Samstag, 5. Juni 2021

Bennett, Alan: Così fan tutte

Mit allen Finessen der Ironie erzählt Bennett die Geschichte eines englischen Middleclass-Ehepaars, das vom Opernbesuch nach Hause kommt und seine Wohnung vollkommen leer vorfindet. Mit dem Verlust der gediegenen Einrichtung beginnt für sie ein neues, weniger weich gepolstertes Leben.

Mozart spielte in ihrer Ehe eine wichtige Rolle. Sie hatten keine Kinder und ohne Mozart hätten sie sich wahrscheinlich schon vor Jahren getrennt. An jenem Abend waren die Ransomes in »Così fan tutte« gewesen, und als sie nach Hause kamen, war ihre Wohnung vollkommen leergeräumt. Nichts war geblieben, weder der Kronleuchter noch der Teppichboden, nur die Fußleisten. Während Mr. Ransome darauf besteht, am nächsten Morgen im Abendanzug in seine Anwaltskanzlei zu gehen, als sei nichts geschehen, beschließt Mrs. Ransome leicht irritiert, das Beste daraus zu machen und zieht los, um das Nötigste für den Alltag zu erwerben: eine ochsenblutfarbene Schuhcreme für ihren Mann, zwei Tassen und Teebeutel, ein Sieb, Spülmittel und einen Geruchsstein fürs WC. Eine merkwürdige Abenteuerlust und Lebensfreude bemächtigt sich ihrer – und als die komplette Einrichtung eines Tages wieder auftaucht, ist es schon zu spät: Nichts wird mehr so sein wie es einmal war.

 

  • Herausgeber : Wagenbach; Neuauflage. (15. Februar 2009)
  • Sprache : Deutsch
  • Übersetzung : Brigitte Heinrich 
  • Gebundene Ausgabe : 120 Seiten
  • ISBN-10 : 3803112133
  • ISBN-13 : 978-3803112132
  • Originaltitel : The Clothes They Stood Up In

 

 

Laaaang ist's her, dass hier im Blog etwas zu Alan Bennetts wohl bekanntestem Werk: "Die souveräne Leserin" geäußert wurde - fast auf den Tag genau vor acht Jahren... Doch der britische Schriftsteller, Dramatiker, Regisseur, Schauspieler sowie Drehbuchautor hat noch einige andere Bücher verfasst, zu einem davon habe ich jetzt endlich gegriffen.

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 EINBRUCH...

 

Leere Wohnung (Quelle: Pixabay)

Erster Satz: „Bei den Ransomes war eingebrochen worden.“ (S. 5)


So ein Einbruch bedeutet wohl für jeden eine Krise – erst recht, wenn so wie hier nicht ein einziges Teil der Wohnungseinrichtung übrig geblieben ist. Geschockt reagiert auch das konservativ-spießige Ehepaar Ransome, dessen wohlgeordnete und gepflegte Welt nun vollkommen auf den Kopf gestellt ist. Während Maurice Ransome sich als Anwalt in die Verhandlungen mit der Versicherung stürzt, muss Rosemary Ransome als Hausfrau nun versuchen, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen...

Nach 32 Jahren ist das Ehepaar an ihren kleinen Luxus und den ewig gleichen Alltagstrott gewöhnt – und daran, aneinander vorbei zu leben. Durch den Einbruch werden die festgefahrenen Strukturen jedoch aufgebrochen, und zumindest Mrs. Ransome wagt anfangs schüchterne, später selbstbewusstere Blicke über den Tellerrand. Sie kauft nicht nur plötzlich in anderen Läden ein, sondern hinterfragt auch ansonsten die ganzen festgefahrenen Strukturen.

Doch plötzlich finden sich die gestohlenen Sachen wieder. Alle. Und nun?


„Vor (…) der Rückgabe ihrer Sachen war sie davon überzeugt gewesen, daß der Einbruch eine Chance für sie war, und jeder einzelne Tag hatte eine kleine Ernte an Abenteuern mit sich gebracht (…) Nun (…) befürchtete Mrs. Ransome, daß es vorbei sei mit den Abwechslungen; das Leben war zur Normalität zurückgekehrt, doch zu einer Normalität, in der sie sich inzwischen nicht mehr wohl fühlte und mit der sie auch nicht mehr zufrieden war.“ (S. 71 f.)


Alan Bennett präsentiert hier mit teilweise bitterbösem englischen Humor ein kleines Kammerspiel, das es in sich hat. Zwischen Loriot (knochentrocken) und Monty Python (absurd-skurril mit hintersinnigem schwarzen Humor) porträtiert er hier nicht nur ein typsich-englisches spießbürgerliches Ehepaar der Middleclass – zumindest wenn man den Klischees glauben will – sondern hält auch der Gesellschaft einen Spiegel vor. So z.B. wenn Mrs. Ransome plötzlich das Fernsehen für sich entdeckt und in den den Daily Talkshows meint das Leben kennenzulernen. Herrlich trockene Dialoge, vollkommen absurde Situationen und skurril-überzogene Charaktere bestimmen die Erzählung.

Und das Ende? Nun, ein Happy End kann hier wohl niemand erwarten…

Auch wenn das Büchlein schon älter ist (die englische Originalausgabe erschien 1996), ist die Erzählung selbst in meinen Augen zeitlos. Eine nette kleine Lektüre für zwischendurch, auch als Geschenk geeignet – eben für alle Liebhaber des englischen Humors…



© Parden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alan Bennett, 1934 in Leeds geboren, wurde bekannt durch seine TV-Comedy-Revue »Beyond the Fringe«. Er ist einer der populärsten britischen Dramatiker. Neben zahlreichen Theaterstücken und seinen Arbeiten für Fernsehen und Rundfunk schreibt Bennett seit Mitte der neunziger Jahre auch Prosa, unter anderem den Erfolgstitel »Die souveräne Leserin«.

Quelle: Verlag Klaus Wagenbach

 

 

2 Kommentare:

Durch das Kommentieren eines Beitrags auf dieser Seite, werden automatisch über Blogger (Google) personenbezogene Daten, wie E-Mail und IP-Adresse, erhoben. Weitere Informationen findest Du in unserer Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google. Mit dem Abschicken eines Kommentars stimmst Du der Datenschutzerklärung zu.

Um die Übertragung der Daten so gering wie möglich zu halten, ist es möglich, auch anonym zu kommentieren.