Sonntag, 17. November 2013

Vonnegut, Kurt: Schlachthof 5 ...


Schlachthof 5
... oder der Kinderkreuzzug
Meine Rezension zu Kurt Vonneguts autobiografischen Roman
zuerst veröffentlicht unter buchgesichter.de am 01.04.2012


Ein Freund fragte mich vor einigen Wochen leicht ungläubig: Du kennst das Buch ► "Slaughterhouse Five" nicht? Das Buch in dem ein US-Amerikaner auf eigentümliche Weise seine Eindrücke vom Untergang Dresdens verarbeitete?


► Kurt VONNEGUT (1922 - 2007) stammt aus einer Familie, die aus Westfalen in die USA einwanderte. Nach der Highschool meldete er sich 1943 zur US-Army. Im Jahr 1944 wurde er als Späher eingesetzt und kam im Dezember 1944 in deutsche Kriegsgefangenschaft. Die Gruppe wurde bis nach Dresden transportiert und dort erlebte er den 13. Februar. Diese Erlebnisse führten zu einer erbitterten Kriegsgegnerschaft, insbesondere in seinen letzten Lebensjahren in Bezug auf die Politik vom Präsident Bush (wiki)

* * *

Im vorliegendem Buch beschreibt er in der Person des wohl etwas schizophrenen Billy Pilgrim, der so gar nicht zum Soldaten taugt und doch nach Europa muss, seine eigene Kriegsgeschichte. Billy wird ebenfalls gefangen genommen und muss die Bombardierung Dresdens miterleben und auch, wie ein Kamerad wegen eines Teekessels als Plünderer erschossen wird. Die Geschichte Billys, der später ein erfolgreicher Optiker wird und in verschiedenen Welten lebt ist Gegenstand des Buches und Rahmenhandlung zugleich.
Seine ungewöhnliche Zeitreise, die mitunter auf den Planeten Tralfamadore führt, ist eine Reise die die Zerstörung des Menschen durch den Menschen erzählt. Die Zeitreise könnte auch Ergebnis einer posttraumatischen Belastungsstörung sein.

Dabei spielt das Gelassenheitsgebet eine Rolle:
"Gott gebe mit die Gemütsruhe, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, den Unterschied zu erkennen". Seine Vergangenheit, seine Gegenwart und seine Zukunft kann er nicht ändern.

VONNEGUT beschreibt ziemlich ausführlich, wie es dazu kam, dass er dieses Buch schrieb und vor allem, wie schwer es ihm gefallen ist. Unter anderem erzählt er, dass er in den sechziger Jahren deswegen auch die DDR besuchte. So wird seine eigene Geschichte wie auch die Billys gleichsam zur Rahmenhandlung. Eine Reihe von literarischen Kunstgriffe geben dem Buch seine Charakteristik. So schließt der Autor Episoden, die vom Tod und vom Sterben handeln mit dem Satz SO GEHT DAS ab. Auch der spezifischen Aspekten der Literaturwissenschaften nicht kundige Leser merkt: Das ist wohl welche. Literatur meine ich. 

Vonnegut hat das zerstörte Dresden mit einer Mondoberfläche verglichen. dieser Vergleich entstammt dem Buch DIE ZERSTÖRUNG DRESDENS von Holocaustleugner ► David IRVING. Der ist umstritten, so sprach er von 135.000 Toten. Heute spricht man von maximal ► 25.000 Toten. Schlimm genug.
Dass derartige Flächenbombardements gegen die Zivilbevölkerung durchaus mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen (Hiroshima / Nagasaki) gleichgesetzt werden können zeigt er durch Zitate der Befürwortung des Bombardements (Truman, Luftmarschall Saundby). Allerdings stimmt der Schluss im Zusammenhang mit den blanken Zahlen über Todesopfer wegen IRVINGS Verfälschungen nicht mehr so ganz. Gleichzeitig ist dies ein Beispiel für VONNEGUT´s Anti-Krieghaltung.

