Samstag, 28. Juni 2014

Sally Perel - Lebendige Geschichte


Sally Perel


Was macht eigentlich eine Lesung aus? Bisher habe ich an einigen teilgenommen, und alle liefen ähnlich ab. Ein Tisch und ein Stuhl auf einer Empore, davor ein Mikrophon, der Autor.
Dieser kam entweder mit einem Stapel beschriebener Blätter an oder aber mit dem Buch, aus dem er lesen wollte. Ein wenig wurde frei erzählt, um die Stimmung aufzulockern, dann wurde vorgelesen, kapitel- oder abschnittsweise. Später dann die Möglichkeit, sich eines der Bücher des Autors zu kaufen und/oder signieren zu lassen.

 


Meine letzte Lesung war - anders. Ja, auch hier gab es das Buch des Autors zu kaufen, und ja, auch hier standen Tisch, Stuhl und Mikrophon auf einer kleinen Bühne.
Doch der Autor las nicht eine Zeile. Sondern er erzählte. Erzählte aus seinem Leben. Vor allem aus seiner Jugendzeit, die in die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland fiel. Und der Autor war Jude. Sein Name: Salomon Perel, genannt Sally Perel...

 
Sally Perel bei der Lesung



Um die unweigerliche Schlange nach der Lesung am Bücherstand zu umgehen, hatte ich mir bereits vor der Lesung das Buch von Perel gekauft. Und als der Autor nun zu erzählen begann, nahm er seine Zuhörerschaft vollkommen in den Bann.
Die Art des Erzählens verbunden mit den ungeheuerlichen Geschehnissen, die uns da zu Ohren kamen, verschlugen uns so manches Mal den Atem. Natürlich hat man bereits vieles gehört von den Gräueltaten im Dritten Reich, aber so nahegebracht wie von Sally Perel, der ja alles hautnah miterlebt hat (wenn auch anders als die meisten seiner jüdischen Mitbürger), ist es etwas ganz anderes.

 


►Zur Buchrezension
Es war derart beeindruckend, dass ich das Gefühl hatte, möglichst keine Zeile des Gesagten in Vergessenheit geraten lassen zu dürfen. Und so tat ich etwas für mich Unglaubliches.
Da ich nicht wusste, ob das Erzählte so auch in dem Buch wiederzufinden war, kramte ich einen Druckbleistift aus meiner Tasche und begann auf den leeren Vorderseiten des Buches mitzuschreiben. Von dem Doppelleben und der zerrissenen Seele. Davon, dass Perel lange Zeit davor zurückscheute, seine Geschichte zu erzählen, weil er nicht wusste, wie sie aufgenommen würde. Von seiner Erkenntnis, dass Verdrängen die Verlängerung des Exils bedeutet, Erlösung aber Erinnern heißt. Von seiner Mutter, deren letzte Worte an ihn waren: "Du sollst leben" - und er sich in all der Zeit der Bedrohung an diese Worte klammerte. Und die Verknüpfungen zu der heutigen Zeit, in der der braune Sumpf längst noch nicht ausgerottet ist.

 



Auch wenn Perel seine Geschichte sicher schon tausende Male erzählt hat - er führt regelmäßig Lesungen in Deutschland durch, auch und v.a. für Schulklassen - und er meist recht sachlich berichtete, war es für uns Zuhörer oft sehr berührend, beklemmend und ergreifend. Zwischendrin hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
Und in dem Bewusstsein, dass Perel einer der letzten Zeitzeugen dieser Geschehnisse ist - er ist Jahrgang 1925 - und aus dem Gefühl heraus, diesen Mann stellvertretend für Tausende seiner Generation würdigen zu wollen, stellte ich mich erstmals in meinem Leben nach der Lesung zum Signieren des Buches an.

 

 
Sally Parel signiert sein Buch



Als ich an der Reihe war, ergriff er zunächst unbeteiligt das Buch, schaute dann aber auf, als er die handbeschriebenen Seiten sah und lächelte fragend. "Gegen das Vergessen", war alles, was ich herausbrachte...
Und doch fand er noch einen Platz in dem Buch für seine Widmung: "Für Anne - Schalom"
.















 Die Schaubude in Peine, Gespräch mit Salomon Perel


 Ich war Hitlerjunge Salomon - Sally Perel im Interview









Sally Perel (* 21. April 1925 in Peine, eigentlich Salomon Perel, auch bekannt unter den Namen Shlomo Perel oder Solomon Perel, während der NS-Diktatur Josef Perjell oder auch Josef Peters) ist ein israelischer Autor deutscher Herkunft. Als Mitglied der Hitlerjugend war es ihm gelungen, seine jüdische Identität zu verbergen und den Nationalsozialismus zu überleben. Seine Autobiografie Ich war Hitlerjunge Salomon wurde 1990 unter dem Titel Hitlerjunge Salomon verfilmt.    >QUELLE



3 Kommentare:

  1. Es werden wirklich immer weniger Zeitzeugen, daher müssen wir uns so viel wie möglich erzählen lassen, damit wir es weitergeben können.

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  2. Sally Perel war auch damals bei uns in der Schule und hielt eine Lesung. Bereits einige Jahre zuvor hatte ich den Film gesehen. Umso unglaublicher war es für mich, dass er an unsere Schule kommen sollte.
    Es war einfach toll und berührend und ich bin dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Ich habe auch einen signierten Roman zu Hause stehen und werde ihn hüten wie meinen Augapfel. Schade, dass es immer weniger Zeitzeugen gibt.

    Liebe Grüße,

    http://lesenundgrossetaten.blogspot.de/

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    1. Gerade den Schulen und damit den jungen Menschen hat Sally Perel sich wohl verschrieben. Dort hält er die meisten seiner Lesungen. Ein bewundernswerter Einsatz!

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