Dienstag, 3. November 2015

Eco, Umberto: Nullnummer

Quelle: wikipedia [B1]
Es ist schon ein seltsames Ding mit diesem Buch. Damit meint der gerade schreibende Blogger den Zeitpunkt, zu dem es einerseits erschien und zu dem er es andererseits erwarb. Warum? Dazu muss er etwas ausholen.

Vor einigen Wochen erzählte ihm jemand etwas vom möglichen "heißen" Abriss der Zwillingstürme des WTC. Unter diesen wie auch unter WTC 7 hätte man zu Baubeginn jeweils eine "Mini-Nuke", also einen kleinen Nuklearsprengsatz installiert, damit man die Gebäude im Falle eines Falles "einfach" abreißen könne. Kann man sich hier anhören und ansehen. Muss man aber nicht. Im September veröffentlichte ein gewisser Ken Jebsen, der einen Internet-TV-Sender namens KenTV betreibt, ein Interview mit Michael Fiedler, der gemeinsam mit Frank Michael Speer den Film Die dunkle Seite der Wikipedia gedreht hat. Kann man ebenfalls dann hier ansehen, wenn man unbedingt will. Was hat das nun alles mit Umberto Eco zu tun? Geduld...

In dem Film über die Wikipedia geht es um Artikelmanipulation, konkret am Beispiel eins schweizerischen Historikers namens Daniele Ganser, den man in die Ecke der Verschwörungstheoretiker stecken will. Keine Ahnung ober der nun einer ist, angeblich hat er nur geäußert, dass man verschiedene Theorien zum Fall  9/11 untersuchen sollte, ohne sich allerdings einer direkt zuzuwenden. Noch ein wenig Geduld bitte...


Quelle: wikipedia [B2]
Jener Ganser promovierte einst über Geheimarmeen, innerhalb der westlichen NATO-Länder, so genannte Stay Behind - Organisationen, und dabei speziell zu Gladio, das ist die italienische Variante, deren Existenz selbst der ehemalige Ministerpräsident Andreotti zugegeben hat. Jetzt kommen wir der Sache etwas näher und der Blogger kommt zu Benito Mussolini, bzw. zu einem Journalisten mit Namen Braggadocio, oder besser zu Umberto Eco und seiner Nullnummer zurück.

Bis jetzt liest sich das Ganze wie eine Nullnummer, und das ist sie ja auch. Die Geschichte, aber nicht gleichermaßen das Buch.


* * *


Damit haben wir schon fast alles zusammen, was Ecos 231 Seiten "dicken" Roman ausmacht. Der wird beschrieben mit:

"Korruption, Intrigen, Verschwörungstheorien - Umberto Eco porträtiert die gute Gesellschaft unserer Gegenwart in einer rasanten Kriminalgeschichte zwischen Wirtschaft, Politik und Presse - ironisch, komisch, provozierend." (Buchrücken - Hanser Verlag

Man will eine Zeitung produzieren. Für einen gewissen Commendatore Vimercate. Das macht ein als Chefredakteur eingesetzter Signore Simei und der heuert einen Typen mit enzyklopädischem Wissen an, einen etwas über 50jährigen Single namens Colonna. Der ist ein ziemlicher Verlierer und Versager, der nur deswegen soviel weiß, weil er mangels Frauen und Familie mehr gelesen hat als andere. So ähnlich jedenfalls beschreibt Eco die Situation seines Haupthelden. (Oops) Und bei dem ist nun eingebrochen wurden aber weg ist nichts. Allerdings: "Die Angst zu sterben belebt die Erinnerung." (Seite 21) Colonna erinnert sich also: Einige Zeit vor dem Einbruch tritt ein Kollegium zusammen aus ziemlich verschrobenen Typen, dazu gehört auch eine Frau namens Maria. Die hat übrigens Rehaugen.  

"Rehaugen? Unsinn, es kam bloß daher, dass wir neben einander gingen und sie mich von unten ansah, weil ich größer bin als sie . Das war alles. Jede Frau, die dich von unten her ansieht, wirkt wie Bambi." (Seite 91) Na das sind ja Erkenntnisse...

