgelichtet. Der jüngere Canaletto, den Namen trug schon sein Onkel, verliert im siebenjährigen Krieg sein Haus und arbeitet danach in München und Wien. Eigentlich soll er nach St. Petersburg, doch er bleibt in Warschau hängen...


Canaletto und die Ansichten von Dresden.   Vierzehn Ansichten von Dresden hängen in der Gemäldegalerie Alte Meister. Diese Ansichten waren von großer Bedeutung für Yadegar Asisi, der eines seiner Panoramen der Stadt Dresden im Jahr 1756 widmete, dem Jahr, in dem der Krieg begann, in dem Preußen und Österreicher enorme Zerstörungen hinterließen. Asisi hat sich an vielen Stellen in der Welt umgesehen, auch wegen solcher Details wie Dachziegeln. Canalettos Ansichten waren in vielen Dingen Grundlage für das Panorama, die Änderungen in der Stadtsilhouette waren schon vor der großen Zerstörung während der anglo-amerikanischen Bombenangriffe im Februar 1945 im Laufe dreier Jahrhunderte sehr umfangreich. Es ist der Blick auf die Hofkirche, die Asisi dazu brachte, vom Dach dieser einen 360o Rundumblick herzustellen. Einen, der die Zeit einfangen soll, die man als erste Dresdner Periode des Malers bezeichnen kann. „Eine ganze Epoche verdichtet sich in einem Gemälde.“ Und so ist das Panorama „eine Synthese aus Architektur und Malerei.“


Im Jahr 1955 kam die erste Auflage von Fritz Löfflers Das alte Dresden heraus. Wenn der Autor bewusst keine Trümmerbilder in das Buch aufnahm, kommt er um das Thema Zerstörung nicht drumrum und zitiert den jungen Goethe, der 1768 von der Frauenkirche über die Trümmerlandschaft sah: „Die Mohrenstraße (Moritzstraße) im Schutt sowie die Kreuzkirche mit ihrem geborstenen Turm drückten sich mir tief ein und stehen noch wie ein dunkler Fleck in meiner Einbildungskraft... Nun lagen die königlichen Schlösser zerstört, die brühlschen Herrlichkeiten vernichtet, und es war vor allem nur ein sehr beschädigtes, herrliches Land übriggeblieben.“

Die Kreuzkirche, die doch gänzlich anders aussah zu Belottos Zeiten; zu den besten Beschreibungen im Roman zählt die zum Wiederaufbau der Kirche, und wie Belotto unter einer camera obscura Skizze um Skizze entwirft.


Das Buch.   Es ist ein buntes Kaleidoskop, welches Nürnberger vor den Leserinnen und Lesern ausbreitet. Hat in den fünfzigern Kurt Arnold Findeisen in seinem Roman Der goldene Reiter und sein Verhängnis von den Goldfasanen des Königs (Pöppelmann, Permoser, Dinglinger und Böttger) spannend und detailreich erzählt, so tut dies Nürnberger nun mit Canaletto einige Jahrzehnte später. Mit diesem Roman bewaffnet, kann man die Gemäldegalerie und anschließend die „Canaletto-Blicke“ aufsuchen. Das ist bestimmt ein Tag-füllendes Programm. Und das Buch ein großer Lesegenuss.

Der Autor.    Für Ansichten dürfte der ehemalige Bühnentechniker und Schauspielregisseur ein Gespür haben. Nürnberger arbeitete als Opernregisseur und als Chefregisseur an der Staatsoperette Dresden. Oft hat er das Bühnenbild zu den Aufführungen erworben. Canaletto ist sein erster Roman. Als Asisi an seinem Dresden Panorama arbeitete, trafen sie zusammen. Belotto bringt „den Geruch der Barockstadt.“ Die Figuren, die Nürnberger ins Heute holte, hat Asisi teilweise im Panorama verewigt.

Den Roman fanden wir im Panorama Dresden, als wir Asisis „Regenwald“ betrachteten.


© Bücherjunge



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