Samstag, 16. November 2013

George, Nina: Das Lavendelzimmer


Er weiß genau, welches Buch welche Krankheit der Seele lindert: Auf seinem Bücherschiff, der "literarischen Apotheke", verkauft der Pariser Buchhändler Jean Perdu Romane wie Medizin fürs Leben.
Nur sich selbst weiß er nicht zu heilen, seit jener Nacht vor 21 Jahren, als die schöne Provenzalin Manon ging, während er schlief. Sie ließ nichts zurück außer einem Brief - den Perdu nie zu lesen wagte. Bis zu diesem Sommer. Dem Sommer, der alles verändert und Monsieur Perdu aus der kleinen Rue Montagnard auf eine Reise in die Erinnerung führt, in das Herz der Provence und zurück ins Leben. 









Ein Buch, das die Seele berührt...

(zuerst veröffentlicht von parden auf Buchgesichter.de am  16.11.2013)






Da mich bereits der Klappentext bezaubert hat, möchte ich diesen hier voranstellen:

Manons Reisetagebuch
"Ich habe tatsächlich den Mann kennengelernt, der mich weinen und in mein Reisetagebuch hat schreiben sehen. In dem Zugabteil. Er fragte, ob ich sehr schlimmes Heimweh habe. ´Ich könnte doch auch Liebeskummer haben?´ fragte ich ihn. ´Heimweh ist Liebeskummer. Nur schlimmer.´ Er ist groß für einen Franzosen. Ein Buchhändler. Er heißt Jean. Er baut gerade einen flämischen Lastkahn um; er will darauf Bücher pflanzen, sagt er. ´Papierboote für die Seele´, es soll eine Apotheke werden erklärte er, eine pharmacie littéraire, für all die Gefühle, für die es sonst keine Arzneien gibt. Heimweh zum Beispiel.
Er sagt es so, dass es nicht albern klingt, sondern logisch. Als ob er von einer halbmagischen, aber dennoch offiziellen Medizin spricht. Er kommt mir vor wie ein weißer Rabe, klug und stark und über den Dingen schwebend. Er ist wie ein stolzer großer Vogel, der über den Himmel wacht. Ich habe Lust, ihn zu küssen, um zu sehen, ob er nicht nur reden und wissen, sondern auch fühlen und glauben kann."


 

Dieses Buch lässt die eigene Wunschliste in die Höhe schnellen - Bücher für die Seele...



Monsieur Perdu - der Name ist Programm. Perdu bedeutet auf Deutsch: "verloren". Und so ist er auch, verloren im Leben. Obgleich unerhört einfühlsam was die Sehnsüchte, Bedürfnisse, Gefühle anderer anbelangt und ihn für jeden das richtige Buch aus seiner schwimmenden Apotheke auswählen lässt, hat Monsieur Perdu sich selbst vor allem verschlossen. Er lebt äußerst spartanisch in seiner kleinen Wohnung, in der er vor das Lavendelzimmer, dem Ort seiner großen Liebe mit Manon, mittlerweile ein Bücherregal gestellt hat, um es nicht mehr betreten zu müssen, es nach Möglichkeit ganz aus seinen Gedanken zu verbannen. Seine große Liebe, die ihn vor 21 Jahren verließ - ohne ein Wort, ohne eine Andeutung, nur einen Brief zurücklassend. Den Monsieur Perdu seither ungeöffnet in einer Schublade aufbewahrt. 

"Er war gut darin geworden, alles zu ignorieren, was in ihm auch nur irgendeine Art sehnsüchtiges Gefühl provozieren konnte. Gerüche, Melodien. Die Schönheit der Dinge." (S. 14) 


So lebt Monsieur Perdu privat sehr zurückgezogen und einsiedlerisch, gönnt sich keinen Genuss und findet für sich selbst auch nicht das richtige Rezept, das ihn aus der immerwährenden Verlassenheit herausholen könnte. 



 
Auf solch einem Hausboot in Paris hat Monsieur Perdu seine pharmacie littéraire eingerichtet...

