Sonntag, 11. Mai 2025

Pieper, Tim: Die Mündung

 

Kommissarin Lena Funk nimmt sich eine Auszeit auf einer abgeschiedenen Insel. Fernab der Erinnerungen, fernab des Schmerzes. Doch in einer stürmischen Nacht wird in den Dünen ein Toter freigespült. Offenbar brutal ermordet. In seiner Jackentasche findet Lena eine Handvoll Schmuckstücke. Und nicht irgendwelche: Es sind die Trophäen des Gezeitenmörders – jenes Mannes, dem auch ihre Schwester zum Opfer fiel. Endlich gibt es eine Spur, endlich eine Chance auf Gerechtigkeit. Aber je tiefer Lena in den Fall eintaucht, desto gefährlicher wird er. Jemand beobachtet sie. Jemand spielt mit ihr. Und die Wahrheit, die sie enthüllt, ist weitaus grausamer, als sie je befürchtet hatte. (Verlagsbeschreibung)
 
DNB / emons verlag / 2025 / ISBN: 978-3-7408-2172-2 / 384 Seiten
 
 
Kurzmeinung: Leider für mich kein überzeugender Thriller - eine gewöhnungsbedürftige Kommissarin und trotz aller Twists  ein sehr konstruierter Plot...  















VERWIRRUNG HOCH ZEHN...




Häufig gibt es Klappentexte, die zu viel verraten. Diesmal jedoch bereitet er nicht annähernd darauf vor, was einen hier erwartet. Denn glauben kann man hier gar nichts.

Dieser Thriller spielt mit Verwirrungen, mit verschiedenen Handlungs- und Zeitsträngen, mit Gewissheiten, die keine sind, mit einem vordergründigen Fall und einem hintergründigen Thema, das hier nicht verraten werden darf, weil es sonst zu sehr spoilern würde. Und mit Charakteren, die allesamt - hm - zumindest merkwürdig sind.

Angefangen bei Lena, die schwer traumatisiert ist, durch bestimmte Umstände auch sehr unzuverlässig in ihrer Wahrnehmung, psychisch labil, sehr impulsiv und wenig vernunftgesteuert. Lena weiß zwischenzeitlich weder wer sie ist noch ob sie ihren Erinnerungen trauen kann - und der Leser / die Leserin kann nicht auseinanderhalten, was wirklich geschieht und was in Lenas Träumen/Wahnvorstellungen, was auch immer. Damit erscheint die Polizistin eher wie eine tickende Zeitbombe denn wie eine ernstzunehmende Kommissarin. Für mich war die Figur der Lena sehr gewöhnungsbedürftig und leider kaum authentisch, weder als Frau noch als Ermittlerin.

Oder Lenas Schwester Jette, die sehr offensichtlich eine Autismus-Spektrums-Störung aufweist und in sozialen Belangen unbehofen erscheint, dafür hochintelligent ist und wissenschaftlich arbeitet. Sie ist eines der Opfer des Gezeitenmörders, auf dessen Spuren sich Lena setzt, um den Mord an ihrer Schwester aufzuklären und zumindest für Gerechtigkeit zu sorgen. Oder auch Lenas Vorgesetzter, der väterliche Polizeirat, der sich über jegliche Vorschriften hinwegsetzt und die labile Lena wider besseres Wissen und wider alle Regeln in die Ermittlungen involviert.

Überhaupt die Charaktere - sie wirkten auf mich meist eher wie Schachfiguren (in einem zugegebnermaßen bösen Spiel) denn wie ausgefeilte Protagonisten oder Nebencharaktere, oftmals nur grob skizziert und schablonenhaft. Kaum mal jemand, über den man mehr erfährt und von dem ich auch nur ein halbwegs klares Bild vor Augen hatte. Die große Anzahl der Figuren diente natürlich auch dazu, die Verwirrung hoch zu halten, immer mit der Frage, wem man hier trauen kann und wem nicht.

Welcher Wahrnehmung kann man trauen, welcher Erinnerung, welcher Person? Vermeintliche Erkenntnisse zerplatzen immer wieder, nichts ist so wie es scheint. Verwirrung hoch zehn, die auch im Verlauf kaum geringer wird. Für viele Leser:innen wohl ein gelungener Schachzug - für mich aber eindeutig des Guten zu viel. So viele merkwürdige Charaktere, so viele Plottwists - und dazu ein zwar interessantes aber für mich wenig vorstellbares Hintergrundthema, so dass der gesamte Thriller auf mich doch arg konstruiert und kaum glaubhaft wirkte. Die Überführung des Gezeitenmörders erschien für mich nachgerade zweitrangig. Sososo schade!

Trotzdem gibt es von mir immerhin drei Sterne, denn am Ende ziehen Tempo und Spannung noch einmal an, und die Handlung wird durch die Erwähnung von Musiktiteln sowie durch bildhafte Naturbeschreibungen (meist düsterer Art) atmosphärisch passend unterstrichen. Das hat mir gut gefallen.

Alles in allem konnte mich der erste Thriller von Tim Pieper leider nicht so recht überzeugen. Seine Krimis habe ich deutlich lieber gelesen. Aber es gibt ja zahlreiche Fans auch dieses Buches, da wird meine Bewertung nicht groß ins Gewicht fallen. Ich hätte es allerdings gerne lieber gemocht...


© Parden








Tim Pieper, geboren 1970 in Stade, studierte nach einer Weltreise Neuere und Ältere deutsche Literatur und Recht. Mit seiner Familie lebt er im Havelland, nur wenige Kilometer vor den Toren Potsdams.


Tim Pieper bei Litterae Artesque: s. Rezensionslinks


1 Kommentar:

  1. Da gibt es vieles, was ich ähnlich empfand... Allerdings bin ich durch einen anderen Autoren in solchen Dingen "geschult" 😉

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