Samstag, 8. September 2018

Bilkau, Kristine: Eine Liebe, in Gedanken

Diesen neuen Roman von Kristine Bilkau durfte ich im Rahmen einer Leserunde bei Lovelybooks lesen und fand es wie so oft sehr spannend, wie andere Leser die Lektüre empfanden.

Nachdem mich bereits 'Die Glücklichen' sehr beeindrucken konnte, war ich gespannt, ob es mir mit diesem Roman ebenso ergehen würde. Tatsächlich nehme ich hoffentlich nicht zu viel vorweg, wenn ich verrate, dass diesees Buch in jedem Fall zu meinen Jahres-Highlights zählt. Weshalb? Hier könnt Ihr es nachlesen:






 "Eine Liebe, in Gedanken" erzählt von Liebe und Lebenslügen, von den Hoffnungen und Träumen der im Krieg geborenen Generation, vom Gefühl des Aufbruchs und Umbruchs der Sechziger Jahre. Kristine Bilkau hält uns einen Spiegel vor: Wie viel Intensität, Risiko und Schmerz lassen wir zu, wenn es um unsere Gefühle und Beziehungen geht?

Hamburg, 1964. Antonia und Edgar scheinen wie füreinander gemacht. Sie teilen den Traum von einer Zukunft fern von ihrer Herkunft. Im Krieg geboren und mit Härte und Verdrängung aufgewachsen, wollen die Welt kennenlernen, anders leben und lieben als ihre Eltern. Edgar ergreift die Chance, für eine Außenhandelsfirma ein Büro in Hongkong aufzubauen. Toni soll folgen, sobald er Fuß gefasst hat. Nach einem Jahr der Vertröstungen löst Toni die Verlobung. Sie will nicht mehr warten und hoffen, sondern endlich weiterleben.

Tonis und Edgars Leben entwickeln sich auseinander, doch der Trennungsschmerz zieht sich wie ein roter Faden durch beide Biographien. Toni lebt in dem Konflikt zwischen ihren Idealen von Freiheit und Unabhängigkeit und dem Wunsch, sich zu binden, um Edgar zu vergessen. Fünfzig Jahre später, nach dem Tod ihrer Mutter fragt sich Tonis Tochter: War ihre Mutter gescheitert oder lebte sie, wie sie es sich gewünscht hat: selbstbestimmt und frei? Wer war dieser Mann, den sie nie vergessen konnte? Die Tochter will ihm begegnen, ein einziges Mal.


(Klappentext Luchterhand Literaturverlag

  • Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
  • Verlag: Luchterhand Literaturverlag (12. März 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3630875181
  • ISBN-13: 978-3630875187









 DAS FAZIT EINES LEBENS...


Hamburg - Quelle: Pixabay
Unversehens ist ihre Mutter gestorben, und die Tochter - als namenlose Ich-Erzählerin - löst deren Wohnung auf. Doch geschieht dies nicht Knall auf Fall, sondern über Wochen hinweg, ein behutsamer Abschied. Dabei entdeckt die Tochter in einem blauen Koffer ein Bündel Briefe an ihre Mutter, geschrieben vor zig Jahren von Edgar, der großen Liebe von Antonia.

Durch diese Briefe und durch ihre Erinnerungen an Erzähltes nähert sich die Tochter der Vergangenheit ihrer Mutter an. Tief taucht sie ein in das Geschehen in den Jahren 1964 bis 1967 - einer Zeit im Spannungsfeld zwischen den biederen 50ern und der 68er-Bewegung, die so vieles revolutionierte. Der Roman erzählt schwerpunktmäßig von der Begegnung und der Liebe Antonias (Tonis) und Edgars, führt dem Leser dabei fast nebenher jedoch auch den Alltag und die gesellschaftlichen Zwänge dieser Zeit vor Augen. Jemand wie Toni mit ihren Träumen und dem Freiheitsdrang - ist so jemand unter diesen Bedingungen nicht schon von vornherein zum Scheitern verurteilt?

Die Tochter spürt dem vergangenen Leben ihrer Mutter nach, fragt sich, wie diese als junge Frau war, was sie bewegte, wofür sie kämpfte, weshalb diese so intensive Liebe zu Edgar letztlich scheiterte. Doch findet man auf solch einer Spurensuche wirklich alle Antworten?


"Ich hatte versucht, mir vorzustellen, wer sie als junge Frau gewesen war, wer sie geworden war, doch es konnte ja immer nur ein Ausschnitt bleiben, Geschichten, von mir erdacht. Wie nah ich der Frau von damals und der Frau, die sie geworden war, hatte kommen können, das würde ich nie wissen." (S. 250)


Vielleicht ist es meine persönliche Situation, die dazu führte, dass mir dieser zweite Roman Kristine Bilkaus so nah kam. Selbst ein Kind der 60er Jahre könnte ich besagte namenlose Tochter sein, die im Leben ihrer Mutter forscht, die bereits verstorben ist. 'Da meine Mutter aber ein sehr verschlossener Mensch war, wäre es mir niemals möglich (gewesen), so tief in ihr Leben einzutauchen - aber die Frage, ob sie das Leben gelebt hat, von dem sie träumte, beschäftigt(e) mich auch immer wieder. Ich werde die Antwort darauf nicht mehr finden, doch mag ich die Vorstellung, dass es - ähnlich wie hier - möglich wäre.' Dies schrieb ich im Rahmen der Leserunde, und tatsächlich ist es genau so.

Doch ist es natürlich nicht allein das Sujet des Romans, das mich hier ansprach. Der Schreibstil der Autorin hat mich einmal mehr begeistern können - distanziert und doch auf eine ganz eigene Art berührend, melancholisch und doch kraftvoll, leise und doch eindringlich. Mit einigen wenigen Strichen entstanden bildhafte Szenen lebendig vor Augen, stille Bilder voller Aussgekraft, deutlich aber unaufdringlich. Dachte ich anfangs noch, die wenig große Seitenzahl könnte mich durch die Erzählung rauschen lassen, wurde ich rasch eines Besseren belehrt. Hier verlangt jeder Absatz, jedes Kapitel die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Lesers, denn der Text wirkt nach.


"... die Liebe zwischen Toni und Edgar, die von so kurzer Dauer gewesen war und für meine Mutter doch ein Leben lang gehalten hatte. (...) Ich wünschte mir, diese Zeit der beiden von irgendwoher zurückholen zu können und meiner Mutter zurückgeben zu können. Wie ein verloren geglaubtes Schmuckstück, das immer vermisst und nie vergessen worden war. Hier, das habe ich für dich gefunden, es gehört zu dir." (S. 25)


Das Fazit eines Lebens - mit großem Taktgefühl für seine Figuren taucht dieser Roman ein in das Scheitern einer großen Liebe und in ein gelebtes Leben voller Intensität und Treue zu sich selbst. Für mich ein Jahres-Highlight...
© Parden












Der Luchterhand Literaturverlag schreibt über die Autorin:

Kristine Bilkau, 1974 geboren, studierte Geschichte und Amerikanistik. Ihr erster Roman „Die Glücklichen“ fand ein begeistertes Medienecho, wurde mit dem Franz-Tumler-Preis, dem Klaus-Michael-Kühne-Preis und dem Hamburger Förderpreis für Literatur ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

übernommmen vom Luchterhand Literaturverlag

1 Kommentar:

  1. Welche Wirkung Briefe haben können stellten wir vor Jahren fest, als wir Briefe meiner Großeltern und Urgroßeltern nach Argentinien aus den dreißigerm vierziger und fünfziger Jahren lasen.

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