Montag, 12. Januar 2015

Scheuer, Norbert: Flussabwärts


Kall, ein Ort in der Eifel. Leos Eltern sind arm. Sein Vater malocht auf Baustellen, und er selbst bricht die Schule ab, um in einem Zementwerk zu arbeiten. Kaum merklich entwächst er der Kindheit und verbringt bald ebenso viel Zeit auf dem Bolzplatz wie hinter den Müllcontainern, in den Armen einer älteren Frau. Die Gefühle, die Leo für sie hegt, verblassen neben seiner rätselhaften Nähe zu Lia, einem Mädchen aus der Nachbarschaft. Während Lia von einer kaputten Beziehung in die nächste gerät, träumt Leo vom Erfolg. Bis an einem Wintertag ein Unglück geschieht und Lias Hut flussabwärts treibt.


  • Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
  • Verlag: C.H. Beck Verlag; Auflage: 1. Aufl. (August 2002)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3406493122
  • ISBN-13: 978-3406493126













 EIFELER MELANCHOLIE...


Postkarte aus Call

Leos Eltern haben eine Wirtschaft in Kall in der Eifel betrieben, die sich nicht rechnete. Um die Schulden zu bezahlen, arbeitet die Mutter jetzt in einer Kantine am Ort und kellnert im Gasthaus, das ihnen einmal gehörte. Der Vater ist auf Montage. Leo hat die Schule verlassen und arbeitet als Hilfsarbeiter im Zementwerk, er hat ein Verhältnis mit Ingrid, die verheiratet ist und ihn hinter den Müllcontainern liebt. Leo ist ständig müde.
Er sieht Lia, die früher in der Wirtschaft der Mutter half. Lia, die er liebt, die mit einem Verkäufer wegging und sich ein Kind machen ließ. Er sieht, wie sie mit der kleinen Clara zurückkommt und Hilbert heiratet, wie diese Ehe scheitert und Lia andere Männer hat, Clara eines Tages etwas zustößt und Lias Hut im Fluss treibt, neben dem die Jungs Fußball spielen.


Ein Roman über ganz normale Leute in der Provinz, er spielt in Kall, einem kleinen Ort in der Eifel.  Im Mittelpunkt der heranwachsende Leo, der die Schule geschmissen hat und nun im Zementwerk arbeitet und sein Abitur im Abendgymnasium nachholt; seine Mutter Sanny, die sich mit einer stressigen Familie und Gelegenheitsjobs durchschlagen muss; und Lia, Mutter mit Kind und wechselnden Partnern - alle drei voller Lebenssehnsucht und doch ständig mit Hindernissen konfrontiert, die nicht einfach zu bewältigen sind. Scheiternde Liebe, Unglück, Tod - kann man da das Leben lieb behalten?


"Ich dachte an Alfons, daß er jetzt in seinem Flugzeug saß und die Welt für ihn gar nicht existierte, es waren nur blinkende Lichter in einer Leere, in der man sich lange aufhalten konnte, eine Leere ohne etwas, das Schmerz zufügt, alles war weit entfernt und viel zu klein und bedeutungslos, um wahrgenommen zu werden. Ich beneidete meinen Bruder darum, so weit weg zu sein." (S. 53)


In Rückblenden und in kurzen Kapiteln wird die Geschichte dieser Menschen erzählt, wobei Landschafts- Orts- und Raumbeschreibungen, Wetter- und Lichtverhältnisse die Atmosphäre unglaublich verdichten. Nobert Scheuer ist ein Autor großer Gefühle, aber er rückt dem Leser nicht aufdringlich auf den Pelz. Er erzählt knapp, lakonisch, ohne Pathos, was die emotionale Wirkung noch verstärkt. Er ist ein melancholischer, aber kein sentimentaler Erzähler. Und er hat den wunderbaren Blick für Details, der einen guten Romancier auszeichnet.

Nach 'Peehs Liebe', das mich vor einiger Zeit so begeistert hat, konnte mich auch dieser Roman von Norbert Scheuer überzeugen. Ich bin mir sicher: es wird nicht mein letztes Buch dieses Autors gewesen sein!


© Parden












Norbert Scheuer
 Hier geht es zur Biographie von Norbert Scheuer...










Bibliographie



Der Steinesammler
Schöffling
Frankfurt a. M., 1999


Flußabwärts
C. H. Beck
München, 2002


Kall, Eifel C. H. Beck
München, 2005


Überm Rauschen
C. H. Beck
München, 2009


Peehs Liebe
C. H.Beck
München, 2012

2 Kommentare:

  1. Ich finde es interessant, durch Deine Rezension einen Blick auf einen frühen Scheuer zu erhalten. Vor einigen Jahren habe ich "Überm Rauschen" gelesen. Einiges was mir von diesem Roman in Erinnerung blieb, der Fatalismus der Figuren und ihr Versuch sich dagegen aufzulehnen, scheint sich auch in "Flußabwärts" zu finden. Das fand ich sehr nachvollziehbar geschildert.
    Auch die Ortsbeschreibungen habe mich wieder in diese Region hinein versetzt, die ich aus meiner Kindheit und Jugend kenne.

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    1. 'Überm Rauschen' werde ich hoffentlich auch noch lesen. Schön, Deinen Kommentar hier zu finden! :)

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