Sonntag, 2. Juni 2024

Fitzek, Sebastian: Achtnacht (Hörbuch)

 

Stellen Sie sich vor, es gäbe eine Todeslotterie. Sie könnten den Namen eines verhassten Menschen in einen Lostopf werfen. In der »AchtNacht«, am 8.8. jeden Jahres, würde aus allen Vorschlägen ein Name gezogen. Der Auserwählte wäre eine AchtNacht lang vogelfrei, geächtet. Jeder in Deutschland dürfte ihn straffrei töten - und würde mit einem Kopfgeld von zehn Millionen Euro belohnt. Das ist kein Gedankenspiel. Sondern bitterer Ernst. Es ist ein massenpsychologisches Experiment, das aus dem Ruder lief. Und Ihr Name wurde gezogen! (Verlagsbeschreibung)

DNB / Lübbe Audio / 2017 / ISBN 978-3-7857-5528-0 / 519 Minuten
 
Sebastian Fitzek bei Litterae Artesque: NoahPassagier 23, Der Insasse


Vor nunmehr fünf Jahren stellte ich hier zuletzt ein Buch von Sebastian Fitzek vor. Nachdem "Der Insasse" mich seinerzeit nicht wirklich überzeugen konnte, gab es erst einmal eine längere Pause, bevor ich es mit einem weiteren Titel des Vielschreibers versuchte. Ob mir "Achtnacht" nun wieder besser gefallen hat? Das könnt Ihr hier nachlesen:












VOGELFREI...



Die Grundidee hinter dem Thriller finde ich durchaus spannend. Eine Lotterie, bei der man im Vorfeld gegen eine Gebühr den Namen einer Person angeben darf, die in der Achtnacht getötet werden soll. Aus all den Namen wird schließlich einer ausgelost, der dann für eine Nacht (am 8.8. um 8 Uhr 8) als vogelfrei gilt und von jedermann gejagt werden kann - bei zugesicherter Straffreiheit. Derjenige, der nachweisen kann, dass er den Gejagten getötet hat, erhält im Anschluss eine Prämie von zehn Millionen Euro. So weit die Idee, die Fitzek nach eigener Auskunft in Anlehung an die Filmreihe "The Purge" entwickelt hat.

Ben ist ein dem Alkohol verfallener Musiker, der aus seiner Band herausgeworfen und von seiner Frau verlassen wurde. Er neigt zudem zu Depressionen seit seine Tochter aufgrund eines durch ihn verursachten Unfalls im Rollstuhl sitzt. Sein Leben dümpelt vor sich hin - bis zu der besagten Achtnacht, als Ben entdeckt, dass ausgerechnet er derjenige ist, auf den das Los gefallen ist. Zeitgleich mit dem Hörer erfährt Ben, was es mit der Achtnacht auf sich hat, und nur zu schnell wird ihm klar: das ist bitterer Ernst! Entgegen der ursprünglichen Ankündigung ist er aber nicht der Einzige, der in dieser Nacht als vogelfrei erklärt wird - die Psychologiestudentin Arezu steht ebenfalls auf der Abschussliste. Beide Kandidaten leben in Berlin - was bei einer deutschlandweiten Lotterie schon einmal Zweifel an der angeblichen Auslosung der Namen aufkommen lässt. Doch weshalb nur sind Ben und Arezu auf dieser Liste gelandet?

Fitzek setzt wie so oft schon auf meist kurze Kapitel und einen unkomplizierten Schreibstil, was normalerweise dafür sorgt, dass man nur so durch das Buch fliegt. Hier habe ich das jedoch nicht so empfunden. Ich fand gerade die erste Hälfte des Thrillers doch reichlich zäh und trotz einiger Ereignisse wenig interessant, so dass ich nach einem Kapitelende eher dazu neigte, wieder eine Pause einzulegen als unbedingt weiterlesen zu wollen. Es gab kaum einmal Szenen, in denen ich mit den Hauptcharakteren mitfieberte, auch wenn es manchmal zweifelhaft schien, dass sie heile aus manchen Situationen herauskommen würden.