 

Doch als eine neue Nachbarin in sein Haus zieht, gerät ungewollt einiges in Aufruhr. Die Mauern, die Monsieur Perdu so geduldig und hartnäckig um sich her errichtet hatte, beginnen Risse zu bekommen und zu bröckeln. Und doch ist es Angst, die ihn überschwemmt, Angst vor den möglichen Antworten, vor Veränderungen, vor Verletzungen.
Schließlich erkennt er, dass er sich auf den Weg begeben muss. Auf die Suche begeben, nach Manon - und nach sich selbst. Und so kappt er die Taue seines Bücherbootes und fährt die Flüsse hinab. 


"...dass man über das Wasser in den Süden fahren muss, um Antworten auf Träume zu bekommen. Und dass man sich dort wieder finden kann, aber nur, wenn man auf dem Weg dorthin verloren geht, ganz und gar verloren. Vor Liebe. Vor Sehnsucht. Vor Angst. Im Süden lauscht man dem Meer, um zu begreifen, dass sich Lachen und Weinen genau gleich anhören und die Seele manchmal weinen muss, um glücklich zu sein." (S. 103)

 


Der Duft und die Farben der Provence...




Dieses Buch hat mich immer wieder und vielfältig berührt. Traurigkeit, Sehnsucht, Liebe, Träume, Hoffnung und der Blick für die schönen Dinge im Leben - wenn man sie nur an sich heranlässt. Und die Gewissheit, dass es dafür nie zu spät ist, zu keinem Zeitpunkt im Leben.
Solch ein warmherziges Buch, solch eine wundervoll poetische Sprache. Alles ist nachspürbar, die Gerüche, die Wärme, die Farben, die Luft, der Geschmack - die Liebe zum Leben. Und wer sich mit Monsieur Perdu auf die Reise begibt, begibt sich auch ein wenig auf die Reise zu sich selbst. Viele Sätze sind wunderschön, so schön, dass ich sie am liebsten festgehalten hätte, aber ich habe es nach einigen Seiten aufgegeben - es waren einfach zu viele. Lieber werde ich dieses Buch noch einmal lesen, um erneut einzutauchen in die Poesie der Literatur, die Träume und die Suche des Monsieur Perdu und mich ein weiteres Mal tragen zu lassen von der Kraft der Worte und dem Licht und dem Duft der Provence.

 






Ein Buch, das die Seele berührt und einfach nur eine absolute Leseempfehlung verdient!


© Parden  












Nina George

Die mehrfach ausgezeichnete Publizistin Nina George, geboren 1973, veröffentlichte bisher 24 Romane, Krimis, Science-Thriller sowie ca. 90 Kurzgeschichten und über 600 Kolumnen. Sie arbeitet seit 1992 als freie Journalistin, Essayistin und Reporterin (Gerichtsreport, Lokales, Kultur, Rezensionen), sowie als Textdozentin und persönliche Tutorin in einem von ihr entwickelten Programm zur Ausbildung schriftstellerischer Talente.
Nina George ist seit 2006 verheiratet mit dem Schriftsteller Jo Kramer und lebt im Hamburger Grindelviertel. Sie liebt Katzen, Kaffee, Weißwein, Leben mit Büchern, Schwimmen, Tai-Chi, Zufußgehen, die Farben des Himmels zur blauen Stunde.

Hier geht es zur Homepage der Autorin, wo es noch weiterführende Informationen gibt.



4 Kommentare:

  1. pharmacie littéraire: Wenn wir mal einen neuen Blognamen brauchen!
    Die "Pont du gard" hab ich auch selber schon vor der Linse gehabt. Trotz der sehr schönen Rezension: Dafür bin ich momentan gar nicht in Stimmung.

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    1. Das ist eines der wenigen Bücher, die ich mit sicherheit mindestens ein zweites Mal lesen werde...

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  2. Ah, unsere Anne ist zurück! Schön, wieder von dir zu lesen!!! :-)

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    1. Ja, ich habe es auch schon vermisst - ich freue mich, nun wieder hier zu sein...

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