* * *
Welche Wirkung der Roman in den USA hatte, zeigen folgende Zeilen:

"Wegen seiner realistischen und wiederholten Beschreibung fluchender amerikanischer Soldaten und bestimmter deutlicher sexueller Inhalte gehörte »Schlachthof 5« zu den meist verbotenen Werken der US-amerikanischen Literatur und wurde häufig aus Schulen, Bibliotheken und Lehrplänen verbannt. Vonneguts Bücher wurden vom Obersten Gericht der Vereinigten Staaten überprüft, wo seine Werke Gegenstand in Sachen Island Trees School District v. Pico 457 US 853 (1982) waren.
Vor allem fand zum Erscheinungszeitpunkt eine Szene, in der die Kreuzigung Christi dargestellt wird, viel Kritik von amerikanischen Kirchenverbänden."
 (wiki)

Es ist ein schwieriges Buch. "Das Buch ist voll von Anekdoten und Geschichten, die von der Absurdität des Daseins berichten und von den Grausamkeiten, die die Menschen einander fortgesetzt zufügen. Es ist ein Buch gegen die Unmenschlichkeit." (Hans SAHL in DIE WELT DER LITERATUR) 

Die Times schrieb einmal: "Kurt Vonnegut ist George Orwell, Dr. Caligari und Flash Gordon in einer Person."

Und der voll ausgeschriebene Titel lautet: 

SCHLACHTHOF 5 
oder 
Der Kinderkreuzzug 
von Kurt Vonnegut jr. 
einem Deutsch-Amerikaner, der vierten Generation, der jetzt in angenehmen Verhältnissen in Cape Cod lebt (und zuviel raucht), der vor langer Zeit als Angehöriger eines Infanterie-Spähtrupps kampfunfähig als Kriegsgefangener Zeuge des Luftangriffs mit Brandbomben auf Dresden, 'dem Elb-Florenz', war und ihn überlebte um die Geschichte zu erzählen. Dies ist ein Roman, ein wenig in der telegraphisch-schizophrenen Art von Geschichten von dem Planeten Tralfamadore, von wo die Fliegenden Untertassen herkommen. Friede.

* * *

Es war ein sehr ernstes Buch, dessen Lektüre nicht einfach war. Das es verfilmt wurde war mir bisher nicht geläufig. Als Hörbuch kann ich es mir auch nicht so recht vorstellen. In den letzten Jahren und vor allem nach der Fertigstellung der Frauenkirche, mit der Übergabe des neuen Turmkreuzes durch englische Bomberpiloten, trat etwas Versöhnung ein, die wohl etwas mehr wirklich eine war als die Versuche bisher.

Die Diskussion über die Menge der Todesopfer wird wohl nie so ganz aufhören und es wird wohl auch gelegentlich weiter behauptet werden, dass englische Flugzeuge mit Bordkanonen die Elbufer mit den aus den Brandherden flüchtenden Personen bestrichen haben.

Ganz persönlich meine ich: Selbst wenn es das gab, weil ein Aufklärer zwischen den beiden Hauptangriffen im Tiefflug im Elbtal flog, trotz rauchverhangener Innenstadt und weiter loderndem Feuersturm, dann zeigt das die Wut des Krieges in einem sinnlosen Bombardement. Und diese Wut zeigt auf das, was das Dritte Reich in der Welt begangen hatte: Den Beginn eines Krieges mit der größten Opferzahl der Menschheitsgeschichte und vor allem unter der Zivilbevölkerung.

Möge Kurt Vonnegut in Teilen auf Material zurück gegriffen haben, welches vielleicht nicht nur fragwürdig sondern auch nachgewiesener Maßen falsch ist, dann ändert das nichts an einem erschütternden Anti-Kriegsbuch mit den Schilderungen eines Augenzeugen. 


Das mögen sich die, welche im Februar wieder demonstrieren wollen und dazu den Begriff des "Bombenholocaust" erfanden, endlich mal vor Augen halten. Und auch die Versöhnung der Soldaten, die sich vor Jahrzehnten auf das Bitterste bekämpften, bekämpfen mussten. 

 Als Dresdner sehe ich die Übergabe des von einem Londoner Kunstschmied und Sohn eines ehemaligen Bomberpiloten geschmiedeten neuen goldenen ► Turmkreuzes als einen gewissen Abschlussakt an. Nicht gegen das Vergessen, sondern gegen die Aufrechnung von Opfern in den sechs Jahren eines unmenschlichen Krieges, gepaart mit Terror gegen die Zivilbevölkerung ausgelöst von einem Regime, dass eine "Endlösung" erfand und regelrechte Vernichtungslager einrichtete und bis zuletzt betrieb.

Gegen das Vergessen helfen Bücher wie die des Kurt Vonnegut.

* * *
  • Schlachthof 5... in der DNB
  • Kurt Vonnegut in der DNB
  • DNB / Rowohlt TBV / Reinbek / 2010 /  ISBN: 978-3-499-25313-3 / 207 S.

© Bücherjunge

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