Montag, 11. Mai 2015

Dazieri, Sandrone: In der Finsternis



Dante Torre besitzt eine besondere Gabe. Er kann Menschen lesen. Aber er hat teuer dafür bezahlt. Elf Jahre war er eingesperrt in ein Betonverlies und darauf angewiesen, die kleinste Regung seines Entführers zu deuten. Als Jahre nach seiner Befreiung ein kleiner Junge verschwindet, weiß Dante Torre, dass der Mann, den er Vater nennen musste, dahintersteckt. Doch der Vater gilt längst als tot. Nur Colomba Caselli glaubt Dante. Sie ist jung, gerade vom Dienst suspendiert und hat nichts zu verlieren bei dieser Ermittlung fern von allen Regeln...


  • Gebundene Ausgabe: 560 Seiten
  • Verlag: Piper (9. März 2015)
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzung: Claudia Franz
  • ISBN-10: 3492056881
  • ISBN-13: 978-3492056885
  • Originaltitel: Uccidi il padre















EINGESPERRT...


Ermittlungen in Rom und Umgebung...



Colomba Caselli ist nach einem schrecklichen Erlebnis vom Polizeidienst suspendiert und kämpft darum, psychisch wieder in die Normalität zurückzufinden. Sehr erstaunt ist sie daher, als sie von ihrem Vorgesetzten gebeten wird, trotz dieser Umstände bei einem Fall behilflich zu sein. Ein Kind ist verschwunden, und Colomba begreift zunächst überhaupt nicht, weshalb ausgerechnet sie an den Ermittlungen beteiligt sein soll.
Ein noch weniger gutes Gefühl hat sie allerdings, als sie erfährt, dass auch Dante Torre mit hinzugezogen werden soll. Dante Torre, der schon mehrfach bei kniffligen Fällen als Ratgeber gute Dienste geleistet hat, der aber psychisch noch viel labiler ist als Colomba selbst.

Obwohl die offiziell ermittelnde Polizei und Staatsanwaltschaft davon ausgehen, dass der verschwundene Junge von seinem leiblichen Vater ermordet wurde, mehren sich doch die Anzeichen, dass etwas ganz anderes dahinter stecken könnte. Dante Torre ist sich sicher, dass der gleiche Täter, der seinerzeit ihn als Kind entführt und elf lange Jahre festgehalten hatte, nun auch wieder zugeschlagen hat. Doch 'der Vater', wie Dante ihn seinerzeit nennen musste, gilt seit Dantes Befreiung als tot.
Colomba Caselli beginnt trotz anfänglicher Zweifel, Dante zu glauben - und ein verzweifelter Versuch beginnt, den verschwundenen Jungen zu retten. Oder geht es dabei um noch viel mehr?


Abgesehen einmal davon, dass die vielen italienischen Namen und Rangbezeichnungen, die anfangs auf mich einprasselten, mich schon sehr verwirrten, ist der Thriller unglaublich komplex angelegt. Einerseits trägt das zur geschichtenlangen Irreführung des Lesers bei, da sich alles ständig in eine andere Richtung entwickelt, als es den Anschein hat und man nie wirklich sicher sein kann, wer 'gut' und wer 'böse' ist, andererseits finde ich den Thriller im Nachhinein doch etwas mit Themen überfrachtet. Daraus hätte man meines Erachtens durchaus zwei eigenständige Thriller machen können.
Neben der immensen Komplexität der Geschichte mit ihren zahlreichen Nebensträngen ist es vor allem die Langatmigkeit etlicher Passagen, die mich den Thriller nicht so gut bewerten lassen. Beispielsweise wird an einer Stelle seitenlang drehbuchartig bei einer Explosion explizit auf jeden Betroffenen eingegangen (es handelte sich um ein voll besetztes Restaurant!), und zwar mit Namen, Beruf, was er oder sie in dem Restaurant wollte und schließlich detailliert, was die Bombe bei ihm oder ihr jeweils anrichtete. Da war ich ehrlich gesagt kurz davor, das Buch endgültig zu schließen. Abgesehen von diesen Stellen gab es aber auch Passagen, die sehr flüssig  und angenehm zu lesen waren.

Was mir an dem Thriller vor allem gefallen hat, sind die beiden Hauptcharaktere Colomba und Dante. Auch in anderen Thrillern habe ich schon von fertigen Ermittlern gelesen, aber das hier übertrifft wirklich fast alles. Beide haben mit einem schweren Trauma zu kämpfen, wobei man bei Colomba erst spät erfährt, was bei ihr eigentlich wirklich geschehen ist. Das führt jedenfalls zu allerlei kuriosen Verhaltensweisen, die teilweise durchaus auch Situationskomik in die Handlung bringen - neben all der Tragik, die man dabei durchaus auch erfasst.
Dabei entwickelte sich bei mir im Laufe der Handlung durchaus auch Sympathie sowohl für den mackenbehafteten, kaffee-, nikotin- und medikamentensüchtigen Dante als auch für die etwas sprödere Colomba, die auch dann noch versucht taff zu bleiben, wenn ihr die Luft wegbleibt und selbst wenn ihr plötzlich die ganze Polizei Italiens auf den Fersen zu sein scheint...

Für mich insgesamt ein zu komplex gestrickter, zu gewollter, zu themenintensiver Thriller mit geduldstrapazierenden langatmigen Phasen, der aber durch seine kaputten Hauptcharaktere besticht und dem eine hochspannende Idee zugrunde liegt. Ich schließe mich den begeisterten Stimmen vieler Leser also leider nicht vorbehaltlos an.


© Parden












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Quelle Bild
Sandrone Dazieri, geboren 1964 in Cremona, ist gelernter Koch und einer der wichtigsten Drehbuchschreiber für italienische Kriminalfilme. Er arbeitete als Programmmacher und Lektor für Kriminalromane im größten Verlagshaus Italiens und verfasste unter anderem Romane und Kinderbücher. Er blickt auf eine Karriere als Hausbesetzer und Umweltschützer zurück, setzt sich für Ärzte ohne Grenzen ein und lebt heute in Mailand. Quelle Text



1 Kommentar:

  1. Das ist schon seltsam und irgendwie "modernes" Konzept: "kaputte Hauptcharaktere"...
    ... italienische Dienstränge sind undurchsichtig? Wem sagst du das... ;)

    Oder lies Donna Leon ;)

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