Gut gefallen hat mir an diesem Thriller der Aspekt der Massenpsychologie, das Verhalten des jagenden Mobs. Dadurch dass sich dann zusätzlch kriminelle Psychopathen (Klicks um jeden Preis!) einschalteten und die Jagd nach ihren eigenen Spielregeln noch um einiges heftiger gestalteten, gewannen die Ereignisse an Dynamik und Brisanz, und v.a. Ben hatte schließlich nur noch die Möglichkeit, irgendwie zu reagieren, aber kaum noch, eigene Entscheidungen zu treffen. Allerdings - und hiermit beginnt nun meine Kritik - agierten sowohl Ben als auch Arezu zuweilen in einer Weise, die für mich nicht nachvollziehbar oder logisch war, was m.E. wohl dazu dienen sollte, die Spannung aufrecht zu erhalten, mich allerdings nur zum Kopfschütteln animierte.

Neben der über lange Phasen eher vor sich hin plätschernden Handlung mit wenig überraschenden Twists (das änderte sich dann gegen Ende) und einigen wenig vorstellbaren Szenen gab es hier leider noch weitere Punkte, die mir negativ aufstießen. Normalerweise mag ich Perspektivwechsel, weil diese dem Leser oder Hörer ein breiteres Spektrum an Einblicken bieten - hier jedoch empfand ich sie oftmals als störend, so dass der Lesefluss, hatte ich ihn denn einmal erreicht, gleich wieder unterbrochen war und ich wiederum eher zu einer Pause tendierte denn zum dringenden Weiterhören. Zudem wurde hier eine Vielzahl von gesellschaftspolitischen Themen angerissen und grob eingeflochten, was ich in der Summe eher als gewollt denn als gekonnt empfand - egal ob (Cyber-)Mobbing, Fakenews, Klatschpresse, Darknet, Prostitution oder der Umgang mit psychischen Erkrankungen wie Depression, Alkoholismus, Suizidabsicht, Magersucht u.a.m.: puh!

Gegen Ende häuften sich die überraschenden Twists, was ich generell begrüßt habe. Aber - und das ist ein dickes fettes AAAABER: die Auflösung, wer oder was hinter der Idee zur Achtnacht steckte - no way! Ich kann hier leider nichts weiter dazu verraten, weil es allen potenziellen Lesern oder Hörern die Überraschung nehmen würde. Dennoch muss ich leider sagen: Herr Fitzek, Sie haben hier absolut unzureichend recherchiert! Zufällig habe ich mich mit diesem Thema gerade in letzter Zeit gehäuft auseinandergesetzt und weiß einfach, dass das so nicht sein kann, und zwar gleich in zweifacher Hinsicht. Das hat mir den Spaß dann leider endgültig verdorben.

Über den Epilog dann kann man unterschiedlicher Meinung sein, dem einen wird es gefallen, dem anderen zu weichgespült erscheinen, ich bin hier unentschlossen, weil ich immer noch mit der Auflösung hadere. Zumindest führt der Epilog zu keinem weiteren Punktabzug, so dass es letztlich wegen der Grundidee und einiger interessanter/spannender Aspekte bei wackeligen zwei Sternen bleibt. Sehr sehr schade.

Simon Jäger liest die ungekürzte Hörbuchausgabe (8 Stunden und 39 Minuten) gewohnt versiert und angenehm im Tempo. An ihm liegt es jedenfalls nicht, dass ich hier so enttäuscht wurde.


© Parden









Sebastian Fitzek wurde 1971 in Berlin geboren. Nach einem Hörfunk-Volontariat und einem Studium der Rechtswissenschaften, arbeitete der im Urheberrecht promovierte Jurist mehrere Jahre als Chefredakteur und Programmdirektor verschiedener Radiostationen bis er Anfang 2000 damit begann, eine Geschichte aufzuschreiben, die ihm schon seit längerer Zeit im Kopf herumspukte. Heraus kam sein Debüt „Die Therapie“, das trotz einer Kleinstauflage und ohne jegliches Marketing ausschließlich durch Mundpropaganda zu dem Überraschungserfolg des Jahres wurde. Seitdem wuchs die Lesergemeinde von Fitzeks Thrillern stetig und ausnahmslos alle seine Bücher wurden zu Bestsellern... (Quelle: Lübbe Audio)



Simon Jäger, 1972 in Berlin geboren, ist neben seiner Tätigkeit als Synchronsprecher auch Autor und Regisseur. Bekannt ist er unter anderem als deutsche Synchronstimme von Matt Damon (Die Bourne Verschwörung), Heath Ledger (Brokeback Mountain), Josh Hartnett (Pearl Harbour, 40 Tage und 40 Nächte) und River Phoenix (Indiana Jones III). (Quelle: Lübbe Audio)



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