Es wäre natürlich sehr seltsam, wenn dies die alleinigen Erkenntnisse eines Umberto Eco wären. In den teilweise wirklich komisch anmutenden Episoden sind die eigentlichen Informationen versteckt, denn die Zeitung DOMANI, was MORGEN bedeutet ist auf Lug und Trug aufgebaut, die NULLNUMMER "weiß" natürlich schon was passiert und das soll auch publiziert werden.

Im Kapitel V rückt Eco mit einem "Grundprinzip des demokratischen Journalismus" raus: die Trennung von Tatsachen und Meinungen.

"Wenn sie zum Beispiel von einer Feuersbrunst oder einem Autounfall berichten, können sie natürlich nicht einfach schreiben, was sie selber davon halten", doziert Colonna. "Also fügen sie in den Artikel, in Anführungszeichen, Aussagen und Erklärungen von Augenzeugen ein, von zufälligen Passanten, von Vertretern der öffentlichen Meinung. Dadurch, dass sie in Anführungszeichen stehen, erhalten diese aussagen und Behauptungen den Charakter von Tatsachen, soll heißen, es ist eine Tatsache, dass der Betreffende seine Meinung geäußert hat. Nun könnte man freilich annehmen, dass der Journalist nur diejenigen zu Wort kommen lässt, die den Vorfall so sehen wie er. Deshalb werden immer zwei verschieden Erklärungen zitiert, die einander widersprechen, damit man sieht, dass es über den Vorfall verschiedene Meinungen gibt, was eben eine Tatsache ist - und diese unwiderlegliche Tatsache wird von der Zeitung berichtet. Der Trick dabei ist, dass zuerst eine banale Meinung in Anführungszeichen gesetzt wird, und dann eine andere, besser begründete, die der des Journalisten sehr ähnlich ist." (Seite 59 / 60)

Welche Meinung bleibt nun haften? Der Leser denke darüber nach und verzeihe dem Blogger dieses lange Zitat in einer wieder einmal zu lang geratenen Rezension, die aber immer noch nicht ganz am Ende angelangt ist.

Eco haut uns viele Dinge um die Ohren, zum Beispiel auch ein interessantes Beispiel über Dementis. Es befindet sich auf den Seiten 64 ff, aber dass muss der Leser unseres Blogs dann schon selber nachschlagen. Eine Zeitung wäre keine Zeitung ohne Horoskope und ähnlichen Zinnober. Oder Todesnachrichten. Und das Klientel ist sehr wichtig, der Ort, die Region wo das Wurstblatt von MORGEN erscheinen soll. Und vieles mehr.

Und dann der Braggadocio. Der forscht über den Verbleib der Leiche Mussolinis und kommt nach seitenlangen (fast schon zu langen) Monologen unter Beachtung von Tatsachen und Gerüchten, über "Gladio" und "Stay Behind" zu einem messerscharfem Schluss, der dem eines gewissen Hermann Willié, mit Apostroph auf dem é, irgendwie ähnelt. Und dann ist gar nichts weg, nach dem Einbruch bei Colonna, der über die Machenschaften beim Zeitungmachen ein Buch machen will. So hat er das mit dem Signore Simei besprochen...

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Man muss, sofern man vom Zeitung machen Ahnung hat, keinen Artikel oder Sachbuch darüber schreiben, man kann das sehr gut in einem Roman verpacken. Dass Umberto Eco solches vermag, war schon vorher klar, kommt einem aber erst durch das Lesen eines solchen Romans in den Sinn.
Es gibt sicherlich plumpe Zeitungen und raffinierte Zeitungen. Jedem fallen bestimmt gleich welche ein, die allermeisten wollen deine Meinung BILDen. Andere wollen bloß abBILDen.  Die wahrhaftigsten Nachrichten sind vermutlich Sportnachrichten. Da wird ja vielleicht der Wettkampf manipuliert, oder die Sportler haben gedopt, aber 1:1 ist 1:1 und 0:0 ist 0:0, was ein Fußballspiel zu einer Nullnummer werden lassen kann.

Eco spielt damit gekonnt, diverser Verschwörungsgeschichten hätte es vielleicht nicht bedurft, im Land der sizilianischen Mafia und der Cosa Nostra, Corleone war aber schon besetzt. Okay, Eco muss sicherlich nicht abkupfern, weder Nachrichten noch Romanstoffe.

