Samstag, 17. Mai 2025

von Schirach, Ferdinand: GOTT (Hörspiel)

 

Richard Gärtner, 78, ein körperlich und geistig gesunder Mann, will seit dem Tod seiner Frau nicht mehr weiterleben. Er verlangt nach einem Medikament, das ihn tötet. Ärzte, Juristen, Pfarrer, Ethiker, der Staat und die Gesellschaft zweifeln, ob sie ihm bei seinem Suizid helfen dürfen. Die Ethikkommission diskutiert den Fall. Ferdinand von Schirach verhandelt in seinem Theaterstück das Sterben des Menschen. Und wie schon in seinem ersten Drama »Terror« müssen wir am Ende selbst ein Urteil fällen. Wem gehört unser Leben? Wer entscheidet über unseren Tod? Wer sind wir? Und wer wollen wir sein? (Verlagsbeschreibung)

DNB / der Hörverlag / 2020 / ISBN: 978-3-8445-3782-6 / 119 Minuten

von Schirach bei Litterae Artesque: Jeder Mensch

 

Kurzmeinung: Recht auf den eigenen Tod? Wie weit darf Hilfe greifen? Perfekt recherchiertes Pro und Contra ohne tendenzielle Bewertung, hoch interessant!
 
 
 
 

 

 

 

 

 

DRAHTSEILAKT DER ETHIKKOMMISSION...

 


Nach "Terror" präsentiert Ferdinand von Schirach mit "Gott" das nächste Drama in Form eines Theaterstücks, das sich mit einer schwierigen und komplexen ethischen Fragestellung beschäftigt. Hier geht es um die Ausleuchtung des Themas, wie weit Beihilfe zum Selbstmord gehen darf. Richard Gärtner, der nach einem langen Leben und dem Tod seiner Frau jeden Lebenssinn verloren hat, ist fest entschlossen, seinem Leben ein Ende zu setzen. Er ist nicht sterbenskrank oder von körperlichen Schmerzen zermürbt, er will einfach nicht mehr. Aber er möchte den sicheren Weg gehen und nicht Gefahr laufen, nach einem missglückten Suizidversuch schwerbehindert zu überleben. Deshalb bittet er um eine tödliche Injektion, verabreicht von einem Arzt. 

Darf das sein - und kann ein Arzt dazu verpflichtet werden? Was bedeutet eine positive Entscheidung möglicherweise für die Zukunft - kann man alte Menschen beispielsweise, die der Gesellschaft und ihrer Familie vermeintlich nur noch zur Last fallen, nicht so manipulieren, dass sie sich "freiwillig" für einen Selbstmord mit Beihilfe entscheiden? Gerade in einem Land, in dem "Euthanasie" für bittere Jahre kein Fremdwort war, ein heikles, ein überaus bedenkenswertes Thema. Vor der Kommission des Ethikrats wird hierüber aus juristischer, ethischer und theologischer Sicht diskutiert. Wahrlich ein Drahtseilakt.

Es war hochinteressant, den Argumenten Pro und Contra Beihilfe zum Selbstmord zu lauschen. M.E. wurde hier penibel recherchiert und alles gleichwertig präsentiert. Lediglich die Position des Pfarrers wurde von einem der Teilnehmer der Ethikkommission z.T. deutlich kritisiert - dies aber v.a. vor dem Hintergrund der oft wenig rühmlichen Historie hinsichtlich Haltung und Vorgehen der Kirche in den vergangenen Jahrhunderten. Dies mag die Haltung des Autors widerspiegeln - meine Vermutung -, ansonsten jedoch gab es bei den vorgebrachten Argumenten keine tendenzielle Bewertung.  

Das ist womöglich etwas unbequem, denn es erspart den Hörer:innen das eigene Denken nicht. Ich merkte jedenfalls, dass ich sowohl einige Argumente pro als auch einige contra nachvollziehen konnte, so dass deutlich wurde: es gibt sie nicht, die einfache Entscheidung. Interessant war jedenfalls auch zu erfahren, wie es derzeit um die rechtliche Lage in Deutschland (sowie in anderen Ländern) hinsichtlich der aufgeworfenen Fragestellung bestellt ist. 

Gerade einmal 1 Stunde und 59 Minuten dauert das von verschiedenen Sprecher:innen inszenierte Hörspiel - der sachlich-nüchterne Schreibstil findet sich passenderweise in der Art des Vortrags wieder. Beschäftigt mich weit über das Hören hinaus...


© Parden

 

 

 

 

Der Spiegel nannte Ferdinand von Schirach einen »großartigen Erzähler«, die New York Times einen »außergewöhnlichen Stilisten«, der Independent verglich ihn mit Kafka und Kleist, der Daily Telegraph schrieb, er sei »eine der markantesten Stimmen der europäischen Literatur«. Seine Bücher wurden vielfach verfilmt und zu millionenfach verkauften internationalen Bestsellern. Sie erschienen in mehr als vierzig Ländern. Die Theaterstücke Terror und Gott zählen zu den erfolgreichsten Dramen unserer Zeit, und Essaybände wie Die Würde des Menschen ist antastbar sowie die Gespräche mit Alexander Kluge Die Herzlichkeit der Vernunft und Trotzdem standen monatelang auf den deutschen Bestsellerlisten. Ferdinand von Schirach wurde vielfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet. Er lebt in Berlin. Zuletzt erschienen von ihm u.a. die Erzählsammlung Nachmittage sowie der Theatermonolog Regen. (Quelle: Penguin)
 
 

3 Kommentare:

  1. Das kann von Schirach. Interessant sind dann immer die knurrigen Entgegnungen des ehemaligen Bundesrichters Thomas Fischer. Werde ich mir merken.

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  2. "...kann man alte Menschen beispielsweise, die der Gesellschaft und ihrer Familie womöglich nur noch zur Last fallen, nicht so manipulieren, dass sie sich "freiwillig" für einen Selbstmord mit Beihilfe entscheiden?" - Das macht die Schwierigkeit aus: Fallen sie denn zur Last? Kann, darf man das denken? Und wenn ja, was dann?

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    1. Natürlich darf man das nicht denken. Aber es wird gedacht. Und das ist die Gefahr. Deshalb muss man sehr vorsichtig sein mit dem, was für Folgen eine Entscheidung mit sich bringen könnte.

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