Donnerstag, 6. Juni 2024

Eckl, Christian: Morgen war ein schöner Tag

Morgen war ein schöner Tag sei Verschwörungsthriller, Wirtschaftskrimi und Politsatire“ und außerdem der Auftakt zu einer Reihe. Das schrieb im März Literaturtest in der Angebotsmail und ich nahm das Rezensionsexemplar an. Ein Wende-Krimi, könnte man sagen.

Ein russischer, unschwer zu erkennender Geheimdienstmann ist Ausgangspunkt und die deutsche Bundeskanzlerin ist in die Geschichte verwickelt. Warum ich die Reihe wohl nicht weiter bedienen werde, wird gleich begründet.

Zum Inhalt: Berthold G. beobachtet zuerst den Mord an einem Freund. Beide stehen im Herbst 1989 den Bürgerrechtsgruppen in der DDR nahe. Den Mord beobachtet zusätzlich eine Frau, welche anscheinend die DDR-Verhältnisse und den propagierten Sozialismus befürwortet. Im Weiteren wird  Berthold einen Vierfachmord beobachten, der geschieht während einer Montagsdemo. Dabei kommt ein Politbüromitglied ums Leben, Werner Felfe, welcher tatsächlich schon 1988 starb, war wohl mit der Politik des führenden Gremiums nicht mehr einverstanden. Drei weitere Demonstranten, die den Toten und die Mörder entdecken, werden ebenfalls abgeschlachtet. Beteiligt sind vermutlich Leute zweier "befreundeter" Geheimdienste... Wer gab die Befehle?

Der Mord wird Berthold in die Schuhe geschoben. Ein STASI - Schnellgericht tritt zusammen und das Todesurteil kann nur ein Anwalt abwenden, indem er Bertholds Aufenthalt in der geschlossenen Psychiatrie gegen Schuldanerkenntnis heraushandelt. Auch dieser Anwalt kommt dem halbwegs kundigen Leser sofort bekannt vor. Nach 30 Jahren wird Berthold plötzlich entlassen und einigen Personen ist dies gar nicht recht...

Soweit zur Handlung ohne übermäßig viel davon preisgeben zu wollen...

Die Geschichte: Man kann sich ja vieles vorstellen, was sich Staatssicherheit so alles überlegte, damals im Herbst. Auch kann man sich vorstellen, dass die Kontakte zum „großen Bruder“ KGB plötzlich intensiver wurden, und ebenso, dass ein gewisser Markus Wolf, obwohl pensioniert, nicht untätig blieb. Der spielt in der Geschichte nämlich auch eine Rolle. 

Aber dieser Mehrfachmord, ausgeführt durch vermutlich russische und Stasi-Geheimdienstler, überhaupt die Rolle des "Giftzwerges", welcher den Berthold dann noch selbst unter Gewaltanwendung vernimmt, das ist starker Tobak, möchte ich sagen.

Dass er ein im Herbst 89 noch Schnellurteile wie oben erwähnt inszenieren kann, gehört sicher ins Reich der Legende... Das ist ja schlimmer als der schlimmste James Bond – und der ist wenigstens weniger ernst und weit mehr Action.

* * *

Okay, es gibt sogenannte „Alternativweltromane“, auch wir hier haben zum Beispiel Alles bleibt anders und Walkürenritt gelesen und darüber geschrieben. Hier aber versucht der Autor eine Verschwörungsgeschichte zu erzählen, nach der der Sozialismus in Deutschland gerettet werden soll, wenn zum Beispiel „Kita-Plätze für alle“ eingeführt werden sollen. Ergo, eine Kanzlerin will „Errungenschaften“ sichern.

An dieser Stelle wurde es mir schlicht zu viel, auch wenn der Autor, die Geschichte dahingehend auflösen will, dass der Verschwörungsideengeber seine Meinung im 15. Jahr der deutschen Einheit plötzlich (wiederum erpresserisch) ändert, aber deswegen über die Klinge springen muss. Oder eben Gift eingeflößt bekommt.

Das besagter Berthold dagegen in wenigen Tagen Freiheit irre schnell die Gesellschaft zu durchschauen und mit dem Internet professionell umzugehen lernt, ist dagegen noch völlig harmlos, trotz jahrelanger Psychopharmaka für den inzwischen Sechzigjährigen.

* * *

Fazit: Die Art, in der Berthold die Gesellschaft heute wahrnimmt, kommt bestimmten Verschwörungstheorien ziemlich nahe, wenn bestimmtes Regierungshandeln von verschiedenen Gruppen als Diktatur angesehen wird und Vergleiche mit der DDR ernsthaft gezogen werden. Sei es Energiepolitik, Sozialpolitik, Gesundheitspolitik (Covid 19). Die Beteuerung zu Beginn, dass personelle Vergleiche nicht beabsichtigt seien, erscheint mit diesmal fadenscheinig. Welche Botschaft will der Autor hier vermitteln? Es fällt mir schwer, nur einen Thriller zu sehen, der halt, wie viele andere, überzogen wird. Hat er sich hier was „von der Seele“ geschrieben?



Das Buch kommt im ivr-Verlag heraus und der bezeichnet sich als Industrie-Verlag und Agentur. Christian Eckl ist dort für „Verlagsaufgaben, Mailings und Fundraising, PR, Öffentlichkeitsarbeit, virtuelle Medien und Werbung“ zuständig. Der Verlag erstellt Zeitschriftenkonzepte für „Firmen aller Art“ her... 

Der Roman passt natürlich nicht auf diese Webseite. Christian Eckl bricht unter dem Stichwort Verlag eine Lanze für Rentner und Pflegeheimbewohner im Zusammenhang mit dem Thema Energiekostenzuschuss. Er hat also zwar einen Verschwörungsroman geschrieben, aber ein Verschwörungstheoretiker ist er sicher nicht, obwohl er es im Nachwort für schlüssig hält, dass "unser aller Gegenwart auch Produkt der fiktiven Ereignisse des Romans hätten sein können. Selbst wenn dies definitiv nicht der Fall ist, wäre es schlüssig gewesen." Genau hier kann ich nur entgegnen: NEIN! 

Leider aber wird es wohl einige Leser geben. die dann ausrufen werden: "Genau!" - Denn zustimmen würde ich seiner Aussage, dass die heutigen Verhältnisse in Gesellschaft und Politik von vielen Menschen wie geschildert wahr genommen werden. (Seite 330) Da kann man ja noch froh sein, dass jener Generaloberst, dem einst die Hauptabteilung Aufklärung unterstand, in der Lage war, umzudenken...

Das Ergebnis: Bis zum Schluss durchgehalten, weil es sich ja um ein Rezensionsexemplar handelt, für das ich mich trotzdem bedanken möchte.

Ach ja, diesmal schicke ich dem Autor den Link direkt. 

  • DNB / Bedburg, 2024 / ISBN: 978398942 / 330 Seiten
© Bücherjunge (14.06.24)

1 Kommentar:

  1. Die Reihe würde ich auch nicht weiter verfolgen wollen - nachvollziehbare Kritik!

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