Eco hat ein kurzweiliges Buch geschrieben. Dies gilt fast uneingeschränkt, denn die langen Verschwörungsmonologe gingen mir zeitweise auf den Senkel, führten mich allerdings auch nicht in die richtige Richtung.

Wer Umberto Ecos Bücher mag, ist hier richtig, das Ganze kann man auch sehr gut verstehen und am Ende durchschauen, was bei Eco ja manchmal schwer fällt. Solche Bücher sind dann allerdings mindestens doppelt so dick.

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Was ist denn nun eine NULLNUMMER?
"Unter einer Nullnummer oder Dummy [ˈdʌmɪ] (engl. für Attrappe) versteht man die Ausgabe einer Zeitschrift oder Zeitung, die vor der eigentlichen Neueinführung des Mediums erscheint und noch nicht käuflich erworben werden kann. Sie dient der optischen Veranschaulichung und soll helfen, Anzeigenkunden zu werben." (Wikipedia - 01)


Nullnummer Bild siehe Hanser Verlag


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Zu Umberto, den der gerade schreibende Blogger sehr gut kennt, muss  nichts erzählt werden, der hat hier eine eigene Autorenseite.
Der Übersetzer, Burkhart Kroeber, geboren 1940, sei lobend erwähnt.


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Ach so, die Notwendigkeit der langen Vorgeschichte dürfte ja nun jedem Rezipienten dieses rezensiven Machwerkes klar geworden sein, oder?


* * *

DNB / Hanser Verlag / München 2015 / ISBN: 978-3-446-24939-4 / 231 Seiten


© KaratekaDD


Bilder:
[B1] CC BY-SA 3.0; World Trade Center, New York City - aerial view (March 2001).jpg; Hochgeladen von Ubcule; 1.03. 2001
 [B2] unbekannt

Quellen:
[1]  Seite „Nullnummer“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 29. September 2015, 17:32 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Nullnummer&oldid=146527554 (Abgerufen: 8. November 2015, 18:32 UTC)







3 Kommentare:

  1. Meine Geduld wurde belohnt... im Roman, wie in deiner Rezension.

    Keine Nullnummer und kein "dicker" Eco... er konnte es schon immer veknappt und kann es noch. Ich bin fest davon überzeugt, dass es im Leben keine Nullnummern gibt, denn selbst im Fußball wird 1 Punkt draus. So ist auch das journalistische Experiment bemerkenswert und das Feuilleton hat sich ja auch vehement au Eco gestürzt... Nestbeschmutzer usw...

    Tja... man kann es nicht allen recht machen....

    DIE Klientel ist der entscheidende Ausgangspunkt aller Überlegungen. Sie ist die Zielgruppe und je weniger intelligent die Leser sind, desto gefährlicher kann eine NullNUMMER sein.

    Man stelle sich vor, die Presse kapituliert vor allen Whistleblowern, Verschwörungstheoretikern und den Kunden und stellt sich ein... dann wären soziale Medien der Umschlagplatz für Nachrichten, Gerüchte und Lügen...

    Ich geh mir schnell eine Zeitung kaufen....

    Raily

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    1. Danke für den Kommentar, Arndt.
      Ich finde, es gibt durchaus Nullnummern. Weniger im Leben, da gibt es auch schon mal die -1, aber bei diversen Printwerken schon. Man stelle sich des Morgens in einen Zeitungsshop nähe einer Straßenbahnhaltestelle und schaue, wer da welche Zeitung kauft. Sehr interessant. Schlipsträger, Arbeitshosenträger, Kittelschürzenträgerinnen....

      Der Roman zeigt, dass mit Nullnummern Nullnummern erarbeitet werden...

      Die Wirkung von Presse kann man ja aktuell gut beobachten. Von Lügenpresse ist es bis zur behaupteten Gleichschaltung nur noch ein kurzer Schritt. Möge die Presse besonders vor diesen Kunden nicht einknicken. Für Gerüchte und Lügen scheint das Internet mit den Social Networks besonders prädestiniert zu sein.

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